Erste Szene

[408] Britannien, ein Hof vor dem Palast.


Cloten tritt auf mit zwei Edelleuten.


CLOTEN. Hatte je ein Mensch solch Unglück! Wenn meine Kugel schon die andre berührte, weggestoßen zu werden! Ich hatte hundert Pfund darauf gesetzt: und dann muß solch ein verwünschter Maulaffe mir noch mein Fluchen vorwerfen; als wenn ich meine Flüche von ihm borgte, und sie nicht nach Gefallen ausgeben könnte!

ERSTER EDELMANN. Was hat es ihm geholfen? Ihr habt ihm mit Eurer Kugel den Kopf zerschlagen.

ZWEITER EDELMANN für sich. Wenn sein Verstand dem Verwundenden gleich wäre, so wäre er ganz ausgelaufen.

CLOTEN. Wenn ein vornehmer Herr Lust hat zu fluchen, so schickt sich's nicht für irgend jemand, der dabei ist, ihm seine Flüche verschneiden zu wollen.

ZWEITER EDELMANN. Nein, mein Prinz; für sich oder ihnen die Ohren zu stutzen.

CLOTEN. Verwünschter Hund! – Ich ihm Genugtuung geben? Ich wollte, er wäre von meinem Range!

ZWEITER EDELMANN für sich. Um auch solche Range zu sein wie du?

CLOTEN. Nichts auf der Welt kann mich so ärgern, – der Henker hol's! Ich möchte lieber nicht so vornehm sein, als ich bin; sie getrauen sich nicht, mit mir zu fechten, wegen der Königin meiner Mutter; jeder Hansnarr schlägt sich die Haut voll, und ich muß auf und ab gehen, wie ein Hahn, an den sich keiner traut.

ZWEITER EDELMANN für sich. Und doch ist Euch die Dummheit angetraut.[408]

CLOTEN. Was sagst du?

ERSTER EDELMANN. Es schickt sich nicht für Euer Gnaden, sich mit jedem Gesellen herum zu schlagen, den Ihr beleidigt.

CLOTEN. Ja, das weiß ich wohl; aber es schickt sich für mich, die zu beleidigen, die weniger sind als ich.

ZWEITER EDELMANN. Ja, das schickt sich nur für Euer Gnaden allein.

CLOTEN. Nun, das mein' ich.

ERSTER EDELMANN. Habt Ihr von jenem Ausländer gehört, der heut abend an den Hof gekommen ist?

CLOTEN. Ein Ausländer! Und ich weiß nichts davon?

ZWEITER EDELMANM für sich. Er ist selbst ein ausländisch Tier, und weiß es nicht.

ERSTER EDELMANN. Ein Italiener ist angekommen; und wie man sagt, ein Freund des Leonatus.

CLOTEN. Leonatus? Der verbannte Schuft; und dieser ist auch einer, er mag sein, wer er will. Wer sagte Euch von diesem Ausländer?

ERSTER EDELMANN. Einer von Euer Gnaden Pagen.

CLOTEN. Schickt es sich, daß ich gehe und ihn ansehe? Ist das keine Erniedrigung für mich?

ERSTER EDELMANN. Ihr könnt Euch gar nicht erniedrigen, Prinz.

CLOTEN. Nicht so leicht, das glaube ich auch.

ZWEITER EDELMANN für sich. Ihr seid ein ausgemachter Narr, und dadurch so erniedrigt, daß nichts, was Ihr tut, Euch noch mehr erniedrigen kann.

CLOTEN. Kommt, ich will diesen Italiener ansehn; was ich im Kugelspiel verloren habe, will ich heut abend von ihm wieder gewinnen. Kommt, gehn wir!

ZWEITER EDELMANN. Zu Euer Gnaden Befehl.


Cloten und der erste Edelmann gehn ab.


Daß ein so list'ger Teufel, wie die Mutter,

Der Welt den Esel gab! Ein Weib, das alles

Mit ihrem Geist erdrückt; und er, ihr Sohn,

Kann, für sein Leben, nicht von zwanzig zwei

Abziehn, daß achtzehn bleiben. Arme Fürstin,

O edle Imogen, was mußt du dulden![409]

Der Vater hier, den die Stiefmutter lenkt;

Die Mutter dort, die stündlich Ränke spinnt;

Ein Freier, hassenswürd'ger als der Bann

Des teuren Gatten und der sünd'ge Vorsatz

Der Scheidung! Unerschüttert halte Gott

Die Mauer deiner Her', und unentweiht

Den Tempel, dein Gemüt; die Treu' belohne

Rückkehr des Gatten und die Herrscherkrone!


Er geht ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 408-410.
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