[359] Kuppler, Kupplerin, Bolz.
KUPPLER. Lieber als zweimal, was sie kostet, hätt' ich, daß sie nie ins Haus gekommen wäre.
KUPPLERIN. Pfui, pfui über sie! Sie ist imstande, den Gott Priapus kalt zu machen und ein ganzes Geschlecht zugrunde zu richten. Man muß ihr entweder Gewalt tun, oder sie loszuwerden suchen. Wann sie gegen ihre Freunde so sein soll, wie sich's gehört, wenn sie das tun soll, was unsrer Profession zukommt, so kommt sie daher mit ihren Finten, ihren Beweisen und Hauptbeweisen, ihren Gebeten und Kniebeugungen, so daß sie den Teufel zum Puritaner machen könnte, wenn er nur einen Kuß von ihr einhandeln wollte.
BOLZ. Mein' Seel', ich muß ihr Gewalt tun, oder sie verjagt uns alle unsre Kavaliere und macht unsre Flucher zu Priestern.
KUPPLER. Die Franzosen über ihre Bleichsucht!
KUPPLERIN. Mein' Seel', die loszuwerden, ist der Weg zu ihnen der einzige. Hier kommt der Lord Lysimachus verkleidet.
BOLZ. Wir würden alles, Lords und Lumpen, hier haben, wenn die einfältige Kreatur sich nur mit Kunden einlassen wollte.
Lysimachus kommt.
LYSIMACHUS. Nun, wie teuer das Dutzend Jungfrauschaften?
KUPPLERIN. Die Götter segnen Euer Gnaden!
BOLZ. Ich freue mich, den gnädigen Herrn gesund zu seh'n.
LYSIMACHUS. Freilich ist es für Euch besser, wenn Eure Kunden auf gesunden Beinen steh'n. Nun, du heilsame Straflosigkeit, hast du denn was, womit ein Mann sich einlassen kann und über den Wundarzt lachen?
KUPPLER. Wir haben hier eine, Herr, wenn die nur wollte, – wahrlich, ihresgleichen kam noch nie nach Mitylene.
LYSIMACHUS. Wenn sie nur die Taten der Finsternis tun wollte, willst du sagen.
KUPPLERIN. Der gnädige Herr weiß wohl von selbst, was die Meinung ist.[359]
LYSIMACHUS. Nun, rufe sie, rufe sie.
BOLZ. Was Fleisch und Blut betrifft, Herr, weiß und rot; eine Rose werdet Ihr seh'n; und sie wäre in der Tat eine Rose, hätte sie noch –
LYSIMACHUS. Nun was?
BOLZ. O Herr, ich kann züchtig sein.
LYSIMACHUS. Das bringt den Namen eines Kupplers zu Ehren, auf gleiche Weise kommen viele zum Ruf der Keuschheit.
Marina kommt.
KUPPLERIN. Hier kommt, was am Stock wächst; niemals noch abgepflückt, das versich're ich Euch. – Ist sie nicht ein schönes Geschöpf?
LYSIMACHUS. O ja, so nach langer Seereise wäre sie schon gut genug. – Da ist für Euch, nun laßt uns.
KUPPLERIN. Ich bitte Euer Gnaden, erlaubt mir nur ein Wort, und gleich bin ich fertig.
LYSIMACHUS. Nun so macht.
KUPPLERIN zu Marina. Erstlich, müßt Ihr Euch merken, das ist ein ehrenvoller Mann.
MARINA. Ich wünsche ihn so zu finden, daß ich ihn als würdig merken möge.
KUPPLERIN. Dann ist er der Regent dieses Landes und ein Mann, dem ich verpflichtet bin.
MARINA. Wenn er das Land regiert, so seid Ihr ihm freilich verpflichtet, aber wie ehrenvoll er darin ist, kann ich nicht sagen.
KUPPLERIN. Hört, ohne weiter jüngferliches Zieren, wollt Ihr gegen ihn freundlich sein? Er wird Eure Schürze mit Gold füllen.
MARINA. Was er liebreich tut, werde ich dankbar annehmen.
LYSIMACHUS. Seid Ihr fertig?
KUPPLERIN. Gnädiger Herr, sie hat noch keine Schule, Ihr müßt Euch einige Mühe geben, sie abzurichten. Kommt, wir wollen den gnädigen Herrn und sie allein lassen.
Die übrigen gehn ab.
LYSIMACHUS. Nun, du hübsches Ding, seit wie lange bist du bei diesem Gewerbe?[360]
MARINA. Welchem Gewerbe, Herr?
LYSIMACHUS. Ei, nennen kann ich es nicht, ohne unanständig zu sein.
MARINA. Mein Gewerbe kann mich nicht unanständig machen. Seid so gütig, es zu nennen.
LYSIMACHUS. Wie lange hast du diese Hantierung getrieben?
MARINA. Seit ich denken kann.
LYSIMACHUS. So jung bist du dran gegangen? Warst du von fünf oder von sieben schon im Dienst?
MARINA. Nach früher, Herr, wenn ich es jetzt bin.
LYSIMACHUS. Nun, das Haus, worin du wohnst, macht es ja deutlich, daß du ein Geschöpf für Geld bist.
MARINA. Kennt Ihr dies Haus als einen solchen Ort und kommt doch herein? Man sagte mir, Ihr wäret ehrenwert, und der Statthalter dieser Gegend.
LYSIMACHUS. So? Also hat dir deine Herrschaft gesagt, wer ich bin?
MARINA. Wer ist meine Herrschaft?
LYSIMACHUS. Nun, da dein Kräuterweib, sie, die den Samen und die Wurzeln der Schande und Gottlosigkeit legt. O, du hast von meinem Einfluß gehört, und nun hältst du dich hoch, damit ich um so dringender werden soll. Aber ich schwöre dir, du hübsches Kind, meine Autorität soll dich nicht seh'n oder vielmehr freundlich auf dich blicken. Komm, bring' mich in ein abgeleg'nes Zimmer; komm!
MARINA.
Seid Ihr von edlem Stamm, so zeigt es jetzt,
Erhieltet Ihr den Adel, so bestätigt
Das Urteil, das Euch dessen würdig hielt.
LYSIMACHUS. Wie war das? Wie? Nur weiter. – Sprich deine Weisheit.
MARINA.
Ich armes Mädchen,
Wenn mich auch gleich ein unfreundlich Geschick
Versetzt in diesen ekelhaften Koben,
Wo Krankheit, seh' ich, teurer wird verkauft
Als Arzenei, – o daß die gütigen Götter
Von diesem Ort des Unheil's mich erlösten,
Wenn sie mich auch zum schlechtesten Vogel machten,
Der fliegt in reiner Luft.[361]
LYSIMACHUS.
Ich dachte nicht,
Daß du so gut spräch'st, träumte nicht davon;
Hätt' ich verderbten Sinn hierher gebracht,
Dein Wort hätt' ihn verwandelt. Nimm dies Gold,
Beharre stets auf diesem reinen Wege,
Und ihren Beistand geben dir die Götter!
MARINA.
Die Götter schützen Euch.
LYSIMACHUS.
Was mich betrifft,
Ich kam mit schlechtem Vorsatz nicht hierher,
Denn mir riecht Tür und Fenster schon abscheulich.
Fahr' wohl. Du bist ein Bild der Tugend, wardst
Gewiß von edler Art erzogen. Nimm,
Hier hast du noch mehr Gold.
Fluch über den, er sterbe wie ein Dieb,
Der deiner Tugend dich beraubt! Hörst du
Von mir, so soll's zu deinem Besten sein.
Bolz kommt.
BOLZ.
Ich bitt', Eu'r Gnaden, mir ein Stück!
LYSIMACHUS.
Weg, schändlicher Türhüter! Euer Haus,
Wenn diese Jungfrau nicht es unterstützte,
Stürzt' ein, euch alle zu verschütten. Weg!
Geht ab.
BOLZ. Was ist das? Mit Euch müssen wir eine andere Einrichtung treffen. Ehe Eu're lumpige Keuschheit, die kein Frühstück in der wohlfeilsten Gegend unter der Sonne wert ist, eine ganze Haushaltung zugrunde richten soll, will ich mich wie einen Hühnerhund verschneiden lassen. Kommt gleich!
MARINA. Wohin soll ich kommen?
BOLZ. Eu're Jungfrauschaft muß herunter, oder der Stadthenker soll sie hinrichten. Kommt gleich! Hier werden keine vornehme Herren mehr weggejagt! Gleich kommt, sag' ich!
Die Kupplerin kommt.
KUPPLERIN. Nun? Wie steht's?
BOLZ. Schlimmer und schlimmer, Frau; da hat sie hier heilige Reden mit dem Lord Lysimachus geführt.
KUPPLERIN. O, abscheulich![362]
BOLZ. Sie macht unsre Hantierung gleichsam stinkend vor dem Angesichte der Götter.
KUPPLERIN. An den Galgen mit ihr!
BOLZ. Der edle Herr würde sich wie ein edler Herr gegen sie aufgeführt haben, und da schickt sie ihn weg, so kalt, wie einen Schneeball, und er sagt noch sein Gebet dazu her.
KUPPLERIN. Bolz, nimm sie hin, tu mit ihr nach Gefallen, zerbrich das Glas ihrer Jungfrauschaft, daß sich das übrige nachher hämmern läßt.
BOLZ. Wäre sie ein noch dorniger Grundstück als sie ist, so sollte sie doch umgepflügt werden.
MARINA. Hört! Hört! Ihr Götter!
KUPPLERIN. Sie beschwört; fort mit ihr! Wäre sie doch nie über meine Schwelle gekommen! Sie ist zu unserm Ruin geboren. Du willst den Weg nicht gehen, den alle Menschen geh'n? Ja, hat sich was! Du Gericht Keuschheit mit Rosmarin und Lorbeer! Geht ab.
BOLZ. Nun kommt, Fräulein, nun gleich mit mir!
MARINA. Wohin soll ich geh'n?
BOLZ. Euch das Juwel zu nehmen, das Ihr so teuer haltet.
MARINA. Ich bitte, sagt mir erst Eins.
BOLZ. Nun, her mit Eurem Einem.
MARINA. Was wünschest du wohl, daß dein Feind sein möchte?
BOLZ. Nun, ich wünschte ihm, er wäre mein Herr, oder lieber noch die Frau.
MARINA.
Doch keiner ist so schlecht, als du es bist,
Denn höher steh'n sie, da sie dir gebieten.
Du hast ein Amt, das der gequälteste Teufel
Der Hölle nicht mit dir aus Ehrgeiz tauschte;
Hünd'scher Türhüter bist du jedem Lump,
Der sich nur zeigt, nach seinem Mensch zu fragen;
Dein Ohr gibt jedes Schuftes zorn'ger Faust
Sich preis; ja deine Speise selbst ist schon
Verpestet von dem Hauch verdorbner Lungen.
BOLZ. Was soll ich denn aber tun? In den Krieg geh'n? wo man sieben Jahr' um den Verlust eines Beines dienen kann und am Ende nicht Geld genug hat, um sich ein hölzernes zu kaufen?[363]
MARINA.
Tu' jedes Ding, nur nicht das, was du tu'st,
Kanäle rein'ge, schmutzige Kloake;
Verdinge als Knecht dich dem gemeinen Henker,
Denn jeder Stand ist besser als dein jetz'ger;
Ein Pavian, wenn er nur sprechen könnte,
Würd' sich zu teuer achten Du zu sein.
O möchten mich die Götter nur erretten
Aus diesem Hause! Hier ist Gold für dich;
Und wünscht dein Herr durch mich Gewinn zu zieh'n,
Ruf' aus, ich singe, nähe, tanze,
Kann manches noch, was ich nicht rühmen will;
Ich unternehm' es, Unterricht zu geben,
Und zweifle nicht, daß diese große Stadt
Mir manche Schülerinnen liefern wird.
BOLZ. Aber könnt Ihr auch wirklich in allen diesen Dingen Unterricht geben?
MARINA.
Ist es nicht wahr, so nimm mich wieder her,
Und gib mich preis dem niedrigsten der Knechte,
Der Euer Haus besucht.
BOLZ. Nun gut, ich will seh'n, was ich für dich tun kann; kann ich dich wo unterbringen, so will ich es tun.
MARINA. Aber doch bei sittsamen Frauen?
BOLZ. Unter denen hab' ich freilich wenig Bekanntschaft. Da aber mein Herr und meine Frau dich gekauft haben, so kann nichts ohne ihre Einwilligung gescheh'n; drum will ich ihnen deinen Vorschlag bekannt machen, und ich zweifle nicht, sie werden mit sich wohl handeln lassen. Komm, ich will für dich tun, was ich nur irgend kann – nun komm mit mir.
Sie gehn ab.[364]
Buchempfehlung
Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro