[834] Zwei Ratsdiener, welche Polster legen.
ERSTER RATSDIENER. Komm, komm! Sie werden gleich hier sein. Wie viele werben um das Konsulat?
ZWEITER RATSDIENER. Drei, heißt es; aber jedermann glaubt, daß Coriolanus es erhalten wird.[834]
ERSTER RATSDIENER. Das ist ein wackrer Gesell; aber er ist verzweifelt stolz und liebt das gemeine Volk nicht.
ZWEITER RATSDIENER. Ei! es hat viel große Männer gegeben, die dem Volk schmeichelten und es doch nicht liebten. Und es gibt manche, die das Volk geliebt hat, ohne zu wissen, warum? Also, wenn sie lieben, so wissen sie nicht, weshalb, und sie hassen aus keinem besseren Grunde; darum, weil es den Coriolanus nicht kümmert, ob sie ihn lieben oder hassen, beweist er die richtige Einsicht, die er von ihrer Gemütsart hat; und seine edle Sorglosigkeit zeigt ihnen dies deutlich.
ERSTER RATSDIENER. Wenn er sich nicht darum kümmerte, ob sie ihn lieben oder nicht, so würde er sich unparteiisch in der Mitte halten und ihnen weder Gutes noch Böses tun; aber er sucht ihren Haß mit größerm Eifer, als sie es ihm erwidern können, und unterläßt nichts, was ihn vollständig als ihren Gegner zeigt. Nun, sich die Miene geben, daß man nach dem Haß und dem Mißvergnügen des Volkes strebt, ist so schlecht wie das, was er verschmäht: ihnen, um ihrer Liebe willen, zu schmeicheln.
ZWEITER RATSDIENER. Er hat sich um sein Vaterland sehr verdient gemacht. Und sein Aufsteigen ist nicht auf so bequemen Staffeln, wie jener, welche geschmeidig und höflich gegen das Volk, mit geschwenkten Mützen, ohne weitre Tat, Achtung und Ruhm einfingen. Er aber hat seine Verdienste ihren Augen, und seine Taten ihren Herzen so eingepflanzt, daß, wenn ihre Zungen schweigen wollten und dies nicht eingestehn, es eine Art von undankbarer Beschimpfung sein würde; es zu leugnen, wäre eine Bosheit, die, indem sie sich selbst Lügen strafte, von jedem Ohr, das sie hörte, Vorwurf und Tadel erzwingen müßte.
ERSTER RATSDIENER. Nichts mehr von ihm, er ist ein würdiger Mann. Mach' Platz, sie kommen!
Trompeten. Es treten auf: der Konsul Cominius, dem die Liktoren vorausgehen, Menenius, Coriolanus, mehrere Senatoren, Sicinuis und Brutus. Senatoren und Tribunen nehmen ihre Plätze.
MENENIUS.
Da ein Beschluß gefaßt, der Volsker wegen,
Und wir den Titus Lartius heimberufen,[835]
Bleibt noch als Hauptpunkt dieser zweiten Sitzung,
Des Helden edlen Dienst zu lohnen, der
So für sein Vaterland gekämpft. – Geruht dann,
Ehrwürd'ge, ernste Väter, und erlaubt
Ihm, der jetzt Konsul ist, und Feldherr war
In unserm wohlbeschloßnen Krieg, ein wenig
Zu sagen von dem edlen Werk, vollführt
Durch Cajus Marcius Coriolanus, der
Hier mit uns ist, um dankbar ihn zu grüßen
Durch Ehre, seiner wert.
ERSTER SENATOR.
Cominius, sprich!
Laß, als zu lang, nichts aus! Wir glauben eh',
Daß unserm Staat die Macht zu lohnen fehlt,
Als uns der weitste Wille. Volksvertreter,
Wir bitten euer freundlich Ohr, und dann
Eu'r günstig Fürwort beim gemeinen Volk,
Daß gelte, was wir wünschen.
SICINIUS.
Wir sind hier
Auf freundliches Vernehmen; unsre Herzen
Nicht abgeneigt, zu ehren, zu befördern
Ihn, der uns hier versammelt.
BRUTUS.
Um so lieber
Tun wir dies freud'gen Muts, gedenkt er auch
Des Volks mit beßrem Sinn, als er bisher
Es hat geschätzt.
MENENIUS.
Das paßt nicht, paßt hier nicht.
Ihr hättet lieber schweigen soll'n. Gefällt's Euch,
Cominius anzuhören?
BRUTUS.
Herzlich gern.
Doch war mein Warnen besser hier am Platz
Als der Verweis.
MENENIUS.
Er liebt ja Euer Volk;
Doch zwingt ihn nicht, ihr Schlafgesell zu sein!
Edler Cominius, sprich!
Coriolanus steht auf und will gehn.
Nein, bleib' nur sitzen!
ERSTER SENATOR.
Bleib', Coriolanus, schäm' dich nicht, zu hören,
Was edel du getan.[836]
CORIOLANUS.
Verzeiht mir, Väter,
Eh' will ich noch einmal die Wunden heilen,
Als hören, wie ich dazu kam.
BRUTUS.
Ich hoffe,
Mein Wort vertrieb Euch nicht.
CORIOLANUS.
O nein! doch oft
Hielt ich den Streichen stand und floh vor Worten.
Nicht schmeichelt und drum kränkt Ihr nicht. Eu'r Volk,
Das lieb' ich nach Verdienst.
MENENIUS.
Setzt Euch!
CORIOLANUS.
Eh' ließ' ich
Im warmen Sonnenschein den Kopf mir kratzen,
Wenn man zum Angriff bläst, als, müßig sitzend,
Mein Nichts zum Fabelwerk vergrößern hören.
Geht ab.
MENENIUS.
Volksvertreter!
Wie könnt' er eurer scheck'gen Brut wohl schmeicheln, –
Wo einer gut im Tausend, – wenn ihr seht,
Er wagt eh' alle Glieder für den Ruhm,
Als eins von seinen Ohren, ihn zu hören?
Cominius, fahre fort!
COMINIUS.
Mir fehlt's an Stimme. Coriolanus' Taten
Soll man nicht schwach verkünden. Wie man sagt,
Ist Mut die erste Tugend und erhebt
Zumeist den Eigner; ist es so, dann wiegt
Den Mann, von dem ich sprech', in aller Welt
Kein andrer auf. Mit sechzehn Jahren schon,
Da, als Tarquin Rom überzog, da focht er
Voraus den Besten. Der Diktator, hoch
Und groß gepriesen stets, sah seinen Kampf;
Wie mit dem Kinn der Amazon' er jagte
Die bärt'gen Lippen; zog aus dem Gedränge
Den hingestürzten Römer; schlug drei Feinde
Im Angesicht des Konsuls; traf Tarquin
Und stürzt' ihn auf das Knie. An jenem Tag,
Als er ein Weib könnt' auf der Bühne spielen,
Zeigt' er sich ganz als Mann im Kampf; zum Lohn
Ward ihm der Eichenkranz. Sein zartes Alter
Gereift zum Manne, wuchs er, gleich dem Meer,[837]
Und seit der Zeit, im Sturm von siebzehn Schlachten,
Streift' er den Kranz von jedem Schwert. Sein Letztes,
Erst vor, dann in Corioli, ist so,
Daß jedes Lob verarmt. Die Flieh'nden hemmt' er,
Und durch sein hohes Beispiel ward dem Feigsten
Zum Spiel das Schrecknis. So wie Binsen tauchen
Dem Schiff im Segeln, wichen ihm die Menschen
Und schwanden seinem Streich. Sein Schwert, Todstempel,
Schnitt, wo es fiel, von Haupt zu Füßen nieder.
Vernichtung war er; jeglicher Bewegung
Hallt Sterberöcheln nach. Allein betrat er
Das Todestor der Stadt, das er bemalt
Mit unentrinnbar'm Weh; tritt, keiner half ihm,
Heraus, und schlägt mit plötzlicher Verstärkung
Die Stadt, wie Götterkraft. Sein ist nun alles:
Da plötzlich weckt ihm Schlachtgetöse rufend
Den wachen Sinn, und schnell den Mut verdoppelnd
Belebt sich frisch sein arbeitmüder Leib:
Er stürzt in neuen Kampf, und schreitet nun
Blutdampfend über Menschenleben hin,
Als folg' ihm Mord und Tod. Und bis wir Stadt
Und Schlachtfeld unser nannten ruht' er nicht,
Um Atem nur zu schöpfen.
MENENIUS.
Würd 'ger Mann!
ERSTER SENATOR.
Im vollsten Maß ist er der Ehre wert,
Die seiner harrt.
COMINIUS.
Die Beute stieß er weg.
Kostbare Dinge sah er an, als wär's
Gemeiner Staub und Kehricht; wen'ger nimmt er,
Als selbst der Geiz ihm gäbe. Ihm ist Lohn
Für Großtat, sie zu tun. Zufrieden ist er,
Sein Leben so zu opfern ohne Zweck.
MENENIUS.
Er ist von wahrem Adel. Ruft ihn her!
ERSTER SENATOR.
Ruft Coriolanus!
ERSTER RATSDIENER.
Er tritt schon herein.
Coriolanus kommt zurück.
MENENIUS.
Mit Freud' ernennt dich, Coriolan, zum Konsul
Der sämtliche Senat.[838]
CORIOLANUS.
Stets weih' ich ihm
Mein Leben, meinen Dienst.
MENENIUS.
Jetzt bleibt nur noch,
Daß du das Volk anredest.
CORIOLANUS.
Ich ersuch' euch,
Erlaßt mir diesen Brauch; denn ich kann nicht
Das Kleid antun, entblößt stehn und sie bitten
Um ihre Stimmen, meiner Wunden wegen.
Erlaubt, die Sitte zu umgehn!
SICINIUS.
Das Volk, Herr,
Muß Euer Werben haben, läßt nicht fahren
Den kleinsten Punkt des Herkomm's.
MENENIUS.
Reizt es nicht!
Nein, bitte! fügt Euch dem Gebrauch und nehmt,
Wie es bisher die Konsuln all' getan,
Die Würd' in ihrer Form.
CORIOLANUS.
's ist eine Rolle,
Die ich errötend spiel'; auch wär' es gut,
Dem Volke dies zu nehmen.
BRUTUS.
Hört Ihr das?
CORIOLANUS.
Vor ihnen prahlen: dies tat ich und das;
Geheilte Schmarren zeigen, die ich bergen sollte,
Als hätt' ich sie um ihres Atems Lohn
Allein bekommen! –
MENENIUS.
Nein, du mußt dich fügen.
Ihr Volkstribunen, euch empfehlen wir:
Macht den Entschluß bekannt! Dem edlen Konsul
Sei alle Freud' und Ehre!
SENATOREN.
Den Coriolanus kröne Freud' und Ehre!
Trompeten. Die Senatoren gehn.
BRUTUS.
Ihr seht, wie er das Volk behandeln will.
SICINIUS.
Wenn sie's nur merkten. Er wird sie ersuchen
Als wie zum Hohn, daß er von ihnen bittet,
Was sie gewähren müssen.
BRUTUS.
Doch sogleich
Erfahren sie, was hier geschah. Ich weiß,
Sie warten unser auf dem Markt.
Sie gehn ab.[839]
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Coriolanus
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