[193] Palast.
Der Herzog und Thurio treten auf. Proteus nach ihnen.
HERZOG.
Nichts fürchtet, Thurio: lieben wird sie Euch,
Nun Valentin aus ihrem Blick verbannt ist.
THURIO.
Seit seiner Flucht hat sie mich ausgehöhnt,
Verschworen meinen Umgang, mich gescholten,
Daß ich verzweifeln muß, sie zu gewinnen.
HERZOG.
So schwacher Liebeseindruck gleicht dem Bild
In Eis geschnitten; eine Stunde Wärme
Löst es zu Wasser auf und tilgt die Form.
Ein wenig Zeit schmelzt ihren frost'gen Sinn
Und macht den niedern Valentin vergessen. –[193]
Wie nun, Herr Proteus? Sagt, ist Euer Landsmann,
Gemäß des strengen Ausrufs, abgereist?
PROTEUS.
Ja, gnäd'ger Herr.
HERZOG.
Betrübt ist meine Tochter um sein Gehn.
PROTEUS.
Bald wird die Zeit, mein Fürst, den Gram vertilgen.
HERZOG.
Das glaub' ich auch; doch Thurio denkt nicht so. –
Die gute Meinung, die ich von dir habe
(Denn Proben deines Werts hast du gegeben),
Macht, daß ich um so eh'r mich dir vertraue.
PROTEUS.
Zeig' ich mich jemals unwert Eurer Gnade,
Laßt mich für immer tot sein Eurer Gnade!
HERZOG.
Du weißt, wie sehr ich zu vollziehen wünsche
Thurios Verbindung mit der Tochter Silvia.
PROTEUS.
Ich weiß es, gnäd'ger Fürst.
HERZOG.
Und also, denk' ich auch, ist dir bekannt,
Wie sie sich meinem Willen widersetzt.
PROTEUS.
Sie tat es nur, als Valentin zugegen.
HERZOG.
Ja, und verkehrten Sinns bleibt sie verkehrt.
Was tun wir, daß die Dirne bald vergesse,
Wie jenen sie geliebt, und Thurio liebe?
PROTEUS.
Am besten, Valentin so zu verleumden,
Als sei er untreu, feig und niedrer Abkunft:
Drei Dinge, stets den Weibern sehr verhaßt.
HERZOG.
Doch wird sie denken, daß man spricht in Haß.
PROTEUS.
Ja, wird von einem Feind dies vorgebracht;
Drum muß es mit Beweisen der erklären,
Der ihr als Freund des Valentin erscheint.
HERZOG.
Ihn zu verleumden, wärest du der nächste.
PROTEUS.
Mit Widerwillen nur, mein gnäd'ger Fürst;
Es ziemt sich schlecht für einen Edelmann,
Besonders gegen seinen wahren Freund.
HERZOG.
Wo Euer Lob ihm nicht von Nutzen ist,
Kann Euer Lästern ihm nicht Schaden bringen;
Und drum kann solch ein Dienst Euch nicht verletzen,
Da Euch ein Freund um dieses Opfer bittet.
PROTEUS.
Ihr sollt mich überstimmen, gnäd'ger Herr;[194]
Kann mein Entstellen etwas auf sie wirken,
Soll ihre Neigung bald verschwunden sein.
Doch, reißt dies Valentin aus ihrem Herzen,
Liebt sie deshalb noch Signor Thurio nicht.
THURIO.
Drum, wie die Gunst von ihm Ihr abgewickelt,
Daß sie sich nicht ganz unbrauchbar verwirre,
Müßt Ihr bei mir sie anzuzetteln suchen;
Und das geschieht, wenn Ihr mich so erhebt,
Wie Ihr den Signor Valentin erniedrigt.
HERZOG.
Und, Proteus, hierin dürfen wir Euch trauen,
Da wir durch Valentins Erzählung wissen,
Daß Ihr schon treuen Dienst der Liebe schwuret
Und nicht den Sinn zum Meineid wandeln könnt.
In dem Vertrau'n sei Zutritt Euch gewährt,
Wo Ihr mit Silvia alles könnt besprechen;
Sie ist verdrießlich, düster, melancholisch
Und wird, des Freundes halb, Euch gern empfangen;
Da mögt Ihr sie durch Überredung stimmen,
Zu hassen Valentin, den Freund zu lieben.
PROTEUS.
Was ich nur irgend kann, soll gern geschehn.
Ihr aber, Thurio, zeigt zu wenig Eifer;
Leimruten stellt, um ihren Sinn zu fangen,
Durch klagendes Sonett, das, süß gereimt,
Ergebnen Dienst in jedem Wort verkündet.
HERZOG.
Ja, viel kann Poesie, das Himmelskind.
PROTEUS.
Singt, daß Ihr auf der Schönheit Weihaltar
Ihr Eure Tränen, Seufzer bringt, das Herz;
Schreibt, bis die Tinte trocknet, macht sie fließen
Mit Euren Tränen; rührend sei der Vers,
Daß er beglaub'gen mag die Herzensliebe: –
Denn Orpheus' Laut' erklang von Dichtersehnen;
Dem goldnen Ton erweicht' sich Stein und Erz,
Zahm ward der Leu, der Leviathansriese
Entstieg der Flut, um auf dem Strand zu tanzen.
Habt Ihr ein rührend Klagelied gesungen,
So bringt in stillen Nächten vor ihr Fenster
Harmon'schen Gruß, weint zu den Instrumenten
Ein weiches Lied; das Schweigen toter Nacht[195]
Wird gut zum Laut der süßen Wehmut stimmen:
So, oder niemals, ist sie zu erringen.
HERZOG.
Die Vorschrift zeigt, wie sehr du selbst geliebt.
THURIO.
Heut nacht noch üb' ich aus, was du geraten:
Drum, teurer Proteus, du mein Liebeslehrer,
Laß augenblicklich in die Stadt uns gehn
Und wohlgeübte Musikanten suchen;
Ich hab' schon ein Sonett, das trefflich paßt,
Als deines Unterrichtes erste Probe.
HERZOG.
So macht euch dran, ihr Herrn!
PROTEUS.
Bis nach der Tafel warten wir Euch auf,
Und dann sogleich beginnen wir das Werk.
HERZOG.
Nein, tut es alsobald; ich geb' euch frei.
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