Vierte Szene

[374] Von der einen Seite treten auf Perikles, Marina, Lysimachus, Helicanus und Gefolge, von der andern die Priesterinnen der Diana, Thaisa unter diesen, Cerimon im Gefolge.


PERIKLES.

Diana, Heil! Zu tun, was du befahlst,

Bekenn' ich laut: ich bin von Tyrus König,

Gescheucht von meinem Reich, ward mir die schöne

Thaisa zu Pentapolis vermählt;

Sie starb zur See im Kindbett, doch gebar sie

Ein Töchterlein, Marina, die, o Göttin,

In deiner Silbertracht noch geht. Zu Tharsus[374]

Erzog sie Cleon, der vor vierzehn Jahren

Sie zu ermorden strebte; bessere Sterne

Geleiteten nach Mitylene sie,

Da brachte sie ihr Glück auf unser Schiff,

Wo durch ihr eigen klar Erinnern sie

Als meine Tochter sich entdeckt'.

THAISA.

Gestalt

Und Ton! – Du bist – o König, Perikles!

PERIKLES.

Was will die Frau? Sie stirbt. Helft doch, ihr Herrn!

CERIMON.

Spracht Ihr die Wahrheit vor Dianens Altar,

Ist diese Eure Gattin.

PERIKLES.

Nein, Ehrwürd'ger,

Ich warf sie über Bord mit diesen Armen.

CERIMON.

An diese Küste, glaubt, –

PERIKLES.

Nein, ganz gewiß.

CERIMON.

seh't nach der Frau. – Sie ist nur überfreut. –

Sie trieb an einem frühen stürm'schen Morgen

An dieses Land; ich öffnete den Sarg,

Fand reiche Steine, gab sie ihr, und brachte

Sie in Dianens Tempel.

PERIKLES.

Zeigt sie mir.

CERIMON.

Mein König, in mein Haus lass' ich sie bringen,

Kommt, bitt' ich, zu mir. – Seht, sie ist erwacht.

THAISA.

Laßt mich ihn seh'n, ist er der meine nicht,

Wird meine Andacht nicht den Sinnen gönnen

Ein üppig Ohr, sie trotz des Anblick's zähmen. –

Seid Ihr, mein König, denn nicht Perikles?

Ihr sprecht gleich ihm, gleich ihm seid Ihr gestaltet,

Spracht Ihr von Sturm' nicht, und Geburt, und Tod?

PERIKLES.

Die Stimme der gestorbenen Thaisa!

THAISA.

Die bin ich, tot gewähnt, im Meer begraben.

PERIKLES.

Göttin Diana!

THAISA.

Nun kenn' ich Euch besser.

Als wir Pentapolis mit Tränen ließen,

Gab Euch den Ring mein königlicher Vater.

PERIKLES.

Jaja, – nicht mehr, ihr Götter – Eu're Güte

Macht nur zum Scherz vergangnes Leid; o laßt mich[375]

Gleich, wenn ich ihren Mund berühre, schmelzen,

Hinschwinden ganz! Komm, sei begraben denn

Zum zweiten Male an dieser Brust!

MARINA.

Mein Herz

Will in den Busen meiner Mutter springen.

PERIKLES.

Sieh, wer hier kniet, Fleisch von deinem Fleisch,

Dein Kind der Angst zur See, genannt Marina,

Weil sie zur Welt dort kam.

THAISA.

Gesegnet! Mein!

HELICANUS.

Heil meiner Königin!

THAISA.

Ich kenn' Euch nicht.

PERIKLES.

Ich sagte dir, als ich von Tyrus floh,

Ließ ich statt meiner einen Greis zurück;

Gedenkst du noch, wie ich den Mann genannt?

Oft sprach ich von ihm.

THAISA.

Helicanus dann!

PERIKLES.

Noch mehr Bestätigung!

Umarm' ihn denn, Thaisa, dieser ist's!

Jetzt möcht' ich wissen, wie man dich gefunden?

Und wie gerettet? Wem mein Dank gebührt,

Zunächst den Göttern, für dies große Wunder?

THAISA.

Lord Cerimon, hier dieser Mann, durch welchen

Die Götter ihre Macht gezeigt, er kann

Den Hergang sagen.

PERIKLES.

O ehrwürd'ger Mann,

Die Götter haben keinen ird'schen Diener

Gottähnlicher. Wollt Ihr mir denn erzählen,

Wie diese tote Königin lebt'?

CERIMON.

Ich will es,

Folgt mir, ich bitte, erst nach meinem Hause,

Da zeig' ich Euch, was ich bei ihr gefunden,

Und wie sie dann in diesen Tempel kam,

Nichts Nötiges vergessend.

PERIKLES.

Reine Göttin!

Dank, daß du mir erschienest, in der Nacht

Weih' ich dir Opfer. – Dieser Fürst, Thaisa,

Ist der Verlobte deiner Tochter, zu

Pentapolis soll die Vermählung sein,[376]

Und diese Zier, die mich so wild entstellt,

Soll nun zuerst nach vierzehn Jahren wieder

Das Messer fühlen, sich von neuem schmücken,

Um zu verschönern den Vermählungstag.

THAISA.

Es hat Lord Cerimon glaubwürd'ge Briefe,

Mein Vater starb.

PERIKLES.

Er werd' ein Stern am Himmel!

Dort wollen wir das Hochzeitsfest begeh'n,

Wir bleiben dann in diesem Königreich,

Zu Tyrus herrschen unser Sohn und Tochter. –

Lord Cerimon, wir zögern hier zu lange,

Führt uns, erzählt, wonach ich sehr verlange.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 374-377.
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