Zweite Szene

[861] Coriolanus tritt auf mit einigen Patriziern.


CORIOLANUS.

Laßt sie mir um die Ohren alles werfen;

Mir drohn mit Tod durch Rad, durch wilde Rosse;

Zehn Berg' auf den Tarpej'schen Felsentürmen,

Daß sich der Absturz tiefer reißt, als je

Das Auge sieht, – doch bleib' ich ihnen stets

Also gesinnt.

ERSTER PATRIZIER.

Ihr handelt um so edler.


Volumnia tritt auf.


CORIOLANUS.

Mich wundert, wie die Mutter

Mein Tun nicht billigt, die doch lump'ge Sklaven

Sie stets genannt; Geschöpfe, nur gemacht,

Daß sie mit Pfenn'gen schachern; barhaupt stehn

In der Versammlung, gähnen, staunen, schweigen,

Wenn einer meines Ranges sich erhebt,

Redend von Fried' und Krieg.


Zu Volumnia.


Ich sprach von Euch.

Weshalb wünscht Ihr mich milder? Soll ich falsch sein

Der eignen Seele? Lieber sagt, ich spiele

Den Mann nur, der ich bin!

VOLUMNIA.

Oh! Sohn, Sohn, Sohn!

Hätt'st deine Macht du doch erst angelegt,

Eh' du sie abgenutzt!

CORIOLANUS.

Sie fahre hin!

VOLUMNIA.

Du konntest mehr der Mann sein, der du bist,

Wenn du es wen'ger zeigtest; schwächer waren

Sie deinem Sinn entgegen, hehltest du

Nur etwas mehr, wie du gesinnt, bis ihnen

Die Macht gebrach, um dich zu kreuzen.

CORIOLANUS.

Hängt sie!

VOLUMNIA.

Ja, und verbrennt sie!


Menenius kommt mit Senatoren.


MENENIUS.

Kommt, kommt! Ihr wart zu rauh, etwas zu rauh.

Ihr müßt zurück, es bessern.[861]

ERSTER SENATOR.

Da hilft nichts.

Denn tut Ihr dieses nicht, reißt auseinander

Die Stadt und geht zugrund'.

VOLUMNIA.

Oh! laß dir raten:

Ich hab' ein Herz, unbeugsam, wie das deine,

Doch auch ein Hirn, das meines Zornes Ausbruch

Zu besserm Vorteil lenkt.

MENENIUS.

Recht, edle Frau!

Denn sollt' er so sein Herz zerdrücken, wenn's nicht

Die Fieberwut der Zeit als Mittel heischte

Dem ganzen Staat, schnallt' ich die Rüstung um,

Die ich kaum tragen kann.

CORIOLANUS.

Was muß ich tun?

MENENIUS.

Zu den Tribunen kehren.

CORIOLANUS.

Was weiter denn?

MENENIUS.

Bereun, was Ihr gesprochen.

CORIOLANUS.

Um ihretwillen?

Nicht kann ich's um der Götter willen tun;

Muß ich's denn ihretwillen tun?

VOLUMNIA.

Du bist zu herrisch.

Magst du auch hierin nie zu edel sein,

Gebietet Not doch auch. – Du selbst oft sagtest:

Wie Ehr' und Politik als treue Freunde

Im Krieg zusammen gehn. Ist dies, so sprich,

Wie sie im Frieden wohl sich schaden können,

Daß sie in ihm sich trennen?

CORIOLANUS.

Pah!

MENENIUS.

Gut gefragt!

VOLUMNIA.

Bringt es im Krieg dir Ehre, der zu scheinen,

Der du nicht bist (und großer Zwecke halb

Gebraucht Ihr dieser Politik), entehrt's nun,

Daß sie im Frieden soll Gemeinschaft halten

Mit Ehre, wie im Krieg, da sie doch beiden

Gleich unentbehrlich ist?

CORIOLANUS.

Was drängst du so?

VOLUMNIA.

Weil jetzt dir obliegt, zu dem Volk zu reden,

Nicht nach des eignen Sinnes Unterweisung,

Noch in der Art, wie dir dein Herz befiehlt, –[862]

Mit Worten nur, die auf der Zunge wachsen,

Bastardgeburten, Lauten nur und Silben,

Die nicht des Herzens Wahrheit sind verpflichtet.

Dies, wahrlich, kann so wenig dich entehren,

Als eine Stadt durch sanftes Wort erobern,

Wo sonst dein Glück entscheiden müßt' und Wagnis

Von vielem Blutvergießen. –

Ich wollte meine Art und Weise bergen,

Wenn Freund' und Glück es in Gefahr verlangten,

Und blieb' in Ehr'. – Ich steh' hier auf dem Spiel,

Dein Weib, dein Sohn, die Edlen, der Senat,

Und du willst lieber unserm Pöbel zeigen,

Wie du kannst finster sehn, als einmal lächeln,

Um ihre Gunst zu erben und zu schützen,

Was ohne sie zugrund' geht.

MENENIUS.

Edle Frau!

Kommt, geht mit uns, sprecht freundlich und errettet

Nicht nur, was jetzt gefährlich, nein, was schon

Verloren war!

VOLUMNIA.

Ich bitte dich, mein Sohn,

Geh hin, mit dieser Mutz' in deiner Hand;

So streck' sie aus, tritt nah an sie heran,

Dein Knie berühr' die Stein'; in solchem Tun ist

Gebärd' ein Redner, und der Einfalt Auge

Gelehrter als ihr Ohr. Den Kopf so wiegend

Und oft auch so dein stolzes Herz bestrafend,

Sei sanft, so wie die Maulbeer' überreif,

Die jedem Drucke weicht. Dann sprich zu ihnen:

Du seist ihr Krieger, im Gelärm erwachsen,

Hab'st nicht die sanfte Art, die, wie du einsäh'st,

Dir nötig sei, die sie begehren dürften,

Wärb'st du um ihre Gunst; doch wollt'st du sicher

Dich künftig wandeln zu dem Ihrigen,

So weit Natur und Kraft in dir nur reichten.

MENENIUS.

Das nur getan,

So wie sie sagt, sind alle Herzen dein,

Denn sie verzeihn so leicht, wenn du sie bittest,

Als sonst sie müßig schwatzen.[863]

VOLUMNIA.

Oh! gib nach!

Laß dir nur diesmal raten, – weiß ich schon,

Du spräng'st eh' mit dem Feind in Feuerschlünde,

Als daß du ihm in Blumenlauben schmeichelst.

Hier ist Cominius.


Cominius tritt auf.


COMINIUS.

Vom Marktplatz komm' ich, Freund, und dringend scheint,

Daß Ihr Euch sehr verstärkt, sonst hilft Euch nur

Flucht oder Sanftmut: Alles ist in Wut.

MENENIUS.

Nur gutes Wort!

COMINIUS.

Das, glaub' ich, dient am besten,

Zwingt er sein Herz dazu.

VOLUMNIA.

Er muß und will.

Laß dich erbitten; sag: »Ich will« und geh!

CORIOLANUS.

Muß ich mit bloßem Kopf mich zeigen? Muß ich

Mit niedrer Zunge Lügen strafen so

Mein edles Herz, das hier verstummt? Nun gut, ich tu's.

Doch käm's nur auf das einz'ge Stück hier an,

Den Marcius, sollten sie zu Staub ihn stampfen

Und in den Wind ihn streun. – Zum Marktplatz nun!

Ihr zwingt mir eine Rolle auf, die ich nie

Natürlich spiele.

COMINIUS.

Kommt, wir helfen Euch.

VOLUMNIA.

Oh! hör' mich, holder Sohn! Du sagtest oft,

Daß dich mein Lob zum Krieger erst gemacht:

So spiel', mein Lob zu ernten, eine Rolle,

Die du noch nie geübt.

CORIOLANUS.

Ich muß es tun.

Fort, meine Sinnesart! Komm über mich,

Geist einer Metze! Mein Kriegsschrei sei verwandelt,

Der in die Trommeln rief, jetzt in ein Pfeifchen,

Dünn wie des Hämlings, wie des Mädchens Stimme,

Die Kinder einlullt; eines Buben Lächeln

Wohn' auf der Wange mir; Schulknabentränen

Verdunkeln mir den Blick; des Bettlers Zunge

Reg' in dem Mund sich; mein bepanzert Knie,

Das nur im Bügel krumm war, beuge sich[864]

Wie des, der Pfenn'ge fleht! – Ich will's nicht tun,

Nicht so der eignen Wahrheit Ehre schlachten

Und durch des Leibs Gebärdung meinen Sinn

Zu ew'ger Schand' abrichten.

VOLUMNIA.

Wie du willst.

Von dir zu betteln ist mir größre Schmach,

Als dir von ihnen. Fall' alles denn in Trümmer!

Mag lieber deinen Stolz die Mutter fühlen,

Als stets Gefahr von deinem Starrsinn fürchten!

Den Tod verlach' ich, großgeherzt wie du.

Mein ist dein Mut, ja, den sogst du von mir:

Dein Stolz gehört dir selbst.

CORIOLANUS.

Sei ruhig, Mutter,

Ich bitte dich! – Ich gehe auf den Markt;

Schilt mich nicht mehr! Als Taschenspieler nun

Stehl' ich jetzt ihre Herzen, kehre heim,

Von jeder Zunft geliebt. Siehst du, ich gehe.

Grüß' meine Frau! Ich kehr' als Konsul wieder;

Sonst glaube nie, daß meine Zung' es weit

Im Weg des Schmeichelns bringt!

VOLUMNIA.

Tu', was du willst!


Sie geht ab.


COMINIUS.

Fort, die Tribunen warten. Rüstet Euch

Mit milder Antwort; denn sie sind bereit,

Hör' ich, mit härtern Klagen, als die jetzt

Schon auf Euch lasten.

CORIOLANUS.

»Mild« ist die Losung. Bitte, laßt uns gehn:

Laßt sie mit Falschheit mich beschuld'gen, ich

Antworte ehrenvoll.

MENENIUS.

Nur aber milde!

CORIOLANUS.

Gut, milde sei's denn, milde!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 861-865.
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Shakespeare, William: Shakespeare's dramatische Werke / Die Comödie der Irrungen. - Die beiden Veroneser. - Coriolanus. Liebes Leid und Lust
Coriolanus. Tragödie.
Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Coriolan / The Tragedy of Coriolanus (Gesamtausgabe, Band 31)
Shakespeare's Dramatische Werke: Einleitungen. Viel Lärmen Um Nichts. Die Comödie Der Irrungen. Die Beiden Veroneser. Coriolanus / Uebersetzt Von Dorothea Tieck. Liebes Leid Und Lust (German Edition)

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