Fünfter Aufzug

Erste Szene

[656] Vor Prosperos Zelle.


Prospero in seiner Zaubertracht und Ariel treten auf.


PROSPERO.

Jetzt naht sich der Vollendung mein Entwurf,

Mein Zauber reißt nicht, meine Geister folgen,

Die Zeit geht aufrecht unter ihrer Last.

Was ist's am Tag?

ARIEL.

Die sechste Stunde, Herr,

Um welche Zeit Ihr sagtet, daß das Werk

Ein Ende nehmen solle.

PROSPERO.

Ja, ich sagt' es,

Als ich den Sturm erregte. Sag, mein Geist,

Was macht der König jetzt und sein Gefolg'?

ARIEL.

Gebannt zusammen auf dieselbe Weise,

Wie Ihr mir auftrugt; ganz wie Ihr sie ließt;

Gefangen alle, Herr, im Lindenwäldchen.

Das Eure Zelle schirmt: sie können sich

Nicht rippeln, bis Ihr sie erlöst. Der König,

Sein Bruder, Eurer, alle drei im Wahnsinn.

Die andern trauren um sie, übervoll

Von Gram und Schreck; vor allen er, den Ihr

»Den guten alten Herrn Gonzalo« nanntet.

Die Tränen rinnen ihm am Bart hinab,

Wie Wintertropfen an der Trauf' aus Rohr.

Eu'r Zauber greift sie so gewaltig an,

Daß, wenn Ihr jetzt sie sähet, Eu'r Gemüt

Erweichte sich.

PROSPERO.

Glaubst du das wirklich, Geist?

ARIEL.

Meins würd' es, wär' ich Mensch.[656]

PROSPERO.

Auch meines soll's.

Hast du, der Luft nur ist, Gefühl und Regung

Von ihrer Not? und sollte nicht ich selbst,

Ein Wesen ihrer Art, gleich scharf empfindend,

Leidend wie sie, mich milder rühren lassen?

Obschon ihr Frevel tief ins Herz mir drang,

Doch nehm' ich gegen meine Wut Partei

Mit meinem edlern Sinn: der Tugend Übung

Ist höher als der Rache; da sie reuig sind,

Erstreckt sich meines Anschlags ein'ger Zweck

Kein Stirnerunzeln weiter: geh, befrei' sie!

Ich will den Zauber brechen, ihre Sinne

Herstellen, und sie sollen nun sie selbst sein.

ARIEL.

Ich will sie holen, Herr.


Ab.


PROSPERO.

Ihr Elfen von den Hügeln, Bächen, Hainen;

Und ihr, die ihr am Strand, spurloses Fußes,

Den ebbenden Neptunus jagt und flieht,

Wann er zurückkehrt; halbe Zwerge, die ihr

Bei Mondschein grüne saure Ringlein macht,

Wovon das Schaf nicht frißt; die ihr zur Kurzweil

Die nächt'gen Pilze macht; die ihr am Klang

Der Abendglock' euch freut; mit deren Hülfe

(Seid ihr gleich schwache Fäntchen) ich am Mittag

Die Sonn' umhüllt, aufrühr'sche Wind' entboten,

Die grüne See mit der azurnen Wölbung

In lauten Kampf gesetzt, den furchtbar'n Donner

Mit Feu'r bewehrt, und Jovis' Baum gespalten

Mit seinem eignen Keil, des Vorgebirgs

Grundfest' erschüttert, ausgerauft am Knorren

Die Ficht' und Zeder; Grüft', auf mein Geheiß,

Erweckten ihre Toten, sprangen auf

Und ließen sie heraus, durch meiner Kunst

Gewalt'gen Zwang: doch dieses grause Zaubern

Schwör' ich hier ab; und hab' ich erst, wie jetzt

Ich's tue, himmlische Musik gefodert,

Zu wandeln ihre Sinne, wie die luft'ge

Magie vermag: so brech' ich meinen Stab,

Begrab' ihn manche Klafter in die Erde,[657]

Und tiefer, als ein Senkblei je geforscht,

Will ich mein Buch ertränken.


Feierliche Musik.


Ariel kommt zurück; Alonso folgt ihm mit rasender Gebärde, begleitet von Gonzalo; Sebastian und Antonio ebenso, von Adrian und Francisco begleitet: sie treten alle in den Kreis, den Prospero gezogen hat, und stehn bezaubert da. Prospero bemerkt es und spricht.


Ein feierliches Lied, der beste Tröster

Zur Heilung irrer Phantasie! – Dein Hirn,

Jetzt nutzlos, kocht im Schädel dir: da steht!

Denn ihr seid festgebannt. –


Heil'ger Gonzalo! ehrenwerter Mann!

Mein Auge läßt, befreundet mit dem Tun

Des deinen, brüderliche Tropfen fallen.

Allmählich löst sich die Bezaub'rung auf,

Und wie die Nacht der Morgen überschleicht,

Das Dunkel schmelzend, fangen ihre Sinnen

Erwachend an, den blöden Dunst zu scheuchen,

Der noch die hellere Vernunft umhüllt:

O wackerer Gonzalo! mein Erretter,

Und redlicher Vasall dem, so du folgst!

Ich will dein Wohltun reichlich lohnen, beides

Mit Wort und Tat. – Höchst grausam gingst du um

Mit mir, Alonso, und mit meiner Tochter;

Dein Bruder war ein Förderer der Tat –


Das nagt dich nun, Sebastian! – Fleisch und Blut,

Mein Bruder du, der Ehrgeiz hegte, austrieb

Gewissen und Natur; der mit Sebastian

(Des inn're Pein deshalb die stärkste) hier

Den König wollte morden! Ich verzeih' dir,

Bist du schon unnatürlich. – Ihr Verstand

Beginnt zu schwellen, und die nah'nde Flut

Wird der Vernunft Gestad' in kurzem füllen,

Das daliegt, schwarz und schlammig. – Nicht einer drunter,

Der schon mich ansäh' oder kennte. – Ariel,

Hol' mir den Hut und Degen aus der Zelle,


Ariel ab.[658]


Auf daß ich mich entlarv' und stelle dar

Als Mailand, so wie vormals. – Hurtig, Geist,

Du wirst nun eh'stens frei..


Ariel kommt singend zurück und hilft den Prospero ankleiden.


ARIEL.

Wo die Bien', saug' ich mich ein,

Bette mich in Maiglöcklein,

Lausche da, wenn Eulen schrein,

Fliege mit der Schwalben Reih'n

Lustig hinterm Sommer drein.

Lustiglich, lustiglich leb' ich nun gleich

Unter den Blüten, die hängen am Zweig.

PROSPERO.

Mein Liebling Ariel! Ja, du wirst mir fehlen,

Doch sollst du Freiheit haben. So, so, so!

Unsichtbar, wie du bist, zum Schiff des Königs,

Wo du das Seevolk schlafend finden wirst

Im Raum des Schiffs: den Schiffspatron und Bootsmann,

Sobald sie wach sind, nöt'ge sie hieher;

Und gleich, ich bitte dich.

ARIEL.

Ich trink' im Flug die Luft und bin zurück,

Eh' zweimal Euer Puls schlägt.


Ab.


GONZALO.

Nur Qual, Verwirrung, Wunder und Entsetzen

Wohnt hier: führ' eine himmlische Gewalt uns

Aus diesem furchtbar'n Lande!

PROSPERO.

Seht, Herr König,

Mailands gekränkten Herzog, Prospero:

Und zum Beweis, daß ein lebend'ger Fürst

Jetzt mit dir spricht, umarm' ich deinen Körper

Und heiße dich und dein Gefolge herzlich

Willkommen hier.

ALONSO.

Ob du es bist, ob nicht,

Ob ein bezaubert Spielwerk, mich zu täuschen,

Wie ich noch eben, weiß ich nicht: dein Puls

Schlägt wie von Fleisch und Blut; seit ich dich sah,

Genas die Seelenangst, womit ein Wahnsinn

Mich drückte, wie ich fürchte. Dies erfodert,

Wenn's wirklich ist, die seltsamste Geschichte.[659]

Dein Herzogtum geb' ich zurück, und bitte,

Vergib mein Unrecht mir! – Doch wie kann Prospero

Am Leben sein und hier?

PROSPERO.

Erst, edler Freund,

Laß mich dein Alter herzen, dessen Ehre

Nicht Maß noch Grenze kennt.

GONZALO.

Ob dies so ist,

Ob nicht, will ich nicht schwören.

PROSPERO.

Ihr erprobt

Kunststücke dieser Insel noch, die Euch

Nicht für gewiß die Dinge halten lassen.

Willkommen, meine Freunde!


Beiseit zu Antonio und Sebastian.


Aber ihr,

Mein Paar von Herren, wär' ich so gesinnt,

Ich könnte seiner Hoheit Zorn euch zuziehn

Und des Verrats euch zeihen: doch ich will

Nicht plaudern jetzt.

SEBASTIAN beiseit.

Der Teufel spricht aus ihm.

PROSPERO.

Nein. –


Euch, schlechter Herr, den Bruder nur zu nennen

Schon meinen Mund beflecken würd', erlass' ich

Den ärgsten Fehltritt; alle; und verlange

Mein Herzogtum von dir, das du, ich weiß,

Durchaus mußt wiedergeben.

ALONSO.

Bist du Prospero,

Meld' uns das Nähere von deiner Rettung;

Wie du uns trafst, die vor drei Stunden hier

Am Strand gescheitert, wo für mich verloren

(Wie scharf der Stachel der Erinn'rung ist!)

Mein Sohn! mein Ferdinand!

PROSPERO.

Herr, ich beklag's.

ALONSO.

Unheilbar ist der Schad', und die Geduld

Sagt, sie vermag hier nichts.

PROSPERO.

Ich denke eher,

Ihr suchtet ihre Hülfe nicht, durch deren

Sanftmüt'ge Huld bei ähnlichem Verlust[660]

Ich ihres hohen Beistands teilhaft ward

Und mich zufrieden gab.

ALONSO.

Ihr ähnlichen Verlust?

PROSPERO.

Gleich groß für mich, gleich neu; und ihn erträglich

Zu finden, hab' ich doch weit schwächre Mittel,

Als Ihr zum Trost herbei könnt rufen: ich

Verlor ja meine Tochter.

ALONSO.

Eine Tochter?

O Himmel! wären sie doch beid' in Napel

Am Leben, König dort und Königin!

Wenn sie's nur wären, wünscht' ich selbst versenkt

In jenes schlamm'ge Bett zu sein, wo jetzt

Mein Sohn liegt. Wann verlort Ihr Eure Tochter?

PROSPERO.

Im letzten Sturm. Ich merke, diese Herrn

Sind ob dem Vorfall so verwundert, daß

Sie ihren Witz verschlingen und kaum denken,

Ihr Aug' bediene recht sie, ihre Worte

Sei'n wahrer Odem; doch, wie sehr man euch

Gedrängt aus euren Sinnen, wißt gewiß,

Daß Prospero ich bin, derselbe Herzog,

Von Mailand einst verstoßen; der höchst seltsam

An diesem Strand, wo ihr gescheitert, ankam,

Hier Herr zu sein. Nichts weiter noch hievon!

Denn eine Chronik ist's von Tag zu Tag,

Nicht ein Bericht bei einem Frühstück, noch

Dem ersten Wiedersehen angemessen.

Willkommen, Herr! Die Zell' da ist mein Hof.

Hier hab' ich nur ein klein Gefolg', und auswärts

Nicht einen Untertan: seht doch hinein!

Weil Ihr mein Herzogtum mir wiedergebt,

Will ich's mit eben so was Gutem lohnen,

Ein Wunder mind'stens auftun, daß Euch freue

So sehr als mich mein Herzogtum.


Der Eingang der Zelle öffnet sich, und man sieht Ferdinand und Miranda, die Schach zusammen spielen.


MIRANDA.

Mein Prinz, Ihr spielt mir falsch.[661]

FERDINAND.

Mein teures Leben,

Das tät' ich um die Welt nicht.

MIRANDA.

Ja, um ein Dutzend Königreiche würdet

Ihr hadern, und ich nennt' es ehrlich Spiel.

ALONSO.

Wenn dies nichts weiter ist als ein Gesicht

Der Insel, werd' ich einen teuren Sohn

Zweimal verlieren.

SEBASTIAN.

Ein erstaunlich Wunder!

FERDINAND.

Droht gleich die See, ist sie doch mild: ich habe

Sie ohne Grund verflucht.


Er kniet vor Alonso.


ALONSO.

Nun, aller Segen

Des frohen Vaters fasse rings dich ein!

Steh auf und sag, wie kamst du her?

MIRANDA.

O Wunder!

Was gibt's für herrliche Geschöpfe hier!

Wie schön der Mensch ist! Wackre neue Welt,

Die solche Bürger trägt!

PROSPERO.

Es ist dir neu.

ALONSO.

Wer ist dies Mädchen da, mit dem du spieltest?

Drei Stunden kaum kann die Bekanntschaft alt sein.

Ist sie die Göttin, die uns erst getrennt,

Und so zusammenbringt?

FERDINAND.

Herr, sie ist sterblich,

Doch durch unsterbliches Verhängnis mein.

Ich wählte sie, als ich zu Rat den Vater

Nicht konnte ziehn, noch glaubt', ich habe einen.

Sie ist die Tochter dieses großen Herzogs

Von Mailand, dessen Ruhm ich oft gehört,

Doch nie zuvor ihn sah; von ihm empfing ich

Ein zweites Leben, und zum zweiten Vater

Macht ihn dies Fräulein mir.

ALONSO.

Ich bin der ihre;

Doch oh, wie seltsam klingt's, daß ich mein Kind

Muß um Verzeihung bitten!

PROSPERO.

Haltet, Herr:

Laßt die Erinnerung uns nicht belasten

Mit dem Verdrusse, der vorüber ist.

GONZALO.

Ich habe innerlich geweint, sonst hätt' ich[662]

Schon längst gesprochen. Schaut herab, ihr Götter,

Senkt eine Segenskron' auf dieses Paar!

Denn ihr seid's, die den Weg uns vorgezeichnet,

Der uns hieher gebracht.

ALONSO.

Ich sage Amen!

GONZALO.

Ward Mailand darum weggebannt von Mailand,

Daß sein Geschlecht gelangt' auf Napels Thron?

O freut mit seltner Freud' euch; grabt's mit Gold

In ew'ge Pfeiler ein: auf einer Reise

Fand Claribella den Gemahl in Tunis,

Und Ferdinand, ihr Bruder, fand ein Weib,

Wo man ihn selbst verloren; Prospero

Sein Herzogtum in einer armen Insel;

Wir all' uns selbst, da niemand sein war.

ALONSO zu Ferdinand und Miranda.

Gebt

Die Hände mir! Umfasse Gram und Leid

Stets dessen Herz, der euch nicht Freude wünscht!

GONZALO.

So sei es, Amen!


Ariel kommt mit dem Schiffspatron und Bootsmann, die ihm betäubt folgen.


O seht, Herr! seht, Herr! Hier sind unser mehr.

Ich prophezeite, gäb's am Lande Galgen,

So könnte der Geselle nicht ersaufen.

Nun, Lästerung, der du die Gottesfurcht

Vom Bord fluchst, keinen Schwur hier auf dem Trocknen?

Hast keinen Mund zu Land? Was gibt es Neues?

BOOTSMANN.

Das beste Neue ist, daß wir den König

Und die Gesellschaft wohlbehalten sehn;

Das nächste: unser Schiff, das vor drei Stunden

Wir für gescheitert ansahn, ist so dicht,

So fest und brav getakelt, als da erst

In See wir stachen.

ARIEL beiseit.

Herr, dies alles hab' ich

Besorgt, seitdem ich ging.

PROSPERO beiseit.

Mein flinker Geist!

ALONSO.

All dies geht nicht natürlich zu: von Wundern

Zu Wundern steigt es. – Sagt, wie kamt Ihr her?[663]

BOOTSMANN.

Herr, wenn ich dächte, ich wär' völlig wach,

Versucht' ich, Euch es kund zu tun. Wir lagen

In Totenschlaf und (wie, das weiß ich nicht)

All' in den Raum gepackt; da wurden wir

Durch wunderbar und mancherlei Getöse

Von Brüllen, Kreischen, Heulen, Kettenklirren

Und mehr Verschiedenheit von Lauten, alle gräßlich,

Jetzt eben aufgeweckt; alsbald in Freiheit;

Wo wir in voller Pracht, gesund und frisch,

Sahn unser königliches, wackres Schiff,

Und der Patron sprang gaffend drum herum:

Als wir im Nu, mit Eurer Gunst, wie träumend

Von ihnen weggerissen und verdutzt

Hier wurden hergebracht.

ARIEL beiseit.

Macht' ich es gut?

PROSPERO.

Recht schön, mein kleiner Fleiß! Du wirst auch frei.

ALONSO.

Dies ist das wunderbarste Labyrinth,

Das je ein Mensch betrat; in diesem Handel

Ist mehr, als unter Leitung der Natur

Je vorging: ein Orakel muß darein

Uns Einsicht öffnen.

PROSPERO.

Herr, mein Lehenshaupt,

Verstört nicht Eu'r Gemüt durch Grübeln über

Der Seltsamkeit des Handels; wenn wir Muße

Gesammelt, was in kurzem wird geschehn,

Will ich Euch Stück für Stück Erklärung geben,

Die Euch gegründet dünken soll, von jedem

Ereignis, das geschehn: so lang' seid fröhlich

Und denket gut von allem! –

Beiseit.


Geist, komm her!

Mach' Caliban und die Gesellen frei,

Lös' ihren Bann! –


Ariel ab.


Was macht mein gnäd'ger Herr?

Es fehlen vom Gefolg' Euch noch ein paar

Spaßhafte Bursche, die Ihr ganz vergeßt.


Ariel kommt zurück und treibt Caliban, Stephano und Trinculo in ihren gestohlnen Kleidern vor sich her.[664]


STEPHANO. Jeder mache sich nur für alle übrigen zu schaffen, und keiner sorge für sich selbst, denn alles ist nur Glück. – Courage, Blitzungeheuer, Courage!

TRINCULO. Wenn dies wahrhafte Kundschafter sind, die ich im Kopfe trage, so gibt es hier was Herrliches zu sehn.

CALIBAN.

O Setebos, das sind mir wackre Geister!

Wie schön mein Meister ist! Ich fürchte mich,

Daß er mich zücht'gen wird.

SEBASTIAN.

Ha, ha!

Was sind das da für Dinger, Prinz Antonio?

Sind sie für Geld zu Kauf?

ANTONIO.

Doch wohl! Der eine

Ist völlig Fisch, und ohne Zweifel marktbar.

PROSPERO.

Bemerkt nur dieser Leute Tracht, ihr Herrn,

Und sagt mir dann, ob sie wohl ehrlich sind.

Der mißgeschaffne Schurke – seine Mutter

War eine Hex', und zwar so stark, daß sie

Den Mond in Zwang hielt, Flut und Ebbe machte

Und außer ihrem Kreis Gebote gab. –


Die drei beraubten mich; und der Halbteufel

(Denn so ein Bastard ist er) war mit ihnen

Verschworen, mich zu morden. Ihr müßt zwei

Von diesen Kerlen kennen als die euren;

Und dies Geschöpf der Finsternis erkenn' ich

Für meines an.

CALIBAN.

Ich werde tot gezwickt!

ALONSO.

Ist dies nicht Stephano, mein trunkner Kellner?

SEBASTIAN.

Er ist jetzt betrunken: wo hat er Wein gekriegt?

ALONSO.

Und Trinculo ist auch zum Torkeln voll:

Wo fanden sie nur diesen Wundertrank,

Der sie verklärt? Wie kamst du in die Brühe?

TRINCULO. Ich bin so eingepökelt worden, seit ich Euch zuletzt sah, daß ich fürchte, es wird nie wieder aus meinen Knochen herausgehn. Vor den Schmeißfliegen werde ich sicher sein.

SEBASTIAN. Nun, Stephano, wie geht's?

STEPHANO. O rührt mich nicht an! Ich bin nicht Stephano, sondern ein Krampf.[665]

PROSPERO. Ihr wolltet hier auf der Insel König sein, Schurke?

STEPHANO. Da wär' ich ein geschlagner König gewesen.

ALONSO auf Caliban zeigend. Nie sah ich ein so seltsam Ding als dies.

PROSPERO.

Er ist so ungeschlacht in seinen Sitten

Als von Gestalt. – Geh, Schurk', in meine Zelle,

Nimm deine Spießgesellen mit: wo du

Vergebung wünschest, putze nett sie auf!

CALIBAN.

Das will ich, ja; will künftig klüger sein

Und Gnade suchen: welch dreifacher Esel

War ich, den Säufer für 'nen Gott zu halten

Und anzubeten diesen dummen Narr'n!

PROSPERO.

Mach' zu! Hinweg!

ALONSO.

Fort! Legt den Trödel ab, wo ihr ihn fandet!

SEBASTIAN.

Vielmehr, wo sie ihn stahlen.


Caliban, Stephano und Trinculo ab.


PROSPERO.

Ich lade Eure Hoheit nebst Gefolge

In meine arme Zell', um da zu ruhn

Für diese eine Nacht, die ich zum Teil

Mit solchen Reden hinzubringen denke,

Worunter sie, wie ich nicht zweifle, schnell

Wird hingehn: die Geschichte meines Lebens

Und die besondern Fälle, so geschehn,

Seit ich hieher kam; und am Morgen früh

Führ' ich euch hin zum Schiff und so nach Napel.

Dort hab' ich Hoffnung, die Vermählungsfeier

Von diesen Herzgeliebten anzusehn.

Dann zieh' ich in mein Mailand, wo mein dritter

Gedanke soll das Grab sein.

ALONSO.

Mich verlangt

Zu hören die Geschichte Eures Lebens,

Die wunderbar das Ohr bestricken muß.

PROSPERO.

Ich will es alles kund tun, und verspreche

Euch stille See, gewognen Wind, und Segel

So rasch, daß Ihr die königliche Flotte

Weit weg erreichen sollt. –


Beiseit.


Mein Herzens-Ariel,

Dies liegt dir ob; dann in die Elemente!

Sei frei und leb du wohl! – Beliebt's Euch, kommt![666]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 656-667.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Sturm
Der Sturm
The Tempest/ Der Sturm [Zweisprachig]
Cymbeline. Das Wintermärchen. Der Sturm.
Der Sturm
Der Sturm: Zweisprachige Ausgabe

Buchempfehlung

Hume, David

Dialoge über die natürliche Religion

Dialoge über die natürliche Religion

Demea, ein orthodox Gläubiger, der Skeptiker Philo und der Deist Cleanthes diskutieren den physiko-teleologischen Gottesbeweis, also die Frage, ob aus der Existenz von Ordnung und Zweck in der Welt auf einen intelligenten Schöpfer oder Baumeister zu schließen ist.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon