Erste Szene

[637] Fores, Saal im Schlosse. Banquo tritt auf.


BANQUO.

Du hast's nun: König, Cawdor, Glamis, alles,

Wie dir's die Zauberfrau'n versprachen; und ich fürchte,

Du spieltest schändlich drum. Doch ward gesagt,

Es solle nicht bei deinem Stamme bleiben;

Ich aber sollte Wurzel sein und Vater

Von vielen Kön'gen. Kommt von ihnen Wahrheit

(Wie, Macbeth, ihre Wort' an dich bestät'gen),

Warum, bei der Erfüllung, die dir ward,

Soll'n sie nicht mein Orakel gleichfalls sein

Und meine Hoffnung kräft'gen? Still, nichts weiter! –


Trompeten; es treten auf Macbeth als König und Lady Macbeth als Königin; Lenox, Rosse, Lords, Ladys und Gefolge.


MACBETH.

Hier unser höchster Gast.

LADY MACBETH.

Ward er vergessen,

War's wie ein Riß in unserm großen Fest,

Und alles ungeziemend.

MACBETH.

Herr, wir halten

Ein feierliches Mahl heut abend, und

Ich bitt' um Eure Gegenwart.

BANQUO.

Eu'r Hoheit

Hat zu befehlen; unauflöslich bleibt

Für immer meine Pflicht an Euch gebunden.

MACBETH.

Verreist Ihr noch den Nachmittag?

BANQUO.

Ja, Herr.

MACBETH.

Sonst hätten wir wohl Euren Rat gewünscht,

Der stets voll Einsicht und ersprießlich war,[637]

Im Staatsrat heut; doch gönnt ihn morgen uns!

Geht Eure Reise weit?

BANQUO.

So weit, mein König,

Daß sie die Zeit von jetzt bis Abend ausfüllt;

Hält nicht mein Pferd sich gut, so muß ich wohl

Noch von der Nacht 'ne dunkle Stunde borgen.

MACBETH.

Fehlt nicht bei unserm Fest.

BANQUO.

Mein Fürst, ich komme.

MACBETH.

Wir hören, unsre blut'gen Vettern weilen

In England und in Irland; nicht bekennend

Den grausen Vatermord, mit seltnen Märchen

Die Hörer täuschend. Doch das sei für morgen,

Da außerdem das Staatsgeschäft uns alle

Zusammen ruft. Säumt länger nicht: lebt wohl,

Bis wir zu Nacht uns sehn! Geht Fleance mit Euch?

BANQUO.

Ja, teurer Herr; die Zeit mahnt uns zur Eil'.

MACBETH.

Den Rossen wünsch' ich schnellen, sichern Lauf;

Besteigt sie alsobald und reiset glücklich. –


Banquo geht ab.


Ein jeder sei nun Herr von seinen Stunden

Bis sieben Uhr; uns die Geselligkeit

Zu würzen, sind wir bis zum Abendessen

Mit uns allein. Bis dahin Gott befohlen!


Alle gehen ab, Macbeth bleibt.


Du da! ein Wort: sind jene Männer hier?


Der Diener tritt ein.


DIENER.

Sie harren vor dem Schloßtor, mein Gebieter.

MACBETH.

Führ' sie uns vor! –


Diener geht ab.


Das so zu sein, ist nichts:

Doch sicher, so zu sein. – In Banquo wurzelt

Tief unsre Furcht; in seinem Königssinn

Herrscht was, das will gefürchtet sein. Viel wagt er;

Und außer diesem unerschrocknen Geist

Hat Weisheit er, die Führerin des Muts[638]

Zum sichern Wirken. Außer ihm ist keiner,

Vor dem ich zittern muß; und unter ihm

Beugt sich mein Genius scheu, wie, nach der Sage,

Vor Cäsar Mark Antonius' Geist. Er schalt die Schwestern

Gleich, als sie mir den Namen König gaben,

Und hieß sie zu ihm sprechen; dann prophetisch

Begrüßten sie ihn Vater vieler Kön'ge.

Mein Haupt empfing die unfruchtbare Krone;

Den dürren Szepter reichten sie der Faust,

Daß eine fremde Hand ihn mir entwinde,

Kein Sohn von mir ihn erbe. Ist es so? –

Hab' ich für Banquos Stamm mein Herz befleckt,

Für sie erwürgt den gnadenreichen Duncan,

In meinen Friedensbecher Gift gegossen,

Einzig für sie; und mein unsterblich Kleinod

Dem Erbfeind aller Menschen preisgegeben,

Zu krönen sie! zu krönen Banquos Brut! –

Eh' das geschieht, komm, Schicksal, in die Schranken

Und fordre mich auf Tod und Leben! – Holla!


Der Diener kommt mit zwei Mördern.


Geh vor die Tür und warte, bis wir rufen.


Der Diener geht ab.


War's gestern nicht, da wir einander sprachen?

ERSTER MÖRDER.

So war es, Majestät.

MACBETH.

Gut denn, habt ihr

Nun meinen Reden nachgedacht? So wißt,

Daß er es eh'mals war, der euch so schwer

Gedrückt; was, wie ihr wähntet, ich getan,

Der völlig schuldlos. Dies bewies ich euch

In unsrer letzten Unterredung; macht' euch klar,

Wie man euch hinterging und kreuzte; nannt' euch

Die Werkzeug' auch, und wer mit ihnen wirkte;

Und alles sonst, was selbst 'ner halben Seele

Und blödstem Sinne zurief: Das tat Banquo!

ERSTER MÖRDER.

So habt Ihr's uns erklärt.

MACBETH.

Ich tat es und ging weiter; deshalb nun

Hab' ich euch wieder her beschieden. Fühlt ihr[639]

Geduld vorherrschend so in eurem Wesen,

Daß ihr dies hingehn laßt? Seid ihr so fromm,

Zu beten für den guten Mann und sein

Geschlecht, des schwere Hand zum Grab euch beugte

Und euch zu Bettlern macht' und eure Kinder?

ERSTER MÖRDER.

Mein König, wir sind Männer.

MACBETH.

Ja, im Verzeichnis lauft ihr mit als Männer;

Wie Jagd- und Windhund, Blendling, Wachtelhund,

Spitz, Pudel, Schäferhund und Halbwolf, alle

Der Name Hund benennt: das Rangregister

Bezeichnet erst den schnellen, trägen, klugen,

Den Hausbewacher und den Jäger, jeden

Nach seiner Eigenschaft, die ihm Natur

Liebreich geschenkt; wodurch ihm wird besondre

Bezeichnung aus der Schar, die alle gleich

Benamt: und so ist's mit dem Menschen auch.

Habt ihr nun einen Platz im Rangregister,

Und nicht den schlechtsten in der Mannheit, sprecht;

Und solches Werk vertrau' ich eurem Busen,

Dessen Vollstreckung euren Feind entrafft,

Herzinnig fest an unsre Lieb' euch schmiedet,

Da unser Wohlsein kränkelt, weil er lebt,

Das nur in seinem Tod gesundet.

ZWEITER MÖRDER.

Herr,

Mit hartem Stoß und Schlag hat mich die Welt

So aufgereizt, daß mich's nicht kümmert, was

Der Welt zum Trotz ich tu'.

ERSTER MÖRDER.

Und ich bin einer,

So matt von Elend, so zerzaust vom Unglück,

Daß ich mein Leben setz' auf jeden Wurf,

Es zu verbessern oder los zu werden.

MACBETH.

Ihr wißt es beide, Banquo war eu'r Feind.

ZWEITER MÖRDER.

Gewiß, mein Fürst.

MACBETH.

So ist er meiner auch,

Und in so blut'ger Näh', daß jeder Pulsschlag

Von ihm nach meinem Herzensleben zielt.

Und obgleich meine Macht mit offnem Antlitz

Ihn löschen könnt' aus meinem Blick und frei[640]

Mein Wort die Tat gestehn: doch darf ich's nicht,

Um manchen, der mir Freund ist so wie ihm,

Des Lieb' ich nicht kann missen; seinen Fall

Muß ich beklagen, den ich selbst erschlug:

Und darum sprech' ich euch um Beistand an,

Dem Pöbelauge das Geschäft verlarvend

Aus manchen wichtigen Gründen.

ZWEITER MÖRDER.

Wir vollziehn,

Was Ihr befehlt.

ERSTER MÖRDER.

Wenn unser Leben auch –

MACBETH.

Aus euren Augen leuchtet euer Mut.

In dieser Stunde spät'stens meld' ich euch,

Wo ihr euch stellt; bericht' euch aufs genau'ste

Den Augenblick; denn heut nacht muß es sein;

Und etwas ab vom Schloß: stets dran gedacht,

Daß ich muß rein erscheinen! Und mit ihm,

Um nichts nur halb und obenhin zu tun,

Muß Fleance, sein Sohn, der ihm Gesellschaft leistet,

Des Wegtun mir nicht minder wichtig ist

Als seines Vaters, das Geschick mit ihm

Der dunkeln Stunde teilen.

Entschließt euch nun für euch; gleich komm' ich wieder.

ZWEITER MÖRDER.

Wir sind entschlossen, Herr.

MACBETH.

So ruf' ich euch

Alsbald; verweilt da drin! Es ist entschieden:

Denkst, Banquo, du, den Himmel zu gewinnen,

Muß deine Seel' heut nacht den Flug beginnen.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 637-641.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
Lektürehilfen William Shakespeare
Macbeth
Macbeth: Zweisprachige Ausgabe
Die Tragödie des Macbeth (insel taschenbuch)
Macbeth. Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon