Vierte Szene

[326] Simonides, Thaisa, die Ritter, die vom Ritterspiel kommen.


SIMONIDES.

Unnötig, Ritter, wär's, euch Willkomm sagen,

Dem Buche eurer Taten aufzuschreiben,

Als wie ein Titelblatt, die Ritterwürde,

Was weder ihr erwartet, noch sich ziemt,

Denn selber lobt sich offenbarer Wert.

Seid fröhlich denn, die Fröhlichkeit schmückt Feste,

Denn Fürsten seid ihr all' und meine Gäste.

THAISA.

Ihr aber seid mein Ritter und mein Gast,

Den ich mit diesem Siegerkranz bekröne,

Als König dieses freudenreichen Tags.

PERIKLES.

Durch Glück begünstigt mehr, als durch Verdienst.

SIMONIDES.

Nennt's, wie Ihr immer wollt, der Tag ist Euer,

Und keiner hier, so hoff' ich, trägt Euch Neid:

So wird sich Kunst im Künstlerbilden zeigen,

Dem gibt sie viel, dem andern mehr zu eigen;

Ihr seid ihr Günstling, Königin des Festes,

Nimm, Tochter, deinen Platz, uns zu ergetzen,

Der Marschall wird nach Rang die andern setzen.

DIE RITTER.

Sehr hoch ehrt uns Simonides der Gute.[326]

SIMONIDES.

Ihr freut uns, denn stets werd' ich Ehre loben,

Wer Ehre haßt, der haßt die Götter oben.

MARSCHALL.

Hier Euer Platz.

PERIKLES.

Ein andrer ziemt mir mehr.

ERSTER RITTER.

Nicht streitet, Herr, denn unser edle Sinn,

(Im Innern nicht und Äußern aufgebläht)

Den Hoh'n nicht neidet, noch den Niedern schmäht.

PERIKLES.

Adlige Ritter seid ihr ganz.

SIMONIDES.

Nun sitzt!

Bei Jupiter, dem König der Gedanken,

Das Mahl mir ekelt, denk' ich nicht an ihn.

THAISA.

Bei Juno, die der Ehe Königin,

Nur widrig sind die Speisen allzumal

Dem Gaumen, denn ich wünschte ihn zum Mahl. –

Gewiß ist er ein edler Herr.

SIMONIDES.

Ein Edelmann vom Lande;

Er hat nicht mehr getan, als andre Ritter,

Lanzen gebrochen, damit laß es sein.

THAISA.

Er glänzt wie gegen Glas der Edelstein.

PERIKLES.

Mir scheint der König meines Vaters Bild,

Das mich erinnert, welche Pracht er führte,

Den Thron umringt von Fürsten, Sternen gleich,

Er ihre Sonne, der sie huldigten;

Wer ihn nur schaute, senkte vor ihm nieder

Die Kron' alsbald, den kleinern Lichtern gleich;

Nun ist sein Sohn ein Glühwurm in der Nacht,

Des Glanz im Dunkeln nur wird angefacht.

Wohl seh' ich, Zeit ist Herrscherin der Menschen,

Erzeugt sie erst, um dann sie zu begraben,

Gibt, was sie will, nicht was sie möchten haben.

SIMONIDES.

Seid ihr vergnügt, ihr Ritter?

DIE RITTER.

Wie anders hier in diesem Königshause?

SIMONIDES.

Mit diesem Kelch, zum Rande angefüllt,

(Und wie ihr eure Damen liebt, schenkt ein)

Trink' ich auf euer Wohl!

DIE RITTER.

Dank, Eurer Hoheit.

SIMONIDES.

Noch haltet an!

Mich dünkt, der Ritter dort ist allzu traurig,[327]

Als wäre seinem Werte zu gering

Die Festlichkeit an unserm Hofe hier.

Thaisa, siehst du's nicht?

THAISA.

Was kümmert's mich, mein Vater?

SIMONIDES.

Nein, wisse, meine Tochter,

So wie die Götter sollen Fürsten sein,

Die frei beschenken, wer mit Ehrfurcht ihnen naht,

Und unfreigeb'ge Fürsten gleichen Fliegen.

Gesumm, Verwundern, wenn sie tot da liegen.

Deshalb, um ihn allhier mehr zu erfreu'n.

Sag' ihm, daß wir die Schale Weins ihm leeren.

THAISA.

Ach, lieber Vater, das geziemt mir nicht,

So dreist zu sein mit einem fremden Ritter,

Er dürfte wohl es Unverschämtheit schelten,

Ein freundlich Wort muß oft für Frechheit gelten.

SIMONIDES.

Ha! – Tu', wie ich sage, soll ich dir nicht zürnen.

THAISA.

Bei allen Göttern; nichts tat ich so gern.

SIMONIDES.

Und sag' ihm, daß wir zu erfahren wünschen

Sein Vaterland und Namen und Geschlecht.

THAISA.

Mein königlicher Vater trinkt Euch zu.

PERIKLES.

Ich dank' ihm.

THAISA.

Es möcht' Euch soviel Blut dem Herzen geben.

PERIKLES.

Ich danke ihm und Euch, und tu' Bescheid.

THAISA.

Dann wünscht er ferner von Euch zu erfahren

Das Vaterland und Namen und Geschlecht.

PERIKLES.

Ich bin aus Tyrus, Perikles mein Name;

Zu Kunst und Waffen ward ich auferzogen.

Nach Abenteuern dann die Welt durchziehend,

Hat Schiff' und Menschen mir die See geraubt,

Und mich verarmt an dieses Land geworfen.

THAISA.

Er dankt Eurer Hoheit, und heißt Perikles;

Er stammt aus Tyrus, Schiffbruch raubte ihm

Die Schiff' und Menschen, und er wurde dann

An dieses Land geworfen.

SIMONIDES.

Nun bei den Göttern, sehr beklag' ich ihn,

Und will aus seiner Trauer ihn erwecken. –

Ihr Herren, kömmt, wir sitzen allzu lange,

Die Zeit vergeht, es wartet andre Lust,[328]

In eurer Rüstung, wie ihr seid gekleidet,

Wird gut ein kriegerischer Tanz sich schicken:

Und kein Entschuld'gen gilt, daß ihr wohl sagt,

Den Damen sei zu rauh derlei Getön;

Der Held im Bett wie Rüstung dünkt sie schön.


Sie tanzen.


Freundlich ersucht und freundlich ausgeführt. –

Kommt, Herr, hier diese Dame möchte gern sich tummeln,

Und wohl sagt man, daß Ihr aus Tyrus

Versteht, im Tanz die Damen umzuschwingen,

So wie Ihr trefflich seid im ernsten Tanz.

PERIKLES.

Mein König, ja, diese die Kunst versteh'n.

SIMONIDES.

Ihr werdet dieser Auffod'rung nicht nein

Antworten wollen. Auf! Zum Tanz! Zum Tanz!


Sie tanzen.


Ihr Herren, Dank, ihr alle tatet gut,

Doch Ihr am besten. – Pagen, kommt zu leuchten

Jedwedem Ritter hin nach seiner Wohnung! –

Ihr sollt zunächst an uns ein Zimmer finden.

PERIKLES.

Stets bin ich Eurer Majestät verpflichtet.

SIMONIDES.

Zu spät, ihr Fürsten, ist's, von Liebe sprechen,

Denn das ist eure Absicht, wie ich merke;

Jetzt gehe jeder nur, um auszuruh'n,

Und morgen mag das Beste jeder tun.


Alle gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 326-329.
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