[617] Inverneß. Zimmer in Macbeths Schloß.
Lady Macbeth tritt auf mit einem Brief.
LADY MACBETH liest. »Sie begegneten mir am Tage des Sieges; und ich erfuhr aus den sichersten Proben, daß sie mehr als menschliches Wissen besitzen. Als ich vor Verlangen brannte, sie weiter zu befragen, verschwanden sie und zerflossen in Luft. Indem ich noch, von Erstaunen betäubt, da stand, kamen die Abgesandten des Königs, die mich als Than von Cawdor begrüßten; mit welchem Titel mich kurz vorher diese Zauberschwestern angeredet und mich durch den Gruß: ›Heil dir, dem künft'gen König!‹ auf die Zukunft verwiesen hatten. Ich habe es für gut gehalten, dir dies zu vertrauen, meine geliebteste Teilnehmerin der Hoheit, auf daß dein Mitgenuß an der Freude dir nicht entzogen werde, wenn du nicht erfahren hättest, welche Hoheit dir verheißen ist. Leg' es an dein Herz und lebe wohl!«
Glamis bist du; und Cawdor; und sollst werden,
Was dir verheißen ward: – Doch fürcht' ich dein Gemüt;
Es ist zu voll von Milch der Menschenliebe,
Das Nächste zu erfassen. Groß möcht'st du sein,
Bist ohne Ehrgeiz nicht; doch fehlt die Bosheit,
Die ihn begleiten muß. Was recht du möchtest,
Das möcht'st du rechtlich; möchtest falsch nicht spielen,
Und unrecht doch gewinnen: möchtest gern
Das haben, großer Glamis, was dir zuruft:
»Dies mußt du tun, wenn du es haben willst!« –
Und was du mehr dich scheust zu tun, als daß
Du ungetan es wünschest. Eil' hieher,
Auf daß ich meinen Mut ins Ohr dir gieße,
Und alles weg mit tapfrer Zunge geißle,
Was von dem goldnen Zirkel dich zurückdrängt,
Womit Verhängnis dich und Zaubermacht
Im voraus schon gekrönt zu haben scheint. –
Ein Diener tritt auf.
Was gibt es Neues?[617]
DIENER.
Noch vor Abend kommt
Hierher der König.
LADY MACBETH.
Tolle Rede sprichst du;
Ist nicht dein Herr bei ihm? der, wär' es so,
Der Anstalt wegen es gemeldet hätte.
DIENER.
Verzeiht; es ist doch wahr. Der Than kommt gleich,
Denn ein Kam'rad von mir ritt ihm voraus;
Fast tot von großer Eil', hatt' er kaum Atem,
Die Botschaft zu bestellen.
LADY MACBETH.
Sorgt für ihn,
Er bringt uns große Zeitung.
Der Diener geht ab.
Selbst der Rab' ist heiser,
Der Duncans schicksalsvollen Eingang krächzt
Unter mein Dach. – Kommt, Geister, die ihr lauscht
Auf Mordgedanken, und entweibt mich hier;
Füllt mich von Wirbel bis zur Zeh', randvoll,
Mit wilder Grausamkeit! Verdickt mein Blut;
Sperrt jeden Weg und Eingang dem Erbarmen,
Daß kein anklopfend Mahnen der Natur
Den grimmen Vorsatz lähmt; noch friedlich hemmt
Vom Mord die Hand! Kommt an die Weibesbrust,
Trinkt Galle statt der Milch, ihr Morddämonen,
Wo ihr auch harrt in unsichtbarer Kraft
Auf Unheil der Natur! Komm, schwarze Nacht,
Umwölk' dich mit dem dicksten Dampf der Hölle,
Daß nicht mein scharfes Messer sieht die Wunde,
Die es geschlagen; noch der Himmel,
Durchschauend aus des Dunkels Vorhang, rufe:
Halt! Halt!
Macbeth tritt auf.
O großer Glamis, edler Cawdor!
Größer als beides durch das künft'ge Heil!
Dein Brief hat über das armsel'ge Heut
Mich weit verzückt, und ich empfinde nun
Das Künftige im Jetzt.
MACBETH.
Mein teures Leben,
Duncan kommt heut noch.[618]
LADY MACBETH.
Und wann geht er wieder?
MACBETH.
Morgen, so denkt er –
LADY MACBETH.
Oh, nie soll die Sonne
Den Morgen sehn! Dein Angesicht, mein Than,
Ist wie ein Buch, wo wunderbare Dinge
Geschrieben stehen. – Die Zeit zu täuschen scheine
So wie die Zeit; den Willkomm trag' im Auge,
In Zung' und Hand; blick' harmlos wie die Blume,
Doch sei die Schlange drunter! Wohl versorgt
Muß der sein, der uns naht; und meiner Hand
Vertrau', das große Werk der Nacht zu enden,
Daß alle künft'gen Tag' und Nächt' uns lohne
Allein'ge Königsmacht und Herrscherkrone!
MACBETH.
Wir sprechen noch davon.
LADY MACBETH.
Blick hell und licht;
Mißtraun erregt verändert Angesicht:
Laß alles andre mir!
Sie gehen ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
|
Buchempfehlung
Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.
110 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro