Zweite Szene

[330] Ein anderer Teil des Waldes.


Titania kommt mit ihrem Gefolge.


TITANIA.

Kommt! einen Ringel, einen Feensang!

Dann auf das Drittel 'ner Minute fort!

Ihr, tötet Raupen in den Rosenknospen!

Ihr andern führt mit Fledermäusen Krieg,

Bringt ihrer Flügel Balg als Beute heim,

Den kleinsten Elfen Röcke draus zu machen!

Ihr endlich sollt den Kauz, der nächtlich kreischt

Und über unsre schmucken Geister staunt,

Von uns verscheuchen! Singt mich nun in Schlaf;

An eure Dienste dann, und laßt mich ruhn!


Lied

ERSTER ELFE.

Bunte Schlangen, zweigezüngt!

Igel, Molche, fort von hier!

Daß ihr euren Gift nicht bringt

In der Königin Revier!

CHOR.

Nachtigall, mit Melodei

Sing' in unser Eia popei!

Eia popeia! Eia popei!

Daß kein Spruch,

Kein Zauberfluch

Der holden Herrin schädlich sei.

Nun gute Nacht mit Eia popei!

ZWEITER ELFE.

Schwarze Käfer, uns umgebt

Nicht mit Summen! Macht euch fort!

Spinnen, die ihr künstlich webt,

Webt an einem andern Ort!

CHOR.

Nachtigall, mit Melodei

Sing' in unser Eia popei!

Eia popeia! Eia popei!

Daß kein Spruch,

Kein Zauberfluch

Der holden Herrin schädlich sei.

Nun gute Nacht mit Eia popei![330]

ERSTER ELFE.

Alles gut: nun auf und fort!

Einer halte Wache dort!


Elfen ab. Titania schläft. Oberon tritt auf.


OBERON zu Titania, indem er die Blume über ihren Augenlidern ausdrückt.

Was du wirst erwachend sehn,

Wähl' es dir zum Liebchen schön,

Seinetwegen schmacht' und stöhn';

Sei es Brummbär, Kater, Luchs,

Borst'ger Eber oder Fuchs,

Was sich zeigt an diesem Platz,

Wenn du aufwachst, wird dein Schatz;

Säh'st du gleich die ärgste Fratz!'


Ab.


Lysander und Hermia treten auf.


LYSANDER.

Kaum tragen durch den Wald Euch noch die Füße,

Und ich gesteh' es, ich verlor den Pfad.

Wollt Ihr, so laßt uns ruhen, meine Süße,

Bis tröstend sich das Licht des Tages naht.

HERMIA.

Ach ja, Lysander! Sucht für Euch ein Bette;

Der Hügel hier sei meine Schlummerstätte.

LYSANDER.

Ein Rasen dien' als Kissen für uns zwei:

Ein Herz, ein Bett, zwei Busen, eine Treu'.

HERMIA.

Ich bitt' Euch sehr! Um meinetwillen, Lieber!

Liegt nicht so nah! Liegt weiter dort hinüber!

LYSANDER.

Oh, ärgert Euch an meiner Unschuld nicht!

Die Liebe deute, was die Liebe spricht.

Ich meinte nur, mein Herz sei Eurem so verbunden,

Daß nur ein Herz in beiden wird gefunden.

Verkettet hat zwei Busen unser Schwur:

So wohnt in zweien eine Treue nur.

Erlaubet denn, daß ich mich zu Euch füge,

Denn, Herz, ich lüge nicht, wenn ich so liege.

HERMIA.

Wie zierlich spielt mit Worten doch mein Freund! –

Ich würde selbst ja meiner Unart feind,

Hätt' ich, Lysander lüge, je gemeint.

Doch aus Gefälligkeit und Lieb', ich bitte,

Rückt weiter weg! so weit, wie nach der Sitte[331]

Der Menschen sich, getrennt von einem Mann,

Ein tugendsames Mädchen betten kann.

Der Raum sei zwischen uns. – Schlaf' süß! Der Himmel gebe,

Daß, bis dein Leben schließt, die Liebe lebe!

LYSANDER.

Amen! So holder Bitte stimm' ich bei:

Mein Herz soll brechen, bricht es meine Treu'.

Mög' alle Ruh' des Schlafes bei dir wohnen!

HERMIA.

Des Wunsches Hälfte soll den Wünscher lohnen!


Sie schlafen.


DROLL tritt auf.

Wie ich auch den Wald durchstrich,

Kein Athener zeigte sich,

Zum Versuch auf seinem Auge,

Was dies Liebesblümchen tauge.

Aber wer – o Still' und Nacht! –

Liegt da in Athenertracht?

Er ist's, den mein Herr gesehn

Die Athenerin verschmähn.

Hier schläft auch ruhig und gesund

Das Mädchen auf dem feuchten Grund.

Die Arme darf nicht liegen nah

Dem Schlagetot der Liebe da.

Allen Zauber dieses Taus,

Flegel, gieß' ich auf dich aus.


Indem er den Saft über seine Augen auspreßt.


Wachst du auf, so scheuch' den Schlummer

Dir vom Aug' der Liebe Kummer!

Nun erwach'! Ich geh' davon,

Denn ich muß zum Oberon.


Demetrius und Helena, beide laufend.


HELENA.

Demetrius, geliebter Mörder, steh!

DEMETRIUS.

O quäle mich nicht so! Fort, sag' ich, geh!

HELENA.

Ach, du verlässest mich im Dunkel hier?

DEMETRIUS.

Ich geh' allein: du bleib, das rat' ich dir.


Demetrius ab.


HELENA.

Die tolle Jagd, sie macht mir weh und bange!

Je mehr ich fleh', je minder ich erlange.[332]

Wo Hermia ruhen mag, – sie ist beglückt,

Denn sie hat Augen, deren Strahl entzückt.

Wie wurden sie so hell? Durch Tränen? Nein!

Sonst müßten meine ja noch heller sein.

Nein, ich bin ungestalt wie wilde Bären,

Daß Tiere sich voll Schrecken von mir kehren.

Was Wunder also, daß Demetrius

Gleich einem Ungeheu'r mich fliehen muß?

Vor welchem Spiegel konnt' ich mich vergessen,

Mit Hermias Sternenaugen mich zu messen?

Doch, was ist dies? Lysander, der hier ruht?

Tot oder schlafend? Seh' ich doch kein Blut.

Lysander, wenn Ihr lebt, so hört! Erwachet!

LYSANDER im Erwachen.

Durchs Feuer lauf' ich, wenn's dir Freude machet!

Verklärte Helena, so zart gewebt,

Daß sichtbar sich dein Herz im Busen hebt!

Wo ist Demetrius? Oh, der Verbrecher!

Sein Name sei vertilgt! Dies Schwert dein Rächer!

HELENA.

Sprecht doch nicht so, Lysander, sprecht nicht so!

Liebt er schon Eure Braut: ei nun, seid froh!

Sie liebt Euch dennoch stets.

LYSANDER.

O nein! wie reut

Mich die bei ihr verlebte träge Zeit!

Nicht Hermia, Helena ist jetzt mein Leben;

Wer will die Kräh' nicht für die Taube geben?

Der Wille wird von der Vernunft regiert;

Mir sagt Vernunft, daß Euch der Preis gebührt.

Ein jedes Ding muß Zeit zum Reifen haben;

So reiften spät in mir des Geistes Gaben.

Erst jetzt, da ich am Ziel des Mannes bin,

Wird die Vernunft des Willens Führerin,

Und läßt mich nun der Liebe Tun und Wesen

In goldner Schrift in Euren Augen lesen.

HELENA.

Weswegen ward ich so zum Hohn erwählt?

Verdient' ich es um Euch, daß Ihr mich quält?

War's nicht genug, genug nicht, junger Mann,

Daß ich nicht einen Blick gewinnen kann,[333]

Nicht einen holden Blick von dem Geliebten,

Wenn Eure Spötterei'n mich nicht betrübten?

Ihr tut, fürwahr, Ihr tut an mir nicht recht,

Daß Ihr, um mich zu buhlen, Euch erfrecht.

Gehabt Euch wohl! Allein, ich muß gestehen,

Ich glaubt' in Euch mehr Edelmut zu sehen.

O daß, verschmäht von einem Mann, ein Weib

Dem andern dienen muß zum Zeitvertreib!


Ab.


LYSANDER.

Sie siehet Hermia nicht. – So schlaf' nur immer,

Und nahtest du Lysandern doch dich nimmer!

Wie nach dem Übermaß von Näscherei'n

Der Ekel pflegt am heftigsten zu sein;

Wie die am meisten Ketzereien hassen,

Die, einst betört, sie wiederum verlassen:

Mein Übermaß! mein Wahn! So flieh' ich dich;

Dich hasse jeder, doch am ärgsten ich. –

Nun strebt nach Helena, Mut, Kraft und Sinne!

Daß ich ihr Ritter werd' und sie gewinne!


Ab.

HERMIA fährt auf.

O hilf, Lysander, hilf mir! Siehst du nicht

Die Schlange, die den Busen mir umflicht?

Weh mir! Erbarmen! – Welch ein Traum, mein Lieber!

Noch schüttelt mich das Schrecken, wie ein Fieber.

Mir schien es, eine Schlange fräß' mein Herz,

Und lächelnd säh'st du meinen Todesschmerz. –

Lysander! Wie? Lysander! Bist du fort?

Du hörst mich nicht? O Gott! Kein Laut? Kein Wort?

Wo bist du? Um der Liebe willen, sprich,

Wenn du mich hörst! Es bringt zur Ohnmacht mich. –

Noch nicht? Nun seh' ich wohl, ich darf nicht weilen:

Dich muß ich, oder meinen Tod ereilen.


Ab.[334]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 330-335.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ein Sommernachtstraum
A Midsummer Night's Dream / Ein Sommernachtstraum
Ein Sommernachtstraum: Zweisprachige Ausgabe
Ein Sommernachtstraum
Der Kaufmann von Venedig / Ein Sommernachtstraum: Dramen (Fischer Klassik)
Ein Sommernachtstraum / Zwölfte Nacht oder Was ihr wollt

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon