Zweite Szene

[617] [Gefängnis.]


Holzapfel, Schlehwein, Schreiber; alle drei in ihren [Amtsröcken; Wache mit Konrad und Borachio].


HOLZAPFEL. Sind alle Verschwornen unsres Trübenaals beisammen?

SCHLEHWEIN. Oh, einen Stuhl und Kissen für den Herrn Schreiber!

SCHREIBER. Welches sind die Malefikanten?

HOLZAPFEL. Zum Henker, der bin ich und mein Gevatter.

SCHLEHWEIN. Das versteht sich. Wir haben die Introduktion, sie zu exanimieren.

SCHREIBER. Aber wo sind die Verbrecher, die examiniert werden sollen? Laßt sie vor den Herrn Konstabel führen!

HOLZAPFEL. Ja, zum Henker, laßt sie vorführen! Wie ist sein Name, Freund?

BORACHIO. Borachio.

HOLZAPFEL. Seid so gut, schreibt's auf, Borachio. – Seiner, Musjeh? –

KONRAD. Ich bin ein Kavalier, Herr, und mein Name ist Konrad.

HOLZAPFEL. Schreibt auf, Meister Kavalier Konrad. Leute, sagt einmal, dient ihr Gott?

KONRAD UND BORACHIO. Nun, das hoffen wir.

HOLZAPFEL. Schreibt's nieder: sie hoffen, sie dienen Gott, und schreibt Gott voran: denn Gott bewahre doch, daß Gott vor solchen Schelmen vorangehn sollte. Leute, es ist bereits erwiesen, daß ihr nicht viel besser seid als Spitzbuben, und man wird bald genug eine Ahndung davon kriegen. Was könnt ihr nun für euch anführen?

KONRAD. Ei nun, Herr, wir sagen, wir sind keine.

HOLZAPFEL. Ein verdammt witziger Bursch, das muß ich sagen; aber ich will schon mit ihm fertig werden. – Kommt einmal hier heran, Musjeh: ein Wort ins Ohr, Herr: ich sage ihm, man glaubt von euch, ihr seid zwei Spitzbuben.

BORACHIO. Herr, ich sage Euch, wir sind keine.[617]

HOLZAPFEL. Tretet wieder auf die Seite. Bei Gott, sprechen sie nicht, als hätten sie sich mit einander verabredet! Habt Ihr's hingeschrieben, daß sie keine sind? –

SCHREIBER. Herr Konstabel, das ist nicht die Manier, zu examinieren. Ihr müßt die Wache abhören, die sie verklagt hat.

HOLZAPFEL. Ja, zum Henker, das ist die vidimierte Heerstraße. Die Wache soll kommen!


Wache kommt.

Leute, ich befehle euch in des Prinzen Namen, verklagt mir einmal diese beiden Menschen!

ERSTE WACHE. Dieser Mann hier sagte, Herr, Don Juan, des Prinzen Bruder, sei ein Schurke. –

HOLZAPFEL. Schreibt hin, – Don Juan ein Schurke. – Was! das ist ja klarer Meineid, des Prinzen Bruder einen Schurken zu nennen!

BORACHIO. Herr Konstabel ... –

HOLZAPFEL. Still geschwiegen, Kerl, dein Gesicht gefällt mir gar nicht, muß ich dir gestehn.

SCHREIBER. Was hörtet Ihr ihn sonst noch sagen?

ZWEITE WACHE. Ei nun, er sagte auch, er hätte tausend Dukaten vom Don Juan erhalten, um Fräulein Hero fälschlich anzuklagen.

HOLZAPFEL. Klare Brandmörderei, wenn jemals eine begangen ist.

SCHLEHWEIN. Ja, mein' Seel', so ist es auch.

SCHREIBER. Was sonst noch, Mensch?

ERSTE WACHE. Und daß Graf Claudio nach seinen Reden sich vorgesetzt habe, Fräulein Hero vor der ganzen Versammlung zu beschimpfen und sie nicht zu heiraten.

HOLZAPFEL. O Spitzbube! Dafür wirst du noch ins ewige Jubiläum verdammt werden.

SCHREIBER. Was noch mehr?

ZWEITE WACHE. Das war alles.

SCHREIBER. Und das ist mehr, Leute, als ihr leugnen könnt. Prinz Juan hat sich diesen Morgen heimlich weggestohlen; Hero ward auf diese Weise angeklagt, auf eben diese Weise verstoßen, und ist aus Gram darüber plötzlich gestorben.[618] Herr Konstabel, laßt die beiden Leute binden und in Leonatos Haus führen, ich will voran gehn und ihm das Verhör zeigen. Ab.

HOLZAPFEL. Recht so; laßt ihnen die Bandagen antun!

SCHLEHWEIN. Laßt sie festbinden!

KONRAD. Fort, ihr Maulaffen!

HOLZAPFEL. Gott steh' mir bei, wo ist der Schreiber? Er soll schreiben: des Prinzen Konstabel ein Maulaffe! Wart'! Bindet sie fest! Du nichtswürdiger Kerl!

KONRAD. Fort! Ihr seid ein Esel, Ihr seid ein Esel.

HOLZAPFEL. Despektierst du denn mein Amt nicht? Despektierst du denn meine Jahre nicht? – Wär' er doch noch hier, daß er es aufschreiben könnte, daß ich ein Esel bin! Aber, ihr Leute, vergeßt' mir's nicht, daß ich ein Esel bin; wenn's auch nicht hingeschrieben ward, erinnert's euch ja, daß ich ein Esel bin. Nein, du Spitzbube, du steckst voller Moralität, das kann ich dir durch zuverlässige Zeugen beweisen. Ich bin ein gescheuter Mann, und was mehr ist, ein Mann bei der Justiz, und was mehr ist, ein ansässiger Mann, und was mehr ist, ein so hübsches Stück Fleisch, als nur irgend eines in ganz Messina, und ein Mann, der sich auf die Gesetze versteht, siehst du, und ein Mann, der sein Vermögen hat, siehst du, und ein Mann, der um vieles gekommen ist, und der seine zwei Röcke hat, und alles, was an ihm ist, sauber und akkurat. Bringt ihn fort! Ach, hätten sie's nur von mir aufgeschrieben, daß ich ein Esel bin! –


Alle ab.[619]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 617-620.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Viel Lärmen um nichts
Reclam Universal-Bibliothek, Nr.98, Viel Lärmen um nichts.
Shakespeare's Dramatische Werke: Einleitungen. Viel Lärmen Um Nichts. Die Comödie Der Irrungen. Die Beiden Veroneser. Coriolanus / Uebersetzt Von Dorothea Tieck. Liebes Leid Und Lust (German Edition)

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon