Vierte Szene

[718] Ein andrer Teil des Waldes.


Der Herzog, Amiens, Jaques, Orlando, Oliver und Celia treten auf.


HERZOG.

Und glaubst du denn, Orlando, daß der Knabe

Dies alles kann, was er versprochen hat?

ORLANDO.

Zuweilen glaub' ich's, und zuweilen nicht,

So wie, wer fürchtet, hofft, und weiß, er fürchte.


Rosalinde, Silvius und Phöbe treten auf.


ROSALINDE.

Habt noch Geduld, indes wir den Vertrag

In Ordnung bringen: Herzog, Ihr erklärt,

Daß, wenn ich Eure Rosalinde stelle,

Ihr dem Orlando hier sie geben wollt?[718]

HERZOG.

Ja, hätt' ich Königreich' ihr mitzugeben.

ROSALINDE zu Orlando.

Ihr sagt, Ihr wollt sie, wenn ich sie Euch bringe?

ORLANDO.

Ja, wär' ich aller Königreiche König.

ROSALINDE zu Phöbe.

Ihr sagt, Ihr wollt mich nehmen, wenn ich will?

PHÖBE.

Das will ich, stürb' ich gleich die Stunde drauf.

ROSALINDE.

Wenn Ihr Euch aber weigert, mich zu nehmen,

Wollt Ihr Euch diesem treuen Schäfer geben?

PHÖBE.

So ist der Handel.

ROSALINDE zu Silvius.

Ihr sagt, wenn Phöbe will, wollt Ihr sie haben?

SILVIUS.

Ja, wär' sie haben und der Tod auch eins.

ROSALINDE.

Und ich versprach, dies alles auszugleichen.

O Herzog, haltet Wort, gebt Eure Tochter;

Orlando, haltet Eures, sie zu nehmen;

Ihr, Phöbe, haltet Wort, heiratet mich, –

Wenn Ihr mich ausschlagt, eh'licht diesen Schäfer;

Ihr, Silvius, haltet Wort, heiratet sie,

Wenn sie mich ausschlägt; und von dannen geh' ich,

Zu schlichten diese Zweifel.


Rosalinde und Celia ab.


HERZOG.

An diesem Schäferknaben fallen mir

Lebend'ge Züge meiner Tochter auf.

ORLANDO.

Mein Fürst, das erste Mal, daß ich ihn sah,

Schien mir's, er sei ein Bruder Eurer Tochter.

Doch, lieber Herr, der Knab' ist waldgeboren,

Und wurde unterwiesen in den Gründen

Verrufner Wissenschaft von seinem Oheim,

Den er als einen großen Zaubrer schildert,

Vergraben im Bezirke dieses Walds.


Probstein und Käthchen kommen.


JAQUES. Sicherlich ist eine neue Sündflut im Anzuge, und diese Paare begeben sich in die Arche. Da kommt ein Paar seltsamer Tiere, die man in allen Sprachen Narren nennt.[719]

PROBSTEIN. Gruß und Empfehlung euch allen!

JAQUES. Werter Fürst, heißt ihn willkommen: das ist der scheckigt gesinnte Herr, den ich so oft im Walde antraf. Er schwört, er sei ein Hofmann gewesen.

PROBSTEIN. Wenn irgend jemand das bezweifelt, so laßt ihn mich auf die Probe stellen. Ich habe meine Menuett getanzt, ich habe den Damen geschmeichelt, ich bin politisch gegen meinen Freund gewesen, und geschmeidig gegen meinen Feind, ich habe drei Schneider zu Grunde gerichtet, ich habe vier Händel gehabt und hätte bald einen ausgefochten.

JAQUES. Und wie wurde der ausgemacht?

PROBSTEIN. Nun, wir kamen zusammen und fanden, der Handel stehe auf dem siebenten Punkt.

JAQUES. Wie, siebenten Punkt? – Lobt mir den Burschen, mein gnädiger Herr!

HERZOG. Er gefällt mir sehr.

PROBSTEIN. Gott behüt' Euch, Herr! ich wünsche das nämliche von Euch. Ich dränge mich hier unter die übrigen ländlichen Paare, zu schwören und zu verschwören, je nachdem der Ehestand bindet, und Fleisch und Blut bricht. Eine arme Jungfer, Herr, ein übel aussehend Ding, Herr, aber mein eigen: eine demütige Laune von mir, Herr, zu nehmen, was sonst niemand will. Reiche Ehrbarkeit, Herr, wohnt wie ein Geizhals in einem armen Hause, wie eine Perle in einer garstigen Auster.

HERZOG. Meiner Treu, er ist sehr behende und spruchreich.

JAQUES. Aber der siebente Punkt! Wie fandet Ihr den Handel auf dem siebenten Punkt?

PROBSTEIN. Wegen einer siebenmal zurückgeschobnen Lüge. – Halt' dich grade, Käthchen! – Nämlich so, Herr. Ich konnte den Schnitt von eines gewissen Hofmanns Bart nicht leiden; er ließ mir melden, wenn ich sagte, sein Bart wäre nicht gut gestutzt, so wäre er andrer Meinung: das nennt man den höflichen Bescheid. Wenn ich ihm wieder sagen ließ, er wäre nicht gut gestutzt, so ließ er mir sagen, er stutzte ihn für seinen eignen Geschmack: das nennt man den feinen Stich. Sagte ich noch einmal, er wäre nicht gut gestutzt,[720] so erklärte er mich unfähig zu urteilen: das nennt man die grobe Erwiderung. Nochmals, er wäre nicht gut gestutzt, so antwortete er, ich spräche nicht wahr: das nennt man die beherzte Abfertigung. Nochmals, er wäre nicht gut gestutzt, so sagte er, ich löge: das nennt man den trotzigen Widerspruch, und so bis zur bedingten Lüge und zur offenbaren Lüge.

JAQUES. Und wie oft sagtet Ihr, sein Bart wäre nicht gut gestutzt?

PROBSTEIN. Ich wagte nicht weiter zu gehn als bis zur bedingten Lüge, noch er, mir die offenbare Lüge zuzuschieben, und so maßen wir unsre Degen und schieden.

JAQUES. Könnt Ihr nun nach der Reihe die Grade nennen?

PROBSTEIN. O Herr, wir streiten wie gedruckt, nach dem Buch, so wie man Sittenbüchlein hat. Ich will Euch die Grade aufzählen. Der erste der höfliche Bescheid; der zweite der feine Stich; der dritte die grobe Erwiderung; der vierte die beherzte Abfertigung; der fünfte der trotzige Widerspruch; der sechste die Lüge unter Bedingung; der siebente die offenbare Lüge. Aus allen diesen könnt Ihr Euch herausziehen, außer der offenbaren Lüge, und aus der sogar mit einem bloßen Wenn. Ich habe erlebt, daß sieben Richter einen Streit nicht ausgleichen konnten, aber wie die Parteien zusammen kamen, fiel dem einen nur ein Wenn ein; zum Beispiel: »Wenn ihr so sagt, so sage ich so«, und sie schüttelten sich die Hände und machten Brüderschaft. Das Wenn ist der wahre Friedensstifter; ungemeine Kraft in dem Wenn.

JAQUES. Ist das nicht ein seltner Bursch, mein Fürst? Er versteht sich auf alles so gut, und ist doch ein Narr.

HERZOG. Er braucht seine Torheit wie ein Stellpferd, um seinen Witz dahinter abzuschießen.


Hymen, mit Rosalinde in Frauenkleidern an der Hand, und Celia treten auf. Feierliche Musik.


HYMEN.

Der ganze Himmel freut sich,

Wenn ird'scher Dinge Streit sich

In Frieden endet.[721]

Nimm deine Tochter, Vater,

Die Hymen, ihr Berater,

Vom Himmel sendet;

Daß du sie geb'st in dessen Hand,

Dem Herz in Herz sie schon verband.

ROSALINDE zum Herzoge.

Euch übergeb' ich mich, denn ich bin Euer.


Zu Orlando.


Euch übergeb' ich mich, denn ich bin Euer.

HERZOG.

Trügt nicht der Schein, so seid Ihr meine Tochter.

ORLANDO.

Trügt nicht der Schein, so seid Ihr meine Rosalinde.

PHÖBE.

Ist's Wahrheit, was ich seh',

Dann – meine Lieb', ade!

ROSALINDE.

Ich will zum Vater niemand, außer Euch.


Zu Orlando.


Ich will zum Gatten niemand, außer Euch.


Zu Phöbe.


Ich nehme nie ein Weib mir, außer Euch.

HYMEN.

Still! die Verwirrung end' ich,

Die Wunderdinge wend' ich

Zum Schluß, der schön sich fügt.

Acht müssen Hand in Hand

Hier knüpfen Hymens Band,

Wenn nicht die Wahrheit lügt.


Zu Orlando und Rosalinde.


Euch und Euch trennt nie ein Leiden.


Zu Oliver und Celia.


Euch und Euch kann Tod nur scheiden.


Zu Phöbe.


Ihr müßt seine Lieb' erkennen,

Od'r ein Weib Gemahl benennen.


Zu Probstein und Käthchen.


Ihr und Ihr seid Euch gewiß

Wie der Nacht die Finsternis.

Weil wir Hochzeitchöre singen,

Fragt euch satt nach diesen Dingen:

Daß euer Staunen sei verständigt,

Wie wir uns trafen, und dies endigt.


Lied

Eh'stand ist der Juno Krone:

O sel'ger Bund von Tisch und Bett![722]

Hymen bevölkert jede Zone,

Drum sei die Eh' verherrlichet.

Preis, hoher Preis und Ruhm zum Lohne

Hymen, dem Gotte jeder Zone!

HERZOG.

O liebe Nichte, sei mir sehr willkommen!

Als Tochter, nichts Geringres, aufgenommen.

PHÖBE.

Ich breche nicht mein Wort: du bist nun mein;

Mich nötigt deine Treue zum Verein.


Jaques de Boys tritt auf.


JAQUES DE BOYS.

Verleiht für ein paar Worte mir Gehör:

Ich bin der zweite Sohn des alten Roland,

Der Zeitung diesem schönen Kreise bringt.

Wie Herzog Friedrich hörte, täglich strömten

Zu diesem Walde Männer von Gewicht,

Warb er ein mächtig Heer; sie brachen auf,

Von ihm geführt, in Absicht, seinen Bruder

Zu fangen hier und mit dem Schwert zu tilgen.

Und zu dem Saume dieser Wildnis kam er,

Wo ihm ein alter heil'ger Mann begegnet,

Der ihn nach einigem Gespräch bekehrt

Von seiner Unternehmung und der Welt.

Die Herrschaft läßt er dem vertriebnen Bruder,

Und die mit ihm Verbannten stellt er her

In alle ihre Güter. Daß dies Wahrheit,

Verbürg' ich mit dem Leben.

HERZOG.

Willkommen, junger Mann!

Du steuerst kostbar zu der Brüder Hochzeit:

Dem einen vorenthaltne Länderei'n, –

Ein ganzes Land, ein Herzogtum, dem andern.

Zuerst laßt uns in diesem Wald vollenden,

Was hier begonnen ward und wohl erzeugt;

Und dann soll jeder dieser frohen Zahl,

Die mit uns herbe Tag' und Nächt' erduldet,

Die Wohltat unsers neuen Glückes teilen,

Wie seines Ranges Maß es mit sich bringt.

Doch jetzt vergeßt die neue Herrlichkeit

Bei dieser ländlich frohen Lustbarkeit![723]

Spielt auf, Musik! – Ihr Bräutigam' und Bräute,

Schwingt euch zum Tanz im Überschwang der Freude!

JAQUES.

Herr, mit Erlaubnis: – hab' ich recht gehört,

So tritt der Herzog in ein geistlich Leben

Und läßt die Pracht des Hofes hinter sich?

JAQUES DE BOYS.

Das tut er.

JAQUES.

So will ich zu ihm: diese Neubekehrten,

Sie geben viel zu hören und zu lernen.


Zum Herzoge.


Euch, Herr, vermach' ich Eurer vor'gen Würde;

Durch Tugend und Geduld verdient Ihr sie.


Zu Orlando.


Euch einer Liebsten, Eurer Treue wert.


Zu Oliver.


Euch Eurem Erb', und Braut, und mächt'gen Freunden.


Zu Silvius.


Euch einem lang' und wohlverdienten Eh'bett.


Zu Probstein.


Und Euch dem Zank; denn bei der Liebesreise

Hast du dich auf zwei Monat' nur versehn

Mit Lebensmitteln. – Seid denn guter Dinge:

Ich bin für andre als für Tänzersprünge.

HERZOG.

Bleib', Jaques, bleib'!

JAQUES.

Zu keiner Lustbarkeit, – habt Ihr Befehle,

So schickt sie mir in die verlaßne Höhle!


Ab.


HERZOG.

Wohlan! wohlan! Begeht den Feiertag,

Beginnt mit Lust, was glücklich enden mag!


Ein Tanz.[724]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 718-725.
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