[329] Helicanus, Escanes treten ein.
HELICANUS.
Nein, Escanes, glaubt sicher und fürwahr,
Antiochus nicht frei des Lasters war,
Wofür die hohen Götter nicht gesonnen
Zurückzuhalten mehr die grause Strafe,
Die solchen schrecklichen Verbrechen ziemt,
Grad' als er in dem Stolz all' seines Pomps[329]
Auf einem Wagen saß, unschätzbar köstlich,
Die Tochter mit ihm, Feu'r vom Himmel sandten,
Das beide so versengte, daß sie allen
Nur Ekel waren und Gestank;
Daß, wer vor ihnen sonst tief kniend lag,
Die Hand kaum zum Begräbnis reichen mag.
ESCANES.
Sehr seltsam!
HELICANUS.
Nur gerecht, denn war auch groß
Der König, konnte Größe ihn nicht wahren,
Des Himmels schwere Strafe zu erfahren.
ESCANES. Sehr wahr.
Drei Lords treten herein.
ERSTER LORD.
Sieh', niemand hat im heimlichen Gespräch,
Im Rate sein Vertrauen, als nur er.
ZWEITER LORD.
Wir tragen nicht mehr still, was uns verdrießt.
DRITTER LORD.
Verwünscht, wer hierbei seine Hülfe weigert.
ERSTER LORD.
So folgt mir. Ein Wort, edler Helicanus.
HELICANUS.
Mit mir? Willkommen! Seid beglückt, ihr Herrn.
ERSTER LORD.
Wißt, unser Kummer stieg zur höchsten Grenze,
Nun überfließt er endlich seine Ufer.
HELICANUS.
Weshalb? Kränkt Euren teuern Fürsten nicht.
ERSTER LORD.
Kränkt Euch nicht selbst denn, edler Helicanus!
Lebt unser Fürst noch, laßt ihn uns begrüßen,
Erfahren, welches Land sein Hauch beglückt;
Lebt er auf Erden, suchen wir ihn auf,
Ruht er im Grabe, finden wir ihn dort,
Und wissen, daß er lebt, uns zu beherrschen,
Oder daß wir ihn tot beklagen müssen,
Und uns dann frei steht eine neue Wahl.
ZWEITER LORD.
Sein Tod ist wohl am meisten wahrscheinlich.
Und da wir wissen, ohne Haupt dies Reich
Gleicht einem guten Hause ohne Dach,
Das in Verderben fällt, erkennen wir
Euch, der am besten die Regierung kennt,
Als unserm Könige das Regiment.
ALLE.
Lange lebe der edle Helicanus!
HELICANUS.
Der Ehre folgt, und laßt die Huldigung,
Laßt dies, liebt ihr den Fürsten Perikles. –[330]
(Nähm' ich es an, ich spräng' in eine See,
Wo Lust des Augenblicks für Stunden Weh)
Zwölf Monat länger, laßt mich euch erbitten,
Das Absein eures Königs zu ertragen;
Ist er nach dieser Zeit noch nicht zurück,
Trag' ich mit altem Gleichmut euer Joch;
Doch kann ich dies nicht eurer Lieb' abringen.
So geht und sucht wie edle Untertanen,
Wagt euch im Suchen auf so edle Art,
Und findet ihr ihn, kehrt mit ihm zurück,
Und glänzt um seine Kron' als Diamanten.
ERSTER LORD.
Der ist ein Tor, der nicht der Weisheit folgt;
Da Helicanus unsrer Meinung beistimmt.
So wollen wir auf Reisen uns bemüh'n.
HELICANUS.
Dann Lieb' und Eintracht, gehn wir Hand in Hand;
Die Edlen so verknüpft, steht fest das Land.
Sie gehn ab.
Buchempfehlung
Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.
48 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro