[412] Vor Imogens Gemach.
Cloten tritt auf und die Edelleute.
ERSTER EDELMANN. Euer Gnaden sind der geduldigste Mann beim Verlust, der kaltblütigste, der je ein As aufschlug.
CLOTEN. Es muß jeden Menschen kalt machen, wenn er verliert.
ERSTER EDELMANN. Aber nicht jeden so geduldig, wie Eure edle Gemütsart ist, mein Prinz: Ihr seid nur hitzig und wütig, wenn Ihr gewinnt.
CLOTEN. Gewinn macht den Menschen mutig. Könnte ich nur diese alberne Imogen erlangen, so hätte ich Gold genug. Nicht wahr, es ist fast Morgen?
ERSTER EDELMANN. Schon Tag, gnädiger Herr.
CLOTEN. So wollte ich, daß die Musik käme; sie haben mir geraten, ihr des Morgens Musik zu bringen; sie sagen, das würde durchdringen.
Die Musiker kommen.
Na, kommt; stimmt! Wenn ihr mit eurer Fingerei bei ihr durchdringen könnt, gut; dann wollen wir es auch mit der Zunge versuchen; wenn nichts hilft, so mag sie laufen, doch aufgeben will ich es nicht. Erst ein vortreffliches, gut gespieltes Ding; nachher ein wunderbar süßer Gesang, mit erstaunlichen, übermäßigen Worten dazu. – Dann mag sie sich's überlegen.
Horch! Lerch' am Himmelstor singt hell,
Und Phöbus steigt herauf,
Sein Roßgespann trinkt süßen Quell
Von Blumenkelchen auf;
Die Ringelblum' erwacht aus Traum,
Tut güldne Äuglein auf;
Lacht jede Blüt' im grünen Raum,
Drum, holdes Kind, steh auf;
Steh auf, steh auf![412]
CLOTEN. So, nun fort; wenn dies durchdringt, werde ich eure Musik um so besser beachten: wo nicht, so ist es ein Fehler an ihren Ohren, den Roßhaare, Darmsaiten und die Stimmen von Hämlingen noch dazu nicht bessern können.
Die Musiker gehn ab.
Cymbeline und die Königin treten auf.
ZWEITER EDELMANN. Hier kommt der König.
CLOTEN. Es ist mir lieb, daß ich so spät noch auf war, denn das ist Ursach', daß ich so früh schon wieder auf bin. Er muß diese Liebesbewerbung väterlich aufnehmen. Ich wünsche Eurer Majestät und meiner gnädigen Mutter einen guten Morgen.
CYMBELINE. Harrt Ihr vor unsrer strengen Tochter Tür? Und kommt sie nicht?
CLOTEN. Ich habe sie mit Musik bestürmt, aber sie geruht nicht, darauf zu achten.
CYMBELINE.
Zu neu ist die Verbannung ihres Lieblings;
Noch denkt sie sein; und eine längre Zeit
Muß erst sein Bild in ihrer Seele löschen,
Dann ist sie dein.
KÖNIGIN.
Viel Huld zeigt dir der König;
Er nutzt jedweden Anlaß, der dich fördert
Bei seiner Tochter; tu' nun selbst das Beste
Durch angebracht Bewerben: sei befreundet
Mit Zeit und Stunde; durch Verweigerung
Vermehre sich dein Eifer, daß es scheine,
Begeist'rung treibe dich zu allen Diensten,
Die du ihr weihst; daß du ihr stets gehorchst,
Nur wenn sie dir befiehlt, dich zu entfernen,
Dann sei wie sinnlos!
CLOTEN.
Sinnlos? Das fehlte noch?
Ein Bote tritt auf.
BOTE.
Gesandte sind von Rom da, hoher Herr;
Der ein' ist Cajus Lucius.
CYMBELINE.
Ein wackrer Mann,
Kommt er auch jetzt auf bösen Anlaß; doch
Nicht schuld ist er. Wir müssen ihn empfangen,[413]
Gemäß der Ehre dessen, der ihn sendet;
Und daß er einst uns Freundesdienste tat,
Sei frisch in der Erinn'rung! – Teurer Sohn,
Sobald Ihr Eure Herrin habt begrüßt,
Folgt uns und Eurer Mutter; Ihr seid nötig
In Gegenwart des Römers. – Kommt, Gemahlin!
Cymbeline, Königin, Bote und Edelleute gehn ab.
CLOTEN.
Ist sie schon auf, so will ich mit ihr sprechen;
Wo nicht, so schlaf' und träume sie. – Heda! –
Er klopft an.
Stets hat sie ihre Frau'n um sich. Wie wär's,
Salbt' ich die Hand der einen? Gold ist's ja,
Das Zutritt kauft, sehr oft; ja, es besticht
Dianens Förster, daß sie selbst das Wild
Dem Dieb entgegen treiben; Gold ist's ja,
Was Brave mordet und den Räuber schützt;
Ja, manchmal Dieb und Redlich bringt zum Galgen.
Was kann's nicht schaffen und vernichten? Mir
Soll's eine ihrer Frau'n zum Anwalt machen;
Ich selbst versteh' das Ding noch nicht so recht.
Ist niemand da?
Er klopft.
Eine Kammerfrau tritt auf.
KAMMERFRAU.
Wer klopft?
CLOTEN.
Ein Edelmann.
KAMMERFRAU.
Nichts mehr?
CLOTEN.
Ja, einer Edeldame Sohn.
KAMMERFRAU.
Und das ist mehr, als mancher rühmen kann,
Des Schneider ihm so hoch kommt als der Eure:
Was ist denn meinem gnäd'gen Herrn gefällig?
CLOTEN.
Eu'r gnäd'ges Fräulein da: ist sie bereit?
KAMMERFRAU.
O ja, aus ihrem Zimmer nicht zu gehn.
CLOTEN.
Da habt Ihr Gold, verkauft mir Eure Liebe!
KAMMERFRAU.
Wie! Euch zu lieben? Oder andern nur
Mit Liebe von Euch sprechen? – Die Prinzeß –
Imogen tritt auf.[414]
CLOTEN.
Guten Morgen, schönste Schwester – Eure Hand!
IMOGEN.
Guten Morgen, Prinz; Ihr kauft mit zu viel Mühe
Euch Unruh' nur: der Dank, den ich Euch gebe,
Ist das Geständnis, daß ich, arm an Dank,
Ihn nicht verschenken kann.
CLOTEN.
Stets, schwör' ich, lieb' ich Euch.
IMOGEN.
Sagt Ihr es bloß, so gilt's mir minder nicht;
Doch schwört Ihr stets, bleibt Euer Lohn doch stets,
Daß ich's nicht achte.
CLOTEN.
Das ist keine Antwort.
IMOGEN.
Nur daß mein Schweigen nicht Nachgeben scheine,
Sonst spräch' ich nichts. Ich bitte, laßt mir Ruhe:
Glaubt, Eure beste Zärtlichkeit erweckt
Mißhöflichkeit, wie jetzt; ein Mann, so weise,
Lernt doch wohl, einen Vorsatz aufzugeben.
CLOTEN.
Euch in der Tollheit lassen? Sünde wär's.
Ich tu' es nimmer.
IMOGEN.
Narren sind nicht toll.
CLOTEN.
Nennt Ihr mich Narr?
IMOGEN.
Ich tu' es, da ich toll bin.
Seid Ihr vernünftig, bin ich nicht mehr toll;
Das heilt uns beide. Es tut mir leid, mein Prinz,
Ihr zwingt mich, daß ich fremd der Frauensitte
So gradezu bin. Ein für allemal,
Ich, die mein Herz geprüft, beteure hier
Bei dessen Treu': ich frage nichts nach Euch,
Und bin fast so der Nächstenlieb' entfremdet
(Ich klage selbst mich an), daß ich Euch hasse.
Fühltet Ihr's lieber, braucht' ich mich nicht dessen
Zu rühmen.
CLOTEN.
Am Gehorsam sündigt Ihr,
Den Euer Vater fodern darf. Denn Ehe,
Die Ihr vorschützt mit diesem niedern Wicht
(Den Almos', kalte Schüsseln aufgefüttert,
Abfall des Hofes), ist nicht Ehe, nein!
Und wenn man niedern Ständen auch vergönnt
(Doch wer ist niedriger?), ihr Herz zu binden
(Bei ihnen wird nichts mehr erzielt als Bälge[415]
Und Bettelpack) in selbstgeschürzten Knoten,
Hält Euch vor solchem Unfug doch gezügelt
Das Anrecht auf den Thron; des Kostbarkeit
Dürft Ihr nicht schmähn mit einem niedern Sklaven,
Einem Mietling für Bedient', einem Tischaufwärter,
Brotschneider, noch zu schlecht für solche Würden.
IMOGEN.
Verworfner Mensch!
Wärst du der Sohn des Zeus, und sonst so, wie
Du jetzt bist, wärst du doch zu niederträchtig,
Sein Knecht zu sein; hoch wärest du geehrt
(Selbst um den Neid zu wecken, schätzte man
Euch beide nach Verdienst), würd'st du ernannt
In seinem Reich zum Unterbüttel, und
Gehaßt für unverdiente Gunst.
CLOTEN.
Treff' ihn die Pest!
IMOGEN.
Kein größer Unheil kann ihn treffen, als
Von dir genannt zu sein. Das schlechtste Kleid,
Das je nur seinen Leib umschloß, ist teurer
Für mich, als alle Haar' auf deinem Kopf,
Wär' jedes solch ein Mann. – Heda, Pisanio!
Pisanio tritt auf.
CLOTEN.
Sein Kleid? Der Teufel hol's –
IMOGEN.
Geh schnell zu Dorothee, der Kammerfrau –
CLOTEN.
Sein Kleid?
IMOGEN.
Ein Narr verfolgt mich wie ein Spuk;
Macht Schreck und noch mehr Ärger: – heiß' das Mädchen
Nach einem Kleinod suchen, unversehens
Glitt mir's vom Arm: es war von meinem Gatten;
Wahrlich, nicht für den Schatz des größten Königs
In ganz Europa möcht' ich's missen. Heut
Am Morgen, dünkt mich, sah ich's noch, doch sicher
War's gestern abend noch an meinem Arm;
Da küßt' ich's: es entfloh, doch, nicht dem Herrn
Zu sagen, daß ich außer ihm was küßte.
PISANIO.
Wohl findet sich's.
IMOGEN.
Das hoff' ich: geh und such'!
Pisanio geht ab.[416]
CLOTEN.
Ihr habt mich schwer gekränkt – sein schlechtstes Kleid?
IMOGEN.
Jawohl, das war mein Wort;
Wenn Ihr mich drum verklagen wollt, ruft Zeugen!
CLOTEN.
Eu'r Vater hört es.
IMOGEN.
Eure Mutter auch.
Sie ist mir hold gesinnt und wird das Schlimmste
Gern von mir denken. So empfehl' ich Euch
Dem schlimmsten Unmut.
Imogen geht ab.
CLOTEN.
Rache muß ich haben –
Sein schlechtstes Kleid? – Schon gut!
Ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Cymbeline
|
Buchempfehlung
Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.
178 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro