Fünfte Szene

[891] Aufidius und ein Hauptmann treten auf.


AUFIDIUS.

Noch immer laufen sie dem Römer zu?

HAPTMANN.

Ich weiß nicht, welche Zauberkraft er hat;

Doch dient zum Tischgebet er Euren Kriegern,

Wie zum Gespräch beim Mahl und Dank am Schluß.

Ihr seid in diesem Krieg verdunkelt, Herr,

Selbst von den Eignen.

AUFIDIUS.

Jetzt kann ich's nicht ändern,

Als nur durch Mittel, die die Kräfte lähmten

Von unsrer Absicht. Er beträgt sich stolzer,

Selbst gegen mich, als ich es je erwartet,

Da ich zuerst ihn aufnahm. Doch sein Wesen

Bleibt darin sich getreu. Ich muß entschuld'gen,

Was nicht zu bessern ist.

HAUPTMANN.

Doch wünscht' ich, Herr,

Zu Eurem eignen Heil, Ihr hättet nie

Mit ihm geteilt Eu'r Ansehn, nein, entweder

Die Führung selbst behalten, oder ihm

Allein sie überlassen.

AUFIDIUS.

Wohl weiß ich, was du meinst; und, sei versichert,

Wenn's zur Erklärung kommt, so denkt er nicht,

Wes ich ihn kann beschuld'gen. Scheint es gleich,

Und glaubt er selbst, und überzeugt sich auch

Das Volk, daß er in allem redlich handelt

Und guten Haushalt für die Volsker führt,

Ficht, gleich dem Drachen, siegt, sobald er nur

Das Schwert gezückt: doch blieb noch ungetan,

Was so den Hals ihm bricht, oder den meinen

Gefährdet, wenn wir miteinander rechnen.

HAUPTMANN.

Herr, glaubt Ihr, daß er Roms sich wird bemeistern?

AUFIDIUS.

Jedwede Stadt ist sein, eh' er belagert,

Und ihm ergeben ist der Adel Roms;

Patrizier lieben ihn und Senatoren.

Den Krieg versteht nicht der Tribun. Das Volk

Wird schnell zurück ihn rufen, wie's ihn eilig[891]

Von dort verstieß. Ich glaub', er ist für Rom,

Was für den Fisch der Meeraar, der ihn fängt

Durch angeborne Macht. Erst war er ihnen

Ein edler Diener; doch er konnte nicht

Die Würden mäßig tragen. Sei's nun Stolz,

Der immer, bleibt das Glück unwandelbar,

Den Held befleckt; sei's Mangel an Verstand,

Wodurch er nicht den Zufall klug beherrscht,

Der ihn begünstigt; oder sei's Natur,

Die ihn aus einem Stück schuf, – stets derselbe

Im Helme wie im Rat, herrscht' er im Frieden

Mit unbeugsamer Streng' und finsterm Ernst,

Wie er dem Krieg gebot. Schon eins von diesen

(Von jedem hat er etwas, keines ganz,

So weit sprech' ich ihn frei) macht' ihn gefürchtet,

Gehaßt, verbannt. – Doch so ist sein Verdienst,

Daß es im Übermaß erstirbt. So fällt

Stets unser Wert der Zeiten Deutung heim;

Und Macht, die an sich selbst zu loben ist,

Hat kein so unverkennbar Grab, als wenn

Von Rednerbühnen wir ihr Tun gepriesen.

Der Nagel treibt den Nagel, Brand den Brand,

Kraft sinkt durch Kraft, durch Recht wird Recht verkannt.

Kommt, laßt uns gehn! Ist, Cajus, Rom erst dein,

Dann bist der Ärmste du, dann bist du mein.


Sie gehn ab.[892]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 891-893.
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