[670] Dunsinan, Zimmer im Schloß.
Es treten auf ein Arzt und eine Kammerfrau.
ARZT. Zwei Nächte habe ich nun mit Euch gewacht, aber keine Bestätigung Eurer Aussage gesehen. Wann ist sie zuletzt umher gewandelt?
KAMMERFRAU. Seitdem Seine Majestät in den Krieg zogen, habe ich gesehen, wie sie aus ihrem Bett aufstand, ihr Nachtgewand umwarf, ihren Schreibtisch aufschloß, Papier nahm, es zusammen legte, schrieb, das Geschriebene las, es versiegelte, und dann wieder zu Bett ging: und die ganze Zeit im tiefen Schlafe.
ARZT. Eine große Zerrüttung der Natur: die Wohltat des Schlafes genießen, und zugleich die Geschäfte des Wachens verrichten! – In dieser schlafenden Aufregung, außer dem Umherwandeln und anderm Tun, was, irgend einmal, habt Ihr sie sprechen hören?
KAMMERFRAU. Dinge, die ich ihr nicht nachsprechen werde.
ARZT. Mir könnt Ihr's vertrauen; und es ist notwendig, daß Ihr es tut.
KAMMERFRAU. Weder Euch noch irgend jemand, da ich kein Zeugen habe, meine Aussage zu bekräftigen.
Lady Macbeth kommt, eine Kerze in der Hand.
Seht, da kommt sie! So ist ihre Art und Weise! und, bei meinem Leben, fest im Schlaf! Beobachtet sie; steht ruhig!
ARZT. Wie kam sie zu dem Licht?
KAMMERFRAU. Das brennt neben ihrem Bett. Sie hat immer Licht: es ist ihr Befehl.[670]
ARZT. Seht, ihre Augen sind offen.
KAMMERFRAU. Ja, aber ihre Sinne geschlossen.
ARZT. Was macht sie nun? Schaut, wie sie sich die Hände reibt!
KAMMERFRAU. Das ist ihre gewöhnliche Gebärde, daß sie tut, als wüsche sie sich die Hände; ich habe wohl gesehen, daß sie es eine Viertelstunde hintereinander tat.
LADY MACBETH. Da ist noch ein Fleck.
ARZT. Horch, sie spricht! Ich will aufschreiben, was sie sagt, um hernach meine Erinnerung daraus zu ergänzen.
LADY MACBETH. Fort, verdammter Fleck! fort, sag' ich! – Eins, zwei! Nun, dann ist es Zeit, es zu tun. – Die Hölle ist finster! – Pfui, mein Gemahl, pfui! ein Soldat und furchtsam! Was haben wir zu fürchten, wer es weiß, da niemand unsre Gewalt zur Rechenschaft ziehen darf? – Aber wer hätte gedacht, daß der alte Mann noch so viel Blut in sich hätte?
ARZT. Hört Ihr wohl?
LADY MACBETH. Der Than von Fife hatte ein Weib: Wo ist sie nun? – Wie, wollen diese Hände denn nie rein werden? –Nichts mehr davon, mein Gemahl, nichts mehr davon: du verdirbst alles mit diesem Auffahren.
ARZT. Ei, ei! Ihr habt erfahren, was Ihr nicht solltet!
KAMMERFRAU. Gesprochen hat sie, was sie nicht sollte, das ist gewiß. Gott weiß, was sie erfahren hat.
LADY MACBETH. Noch immer riecht es hier nach Blut; alle Wohlgerüche Arabiens würden diese kleine Hand nicht wohlriechend machen. Oh! oh! oh!
ARZT. Was das für ein Seufzer war! Ihr Herz ist schmerzlich beladen.
KAMMERFRAU. Ich möchte nicht ein solches Herz im Busen tragen, nicht für den Königsschmuck des ganzen Leibes!
ARZT. Gut. gut! –
KAMMERFRAU. Gebe Gott, daß es gut sei!
ARZT. Diese Krankheit liegt außer dem Gebiete meiner Kunst; aber ich habe Menschen gekannt, die im Schlaf umher wandelten, und doch fromm in ihrem Bett starben.
LADY MACBETH. Wasch' deine Hände, leg' dein Nachtkleid an; sieh doch nicht so blaß aus! – Ich sage es dir noch einmal.[671]
Banquo ist begraben, er kann aus seiner Gruft nicht heraus kommen.
ARZT. Wirklich?
LADY MACBETH. Zu Bett, zu Bett! Es wird ans Tor geklopft. Komm, komm, komm, komm, gib mir die Hand! – Was geschehn ist, kann man nicht ungeschehn machen. – Zu Bett zu Bett, zu Bett! Sie geht ab.
ARZT. Geht sie nun zu Bett?
KAMMERFRAU. Unverzüglich.
ARZT.
Von Greueln flüstert man, – und Taten unnatürlich
Erzeugen unnatürliche Zerrüttung:
Die kranke Seele will ins taube Kissen
Entladen ihr Geheimnis. Sie bedarf
Des Beicht'gers mehr noch als des Arztes. – Gott,
Vergib uns allen! Seht nach ihr; entfernt,
Womit sie sich verletzen könnt', und habt
Ein Auge stets auf sie! – So, gute Nacht!
Der Anblick hat mir Schreck und Grau'n gemacht.
Ich denk', und darf nichts sagen.
KAMMERFRAU.
Nun, schlaft wohl!
Sie gehen ab.
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Macbeth
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