Erste Szene

[346] Gower tritt herein.


GOWER.

Denkt euch zu Tyrus nach Wunsch und Verlangen

Als Herrn begrüßt Perikles und empfangen,

Die Königin bleibt zu Ephesus in Leid,

Und hat sich dort Dianen still geweiht. –

Nun zu Marina kehrt geschwind,

Die die schnell geh'nde Szene find't

Zu Tharsus, wo die Meister ihr

In Schrift, Musik, in aller Zier

Gibt Cleon; jedermann verehrt

Geschick und Kunst und ihren Wert.

Doch, weh, das Ungeheuer Neid,

Das oft Verderben zubereit't

Verdientem Ruhm, will drum erheben

Die Hand gegen Marinas Leben.

Denn so hat Cleon gleicher Art

'ne Tochter, die erwachsen ward,

Zur Ehereif, das Mägdlein hieß

Philoten, es sagt für gewiß

Des Dichters Buch, daß sie allein

Wollt' immer um Marina sein;

Sei's, daß sie Seide stickt' mit Fleiß,

Mit Fingern länglicht, schmal, milchweiß,

Sei's, daß mit Stichen sie verwund't

Das Tuch, das davon ward gesund,

Oder daß sie in den Saiten rauschte

Und sang, daß selbst die Nacht'gall lauschte,

Die immer Klage tönt; auch wie[346]

Ihr reicher Griffel dichtete

Dianen, ihre Herrin – stritt

Auch Philoten in allem mit;

Marinas hohe Schönheit war

Wie Taubenglanz von Paphos gar

Zu Kräh'ngefieder, alle Huld

Wird ihr gezahlt wie eine Schuld,

Nicht wie Geschenk, und dunkel scheint

Was Philoten als Zierde meint;

So Bosheit Cleons Weib vergällt,

Daß einen Mörder sie bestellt

Marinen, damit nur ihr Kind

Durch Mord an Herrlichkeit gewinnt;

Wodurch es leichter noch geschah,

Die Amm' ist tot, Lychorida.

Das Werkzeug dieses bösen Neids

Der Dionysa ist bereits

Schlagfertig. Was noch wird getan,

Das seht nun freundlich selber an;

Ich führte nur beschwingte Zeit

Auf lahmem Fuß des Reims so weit.

Doch geht sie niemals so weit mit,

Folgt eu'r Gedank nicht Schritt für Schritt.

Dionysa mit bösem Sinn

Kommt mit dem Mörder Leonin.


Geht ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 346-347.
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