[575] Sizilien, Palast.
Es treten auf Leontes, Cleomenes, Dion, Paulina und andre.
CLEOMENES.
Mein Fürst, Ihr habt genug getan, gebüßt
Gleich einem Heil'gen: was Ihr immer fehltet,
Habt Ihr dadurch gesühnt; ja, Ihr bezahltet
Mehr Reu', als Sünde Ihr begingt. Zum Schluß,
Tut wie der Himmel tat, vergeßt Gescheh'nes;
Verzeiht es Euch, wie er!
LEONTES.
Solang' ich ihrer
Gedenk' und ihrer Tugend, kann ich nimmer
Der eignen Schmach vergessen; stets ja quält mich
Das Unrecht, das ich selbst mir tat, so groß,
Daß es mein Reich der Erben bat beraubt;
Zerstört die holdste Frau, die einem Mann
Je süße Hoffnung gab.
PAULINA.
Wahr, allzu wahr, mein Fürst.
Wenn, Weib auf Weib, die ganze Welt Ihr freitet,
Wenn Ihr von jeder etwas Gutes nähmet,
Und schüf't das beste Weib: die Ihr erschlugt,
Wär' dennoch unerreicht.
LEONTES.
Jawohl! Erschlagen:
Die ich erschlug! – Ich tat's, doch du verwundest
Mich tödlich, da du's sagst; gleich bitter ist's,
Wenn du es sprichst, als wenn ich's denke: – Liebe,
Sprich so nur selten!
CLEOMENES.
Niemals, werte Frau!
Ihr könntet tausend Dinge sprechen, welche
Der Zeit mehr ziemten und Euch freundlicher
Uns zeigen möchten.[575]
PAULINA.
Ihr seid einer derer,
Die neuvermählt ihn wünschen.
DION.
Wünscht Ihr's nicht,
So liebt Ihr nicht das Land, nicht seines Namens
Erlauchte Fortpflanzung; erwägt nur wenig,
Was für Gefahr, da kinderlos der Herr,
Dem Reiche droht, auch die verschlingen kann,
Die dies gleichgültig sehn. Ist es nicht fromm,
Wenn wir die Seligkeit der Kön'gin preisen?
Ist es nicht frömmer noch, – um Kronenerben,
Um gegenwärt'gen Trost und künft'ges Heil, –
Das Bett der Majestät aufs neu' zu segnen
Mit einer holden Gattin?
PAULINA.
Kein' ist's wert,
Denkt Ihr an sie, die starb. Auch will die Gottheit,
Daß ihr geheimer Ratschluß werd' erfüllt.
Denn sprach nicht so der himmlische Apoll,
War das nicht des Orakels heil'ges Wort:
Es soll Leontes keinen Erben haben,
Bis sein verlornes Kind sich fand? Dies ist
Nach unsrer Einsicht ebenso unmöglich,
Als daß Antigonus das Grab durchbräche
Und wieder zu mir käme; der doch wahrlich
Verdarb zusamt dem Kind. Ist's Euer Wille,
Daß unser Herr dem Himmel widerstrebt
Und seinem Ratschluß trotzt? – Sorgt nicht um Herrscher;
Es find't das Reich den Erben. Alexander
Ließ seins dem Würdigsten; so war's vermutlich
Der Beste, der ihm folgte.
LEONTES.
O, Paulina, –
Ich weiß, du Gute hältst das Angedenken
Hermionens in Ehren. Hätt' ich immer
Mich deinem Rat gefügt! – Dann könnt' ich jetzt
In meiner Kön'gin helles Auge schaun,
Schätz' ihrer Lipp' entnehmen.
PAULINA.
Die dann reicher
Durch Geben ward.
LEONTES.
Oh! du sprichst wahr.[576]
So gibt's kein Weib mehr; drum kein Weib; ein schlechtres
Und mehr geliebt, trieb' ihren sel'gen Geist
In ihren Leichnam und auf diese Bühne,
Wo ich, ihr Mörder, steh'; und rief' im Schmerz:
»Warum geschieht mir das?«
PAULINA.
Wär's ihr vergönnt,
Sie spräche so mit Recht.
LEONTES.
Gewiß, und würde
Zum Morde mich der zweiten Frau entflammen.
PAULINA.
War' ich der irre Geist, ich käme dann
Und hieß' Euch schaun in jener Aug', und fragte,
Ob Ihr um diesen matten Blick sie wähltet;
Dann kreischt' ich auf, daß Euer Ohr zerrisse,
Und schiede mit dem Wort: »Gedenke mein!«
LEONTES.
Ha. Sterne, Sterne waren's,
Und alle andern Augen tote Kohlen! –
Oh, fürchte du kein Weib,
Ich will kein Weib, Paulina.
PAULINA.
Wollt Ihr schwören,
Nie, bis ich beigestimmt, Euch zu vermählen?
LEONTES.
Niemals, bei meiner Seele Heil, Paulina.
PAULINA.
Ihr, werte Herrn, seid Zeugen seines Schwurs.
CLEOMENES.
Ihr quält ihn allzusehr.
PAULINA.
Bis eine andre,
Hermione so ähnlich wie ihr Bild,
Sein Auge schaut.
CLEOMENES.
Oh, laßt –
Leontes gibt ihm einen Wink.
Ich schweige still.
PAULINA.
Doch will mein König sich vermählen, – wollt Ihr,
Wollt Ihr durchaus, – so überlaßt es mir,
Die Gattin ihm zu wählen; nicht so jung
Wie Eure erste soll sie sein, doch so,
Daß, käm' der ersten Kön'gin Geist, er freudig
In Eurem Arm sie sähe.
LEONTES.
Treue Freundin,
Nur, wenn du's willst, vermählen wir uns.[577]
PAULINA.
Das
Ist nur, wenn Eure Kön'gin wieder lebt;
Bis dahin nie.
Ein Edelmann tritt auf.
EDELMANN.
Ein Jüngling, der Prinz Florizel sich nennt,
Den Sohn Polyxenes', mit seiner Gattin, –
Die schönste Fürstin, die ich je gesehn, –
Wünscht Eurer Hoheit sich zu nahn.
LEONTES.
Wer mit ihm?
Er kommt nicht in des Vaters Glanz: sein Nahn
So ohne Förmlichkeit, so plötzlich, sagt uns,
Nicht vorbedacht sei der Besuch; erzwungen
Durch Not und Zufall nur. Was für Gefolge?
EDELMANN.
Geringe nur und wen'ge.
LEONTES.
Die Gemahlin,
So sagst du, mit ihm?
EDELMANN.
Ja, das herrlichst schönste
Geschöpf, das je die Sonne nur beglänzte.
PAULINA.
O Hermione!
Wie jede Gegenwart sich prahlend höher
Als beßre Vorzeit stellt: so wird dein Grab
Auch jetzt geschmäht vom Neu'sten. Herr, Ihr selbst,
Ihr spracht, Ihr schriebt (doch nun ist Eure Schrift
Kalt, wie ihr Gegenstand): »sie war niemals
Und wird auch nie erreicht«; – so trug Eu'r Lied
Ihr Lob in hoher Flut, – sehr ward es Ebbe,
Da Ihr jetzt eine schöner preist.
EDELMANN.
Verzeiht!
Die ein' ist fast vergessen, zürnt mir nicht!
Doch diese, wenn sie Euer Aug' entzückte,
Stimmt' Eure Zunge auch. Sie ist ein Wesen,
Das, lehrt sie Ketzerei, den Eifer löscht
In jedem Gläub'gen, – Proselyt wird jeder,
Wenn sie ihn folgen heißt.
PAULINA.
Wie? auch die Frauen?
EDELMANN.
Die Frauen lieben sie, weil Frau sie ist,
Mehr wert als alle Männer; und die Männer,
Weil sie der Frauen schönste.[578]
LEONTES.
Geh, Cleomenes;
Du selbst mit deinen würd'gen Freunden, führt
In unsre Arme sie!
Cleomenes mit mehrern andern ab.
Doch seltsam immer
Der unversehne Gruß.
PAULINA.
Sah unser Prinz,
Das Kleinod unter Kindern, diesen Tag,
War er mit diesem Herrn ein schönes Paar;
Denn dieser Prinz war kaum vier Wochen älter.
LEONTES.
Ich bitte dich, nichts mehr, hör' auf; du weißt,
Er stirbt mir immer wieder, nennst du ihn;
Erblick' ich diesen Prinzen, kann kein Wort
In mir Gedanken wecken, die mich leicht
Berauben könnten der Vernunft. – Sie kommen.
Es treten auf Cleomenes, Florizel und Perdita mit Gefolge.
Prinz, Eure Mutter war dem Eh'bund treu;
Denn Eures edeln Vaters Bild empfing sie,
In Euch geprägt; wär' ich jetzt einundzwanzig –
So ähnlich stellt Ihr Euren Vater dar,
Sein ganzes Wesen – Bruder nennt' ich Euch,
Wie ihn; erzählt' Euch einen Schwank, den beide
Wir ausgeführt. Seid herzlich mir willkommen!
Und Eure schöne Fürstin! – Göttin! – Ach!
Ein Paar verlor ich; zwischen Erd' und Himmel
Ständ' es wohl so jetzt da, Bewund'rung zeugend,
Wie ihr, holdsel'ges Paar! Und dann verlor ich
Durch eigne Torheit alles, die Gesellschaft,
Ja, Freundschaft Eures biedern Vaters; den,
Bin ich auch gramgebeugt, ich gern im Leben
Noch einmal wiedersäh'!
FLORIZEL.
In seinem Auftrag
Erschein' ich in Sizilien, und von ihm
Bring' ich Euch Grüße, wie ein Freund, ein König,
Dem Bruder senden mag; und wenn nicht Schwäche,
Begleiterin des Alters, ihm vermindert
Die rasche Kraft, so hätt' er selbst durchmessen[579]
Die Meer' und Länder zwischen euren Reichen,
Euch anzuschauen, den er inn'ger liebt
Als alle Fürsten – so hieß er mich sagen –,
Die lebend jetzt regieren.
LEONTES.
Oh, mein Bruder,
Du Trefflicher! Das Leid, das ich dir tat,
Quält mich von neuem jetzt, und diese Sendung,
So ausgezeichnet freundlich, klagt so herber
Mein träges Säumen an. – O seid willkommen,
So wie der Lenz der Flur. Und hat er auch
Dies Wunder ausgesetzt dem grausen, oder
Doch rohen Treiben des furchtbaren Meers,
Den Mann zu grüßen, ihrer Müh' nicht wert,
Viel wen'ger seinethalb ihr Leben wagend?
FLORIZEL.
Mein gnäd'ger Fürst, sie kommt von Libyen.
LEONTES.
Wo Held Smalus gefürchtet und geliebt ist?
FLORIZEL.
Erlauchter Herr, von dort; von ihm, des Tränen
Im Scheiden sie als Tochter anerkannten:
Von da bracht' uns ein günst'ger Südwind her,
Um meines Vaters Auftrag zu erfüllen,
Euch zu besuchen: meine ersten Diener
Hab' ich gleich von Sizilien fort geschickt,
Nach Böhmen hin, um dort bekannt zu machen
Der Reise glücklichen Erfolg in Libyen
Und mein und meiner Gattin sichre Landung
Hier, wo wir sind.
LEONTES.
Die gnäd'gen Götter rein'gen
Von ungesunden Dünsten unsre Luft,
Solang' Ihr weilt! Oh, Euer frommer Vater,
Der gnadenvolle Fürst, an dessen Haupt,
Dem heiligen, ich so gefrevelt habe:
Weshalb der Himmel, zornentbrannt, der Kinder
Mich hat beraubt; Eu'r Vater ist gesegnet,
Wie von dem Himmel er's verdient, durch Euch,
Wert seines edlen Sinns. Was wär' ich selbst,
Könnt' ich auch jetzt auf Sohn und Tochter schaun:
Solch wackres Paar wie ihr?
Ein Hofherr tritt auf.[580]
HOFHERR.
Mein gnäd'ger König,
Unglaublich wird Euch scheinen, was ich melde,
Doch gleich bestätigt sich's. Mein hoher Herr,
Persönlich grüßt Euch Böhmen selbst durch mich:
Will, daß Ihr festnehmt seinen Sohn, der kürzlich,
Den hohen Rang, die Pflichten all' vergessend,
Von seinem Vater floh und seinem Erbteil,
Mit eines Schäfers Tochter.
LEONTES.
Böhmen! – sprich, wo ist er?
HOFHERR.
Hier in der Stadt; ich kam von ihm so eben.
Verwildert red' ich; wie das Wunderbare
Mich zwingt und meine Botschaft. Als er zum Hof
Hieher geeilt, verfolgend, wie ich glaube,
Dies schöne Paar, erblickt' er auf dem Wege
Den Vater dieser vorgegebnen Fürstin
Und ihren Bruder, die ihr Land verließen
Mit diesem Prinzen.
FLORIZEL.
Mich verriet Camillo,
Des Redlichkeit und Ehre jedem Wetter
Bis jetzt getrotzt.
HOFHERR.
Macht ihm den Vorwurf selbst;
Denn er ist mit dem König.
LEONTES.
Wer? Camillo?
HOFHERR.
Camillo, Herr, ich sprach ihn; er verhört
Die Armen. Niemals sah ich noch Elende
So zittern: wie sie knien, den Boden küssen,
Verschwören Leib und Seel' in jedem Wort.
Böhmen verstopft sein Ohr, und droht mit Tod
Und tausend Martern.
PERDITA.
Oh, mein armer Vater!
Der Himmel schickt uns Späher nach; er will nicht
Erfüllung unsres Bunds.
LEONTES.
Seid ihr vermählt?
FLORIZEL.
Wir sind's nicht, Herr, und werden's nun wohl nimmer!
Eh' werden Sterne noch die Täler küssen.
LEONTES.
Ist dies die Tochter eines Königs, Prinz?
FLORIZEL.
Sie ist es, ist sie einst mit mir vermählt.[581]
LEONTES.
Dies »Einst« wird wohl durch Eures Vaters Eile
Sehr langsam nahn. Beklagen muß ich höchlich,
Daß Ihr Euch seiner Liebe habt entfremdet,
Die heil'ge Pflicht Euch war: beklagen muß ich,
Daß die Gewählte Rang nicht hat wie Schönheit,
Mit Recht Euch zu verbleiben.
FLORIZEL.
Mut, Geliebte!
Obgleich das Schicksal sichtbar uns verfolgt
Durch meinen Vater, kann's doch unsre Liebe
Nicht um ein Haar breit schwächen. – Herr, ich bitt' Euch,
Gedenkt der Zeit, da Ihr nicht mehr als ich
Dem Alter schuldig wart: mit dem Gefühl
Seid mein Vertreter jetzt; denn, wenn Ihr bittet,
Gewährt mein Vater Großes leicht wie Tand.
LEONTES.
Eu'r schönes Liebchen müßt' er dann mir geben,
Die er für Tand nur achtet.
PAULINA.
Herr, mein Fürst,
Eu'r Aug' hat zu viel Jugend; einen Monat
Vor Eurer Kön'gin Tod, war solcher Blicke
Sie würdiger, als was Ihr jetzt betrachtet.
LEONTES.
Nur ihrer dachte mein entzücktes Auge. –
Doch unerwidert ist noch Eure Bitte:
Zu Eurem Vater eil' ich; hat Begier
Gekränkt nicht Eure Ehre, bin ich Euer,
Und Eurer Wünsche Freund: zu dem Geschäft
Geh' ich ihm jetzt entgegen; folgt mir nun,
Und seht, wie mir's gelingt! Kommt, edler Prinz!
Alle ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Wintermärchen
|
Buchempfehlung
Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
270 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro