Siebente Szene

[620] Ebendaselbst, Schloßhof.


Hoboen und Fackeln. Ein Vorschneider und mehrere Diener mit Schüsseln gehn über die Bühne; dann kommt Macbeth.


MACBETH.

Wär's abgetan, so wie's getan ist, dann wär's gut,

Man tät' es eilig: – Wenn der Meuchelmord

Aussperren könnt' aus seinem Netz die Folgen[620]

Und nur Gelingen aus der Tiefe zöge:

Daß mit dem Stoß, einmal für immer, alles

Sich abgeschlossen hätte – hier, nur hier –

Auf dieser Schülerbank der Gegenwart –,

So setzt' ich weg mich übers künft'ge Leben. –

Doch immer wird bei solcher Tat uns schon

Vergeltung hier: daß, wie wir ihn gegeben,

Den blut'gen Unterricht, er, kaum gelernt,

Zurückschlägt, zu bestrafen den Erfinder.

Dies Recht, mit unabweislich fester Hand,

Setzt unsern selbstgemischten, gift'gen Kelch

An unsre eignen Lippen. –

Er kommt hieher, zweifach geschirmt: – Zuerst,

Weil ich sein Vetter bin und Untertan,

Beides hemmt stark die Tat; dann, ich – sein Wirt,

Der gegen seinen Mörder schließen müßte

Das Tor, nicht selbst das Messer führen. –

Dann hat auch dieser Duncan seine Würde

So mild getragen, blieb im großen Amt

So rein, daß seine Tugenden, wie Engel

Posaunenzüngig, werden Rache schrein

Dem tiefen Höllengreuel seines Mords;

Die Mitleid, wie ein nacktes, neugebornes Kind,

Auf Sturmwind reitend, oder Himmels Cherubim,

Zu Roß auf unsichtbaren, luft'gen Rennern,

Blasen die Schreckenstat in jedes Auge,

Bis Tränenflut den Wind ertränkt. –

Ich habe keinen Stachel,

Die Seiten meines Wollens anzuspornen,

Als einzig Ehrgeiz, der, zum Aufschwung eilend,

Sich überspringt und jenseits niederfällt: –


Lady Macbeth tritt auf.


Wie nun, was gibt's?

LADY MACBETH.

Er hat fast abgespeist.

Warum hast du den Saal verlassen?

MACBETH.

Hat er

Nach mir gefragt?[621]

LADY MACBETH.

Weißt du nicht, daß er's tat?

MACBETH.

Wir woll'n nicht weiter gehn in dieser Sache;

Er hat mich jüngst belohnt, und goldne Achtung

Hab' ich von Leuten aller Art gekauft:

Die will getragen sein im neusten Glanz,

Und nicht so plötzlich weggeworfen.

LADY MACBETH.

War

Die Hoffnung trunken, worin du dich hülltest?

Schlief sie seitdem, und ist sie nun erwacht,

So bleich und krank das anzuschauen, was sie

So fröhlich tat? – Von jetzt an denk' ich

Von deiner Liebe so. Bist du zu feige,

Derselbe Mann zu sein in Tat und Mut,

Der du in Wünschen bist? Möcht'st du erlangen.

Was du den Schmuck des Lebens schätzen mußt,

Und Memme sein in deiner eignen Schätzung?

Muß dir »Ich fürchte« folgen dem »Ich möchte«,

Der armen Katz' im Sprichwort gleich?

MACBETH.

Sei ruhig!

Ich wage alles, was dem Menschen ziemt;

Wer mehr wagt, der ist keiner.

LADY MACBETH.

Welch ein Tier

Hieß dich von deinem Vorsatz mit mir reden?

Als du es wagtest, da warst du ein Mann;

Und mehr sein, als du warst, das machte dich

Nur um so mehr zum Mann. Nicht Zeit, nicht Ort

Traf damals zu, du wolltest beide machen:

Sie machen selbst sich, und ihr hurt'ger Dienst

Macht dich zu nichts. Ich hab' gesäugt und weiß,

Wie süß, das Kind zu lieben, das ich tränke;

Ich hätt', indem es mir entgegen lächelte,

Die Brust gerissen aus den weichen Kiefern

Und ihm den Kopf geschmettert an die Wand,

Hätt' ich's geschworen, wie du dieses schwurst.

MACBETH.

Wenn's uns mißlänge, –

LADY MACBETH.

Uns mißlingen! –

Schraub' deinen Mut nur bis zum Punkt des Halts,

Und es mißlingt uns nicht. Wenn Duncan schläft,[622]

Wozu so mehr des Tages starke Reise

Ihn einlädt, – seine beiden Kämmerlinge

Will ich mit würz'gem Weine so betäuben,

Daß des Gehirnes Wächter, das Gedächtnis,

Ein Dunst sein wird, und der Vernunft Behältnis

Ein Dampfhelm nur: – Wenn nun im vieh'schen Schlaf

Ertränkt ihr Dasein liegt, so wie im Tode,

Was können du und ich dann nicht vollbringen

Am unbewachten Duncan? was nicht schieben

Auf die berauschten Diener, die die Schuld

Des großen Mordes trifft?

MACBETH.

Gebär' mir Söhne nur!

Aus deinem unbezwungnen Stoffe können

Nur Männer sprossen. Wird man es nicht glauben,

Wenn wir mit Blut die zwei Schlaftrunknen färben,

Die Kämmerling', und ihre Dolche brauchen,

Daß sie's getan?

LADY MACBETH.

Wer darf was anders glauben,

Wenn unsers Grames lauter Schrei ertönt

Bei seinem Tode?

MACBETH.

Ich bin fest; gespannt

Zu dieser Schreckenstat ist jeder Nerv.

Komm, täuschen wir mit heiterm Blick die Stunde:

Birg, falscher Schein, des falschen Herzens Kunde!


Sie gehen ab.[623]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 620-624.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
Lektürehilfen William Shakespeare
Macbeth
Macbeth: Zweisprachige Ausgabe
Die Tragödie des Macbeth (insel taschenbuch)
Macbeth. Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon