Dritte Szene

[339] Lord Cerimon kommt mit einem Diener, einige arme Leute folgen.


CERIMON.

Philemon! He!


Philemon kommt.


PHILEMON.

Ruft mein Herr?

CERIMON.

Für diese Armen Feuer gleich und Speise.

Das war ein Sturm und Tosen diese Nacht!

DIENER.

Schon manche sah' ich; solche Nacht wie diese

Hab' ich nie überstanden.[339]

CERIMON.

Dein Herr wird tot sein, eh du wiederkommst,

Nichts, was nur heilsam irgend der Natur

Kann ihm mehr helfen. – Dies zum Apotheker,

Und sagt mir, wie es wirkt.


Alle übrigen ab.


Zwei Edelleute kommen.


ERSTER EDELMANN.

Guten Morgen.

ZWEITER EDELMANN.

Euer Gnaden guten Morgen.

CERIMON.

Warum so früh auf, meine Herrn?

ERSTER EDELMANN.

Hart an der See steht unsre Wohnung, Herr,

Sie zitterte, als wenn die Erde bebte,

Es schien das Fundament entzwei zu spalten

Und alles einzustürzen; Furcht und Angst

Hat aus dem Hause uns gejagt.

ZWEITER EDELMANN.

Und darum sind wir Euch so früh zur Last;

Uns treibt nicht Fleiß heraus.

CERIMON.

Ihr seid willkommen.

ERSTER EDELMANN.

Doch sehr verwundert mich, daß Euer Gnaden,

So reich bedeckt, schon zu so früher Stunde

Von sich der Ruhe gold'nen Schlummer schüttelt;

Denn das ist seltsam,

Daß die Natur mit Mühen Umgang hat,

Wenn nicht dazu gezwungen.

CERIMON.

Immer glaubt' ich,

Daß Kunst und Tugend edler uns begaben,

Als Gold und Adel; denn saumsel'ge Erben

Verdunkeln und verschwenden sie wohl beide;

Den erstern aber folgt Unsterblichkeit,

Sie wandeln um zum Gott den Menschen. Immer

Hab' ich Physik, geheime Kunst studiert;

Durch Forschungen der Bücher, und zugleich

Durch eig'ne Übung, wurden mir vertraut,

Und dienstbar all die segensreichen Kräfte,

Die in Metallen, Pflanzen, Steinen wohnen.

So mag ich alle Störungen erkennen,

Die die Natur bewirkt und ihre Heilung;

Dies gibt mir größere Lust in wahrer Freude,[340]

Als nach der Ungewissen Ehre dürsten,

In seid'ne Beutel mein Vergnügen binden,

Damit mich Narr und Tod verlachen.

ZWEITER EDELMANN.

Durch Ephesus hier habt Ihr Eure Milde

Ergossen; Hunderte sie nennen sich

Geschöpfe Eurer Liebe, die Ihr heiltet;

Und Kenntnis nicht allein und Müh', stets offne

Freigeb'ge Hand, hat dem Lord Cerimon

Den Ruhm erbaut, der nie durch Zeit verfällt.


Einige Diener bringen eine Kiste.


DIENER.

So, hergesetzt!

CERIMON.

Was ist das?

DIENER.

Eben jetzt

Warf diese Kist' an unser Land die See,

Ein Stück vom Schiffbruch.

CERIMON.

Setzt hin; laßt uns seh'n!

ERSTER EDELMANN.

Es gleicht 'nem Sarge.

CERIMON.

Was es immer sei,

Es ist gewaltig schwer. Gleich brecht es auf!

Hat sich mit Gold der See Schlund überladen,

So ist es gutes Glück, daß sie bei uns

Es wieder ausspei't.

ZWEITER EDELMANN.

Wohl, mein gnäd'ger Herr.

CERIMON.

Wie fest verküttet, verleimt! Die See warf's aus?

DIENER.

Nie sah ich solche große Woge, Herr,

Als die's auf unsre Küste warf!

CERIMON.

Brich auf!

Es duftet lieblich.

ZWEITER EDELMANN.

Trefflicher Geruch!

CERIMON.

Wie ich nur je gefühlt. – So! Nun wär's auf!

O ihr allmächt'gen Götter! Wie? Ein Leichnam?

ERSTER EDELMANN.

Sehr wunderbar.

CERIMON

In Prachtgewand gehüllt, gebalsamt, Schätze,

Und Beutel voll Spezerei'n, auch Schrift!

Apollo, laß die Züge mich versteh'n!

Durch die Schrift sei es bekannt,

Kommt dieser Sarg jemals zu Land:[341]

Mir, Perikles, starb sie zu Leid,

Die mehr mir als Weltkostbarkeit.

Ein Grab bereit' ihr, wer sie find't,

Sie war ein's reichen Königs Kind,

Und nehm' zu Lohn die edlen Stein',

Der Himmel mag ihm günstig sein.

Wenn, Perikles, du lebst, so muß dein Herz

Vor Weh zerbrechen. Dies geschah die Nacht.

ZWEITER EDELMAMN.

Sehr wahrscheinlich.

CERIMON.

Nein, ganz gewiß zu Nacht.

Seht nur, wie frisch sie aussieht. Allzugrausam

War's, sie ins Meer zu werfen! – Macht drin Feuer!

Bringt alle Büchsen her aus meinem Zimmer!

Tod kann Natur auf Stunden lang bewält'gen,

Und doch die unterdrückten Geister wieder

Des Lebens Funk' entzünden; einst hört' ich,

Daß ein Ägypter tot lag schon neun Stunden,

Durch gute Pflege mochte er doch gesunden.


Diener kommen mit Tüchern und Feuer.


So recht, so recht, das Feuer und die Tücher! –

Laßt doch die dumpfe klagende Musik,

Ich bitt' Euch sehr, ertönen. –

Noch einmal die Phiol'! – Nun, wird's bald, Block? –

Jetzt die Musik. Ich bitte, laßt ihr Raum. –

Ihr Herrn, die Königin wird leben! –


Natur erweckt aus ihr schon warmen Atem,

Sie war noch nicht verschieden seit fünf Stunden:

Seht, wie sie schon zur Lebensblume auf –

Zublüh'n beginnt.

ERSTER EDELMANN.

Durch Euch vermehrt der Himmel

Die Wunder, und macht ewig Euch berühmt.

CERIMON.

Sie ist belebt! Seht, ihre Augenlider,

Die Einfassung der himmlischen Juwelen,

Die Perikles verlor, zerteilen schon

Die Säume hellen Golds; die Diamanten

Vom allerreinsten Wasser zeigen sich,[342]

Kostbar die Welt zu machen; leb' und laß uns weinen

Dein Schicksal, schönes Bild, von dir zu hören.


Sie bewegt sich.


THAISA.

Diana! Wo bin ich? Wo mein Gemahl?

Und welche Welt?

ZWEITER EDELMANN.

Ist das nicht seltsam?

ERSTER EDELMANN.

Wunder!

CERIMON.

Still, liebe Nachbarn, leiht mir eure Hand,

Tragt sie ins nächste Zimmer, Leinen schafft!

Viel Sorg' erfordert's jetzt; denn tödlich wäre

Ein Rückfall. Kommt, und Äskulap sei gnädig!


Sie tragen sie fort, und alle gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 339-343.
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