[624] Ebendaselbst, Schloßhof.
Es treten auf Banquo, Fleance, ein Diener mit einer Fackel voran.
BANQUO.
Wie spät, mein Sohn?
FLEANCE.
Der Mond ging unter, schlagen hört' ich's nicht.
BANQUO.
Um zwölf Uhr geht er unter.
FLEANCE.
's ist wohl später.
BANQUO.
Da, nimm mein Schwert. – 's ist Sparsamkeit im Himmel
Aus taten sie die Kerzen. – Nimm das auch!
Ein schwerer Schlaftrieb liegt wie Blei auf mir,
Und doch möcht' ich nicht schlafen. Gnäd'ge Mächte!
Hemmt in mir böses Denken, dem Natur
Im Schlummer Raum gibt! – Gib mein Schwert!
Macbeth tritt auf und ein Diener mit einer Fackel.
Wer da?
MACBETH.
Ein Freund.
BANQUO.
Wie, Herr, noch auf? Der König ist zu Bett.
Er war ausnehmend froh und sandte noch
All Euren Hausbedienten reiche Gaben;
Doch Eure Frau soll dieser Demant grüßen,
Als seine güt'ge Wirtin. Höchst zufrieden
Begab er sich zur Ruh'.
MACBETH.
Unvorbereitet,
Ward nur des Mangels Diener unser Wille,
Der sonst sich frei enthüllt.
BANQUO.
Alles war gut.
Mir träumte jüngst von den drei Zauberschwestern:
Euch haben sie was Wahres doch gesagt.[624]
MACBETH.
Ich denke nicht an sie;
Doch ließe sich gelegne Stunde finden,
So sprächen wir wohl ein'ges in der Sache,
Gewährtet Ihr die Zeit.
BANQUO.
Wie's Euch beliebt.
MACBETH.
Schließt Ihr Euch meinem Sinn an, – wenn es ist, –
Wird's Ehr' Euch bringen.
BANQUO.
Büß' ich sie nicht ein,
Indem ich sie zu mehren streb', und bleibt
Mein Busen frei und meine Lehnspflicht rein,
Gern nehm' ich Rat an.
MACBETH.
Gute Nacht indes!
BANQUO.
Dank, Herr, Euch ebenfalls!
Banquo, Fleance und Diener ab.
MACBETH.
Sag deiner Herrin, wenn mein Trank bereit,
Soll sie die Glocke ziehn. Geh du zu Bett.
Der Diener geht ab.
Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke,
Der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen –
Ich fass' dich nicht, und doch seh' ich dich immer.
Bist du, Unglücksgebild, so fühlbar nicht
Der Hand, gleich wie dem Aug'? oder bist du nur
Ein Dolch der Einbildung, ein nichtig Blendwerk,
Das aus dem heiß gequälten Hirn erwächst?
Ich seh' dich noch, so greifbar von Gestalt
Wie der, den jetzt ich zücke.
Du gehst mir vor den Weg, den ich will schreiten,
Und eben solche Waffe wollt' ich brauchen.
Mein Auge ward der Narr der andern Sinne,
Oder mehr als alle wert. – Ich seh' dich stets,
Und dir an Griff und Klinge Tropfen Bluts,
Was erst nicht war. – Es ist nicht wirklich da:
Es ist die blut'ge Arbeit, die mein Auge
So in die Lehre nimmt. – Jetzt auf der halben Erde
Scheint tot Natur, und den verhangnen Schlaf
Quälen Versucherträume; Hexenkunst
Begeht den Dienst der bleichen Hekate;[625]
Und dürrer Mord,
Durch seine Schildwacht aufgeschreckt, den Wolf,
Der ihm das Wachtwort heult, – so dieb'schen Schrittes,
Wie wild entbrannt Tarquin, dem Ziel entgegen,
Schreitet gespenstisch. –
Du festgefugte Erde, leicht verwundbar,
Hör' meine Schritte nicht, wo sie auch wandeln,
Daß nicht ausschwatzen selber deine Steine
Mein Wohinaus und von der Stunde nehmen
Den jetz'gen stummen Graus, der so ihr ziemt. –
Hier droh' ich, er lebt dort;
Für heiße Tat zu kalt das müß'ge Wort!
Die Glocke wird angeschlagen.
Ich geh', und 's ist getan: die Glocke mahnt.
Hör' sie nicht, Duncan, 's ist ein Grabgeläut',
Das dich zu Himmel oder Höll' entbeut.
Er steigt hinauf.
Lady Macbeth tritt unten auf.
LADY MACBETH.
Was sie betäubte, hat mich stark gemacht,
Und was sie dämpft', hat mich entflammt. – Still, horch! –
Die Eule war's, die schrie, der traur'ge Wächter,
Der gräßlich gute Nacht wünscht. – Er ist dran: –
Die Türen sind geöffnet, schnarchend spotten
Die überladnen Diener ihres Amts;
Ich würzte ihren Schlaftrunk, daß Natur
Und Tod sich streiten, wem sie angehören.
MACBETH der oben erscheint.
Ha! wie? wer ist da?
Er geht wieder hinein.
LADY MACBETH.
O weh! ich fürchte, sie sind aufgewacht,
Und es ist nicht geschehn: – der Anschlag, nicht die Tat
Verdirbt uns. – Horch! – Ich legt' ihm ihre Dolche
Bereit, die mußt' er finden. – Hätt' er nicht
Geglichen meinem Vater, wie er schlief,
So hätt' ich's selbst getan. –
Macbeth tritt auf.
Nun, mein Gemahl![626]
MACBETH.
Ich hab' die Tat getan – hört'st du nicht was?
LADY MACBETH.
Die Eule hört' ich schrein, und Heimchen zirpen.
Sprachst du nichts?
MACBETH.
Wann?
LADY MACBETH.
Jetzt.
MACBETH.
Wie ich 'runter kam?
LADY MACBETH.
Ja.
MACBETH.
Horch! wer schläft im zweiten Zimmer?
LADY MACBETH.
Donalbain.
MACBETH.
Dort sieht's erbärmlich aus.
LADY MACBETH.
Wie wunderlich,
Erbärmlich das zu nennen! –
MACBETH.
Der eine lacht' im Schlaf – und »Mord!« schrie einer,
Daß sie einander weckten; ich stand und hört' es,
Sie aber sprachen ihr Gebet und legten
Zum Schlaf sich wieder.
LADY MACBETH.
Dort wohnen zwei beisammen.
MACBETH.
Der schrie, »Gott sei uns gnädig!« – jener, »Amen«!
Als säh'n sie mich mit diesen Henkershänden.
Behorchend ihre Angst, konnt' ich nicht sagen
»Amen«, als jener sprach: »Gott sei uns gnädig!«
LADY MACBETH.
Denkt nicht so tief darüber!
MACBETH.
Doch warum
Konnt' ich nicht »Amen« sprechen? War mir doch
Die Gnad' am meisten not, und »Amen« stockte
Mir in der Kehle.
LADY MACBETH.
Dieser Taten muß
Man so nicht denken; so macht es uns toll.
MACBETH.
Mir war, als rief es: »Schlaft nicht mehr! Macbeth
Mordet den Schlaf!« Ihn, den unschuld'gen Schlaf;
Schlaf, der des Grams verworr'n Gespinst entwirrt,
Den Tod von jedem Lebenstag, das Bad
Der wunden Müh', den Balsam kranker Seelen,
Den zweiten Gang im Gastmahl der Natur,
Das nährendste Gericht beim Fest des Lebens.
LADY MACBETH.
Was meinst du?[627]
MACBETH.
Stets rief es: »Schlaft nicht mehr!« durchs ganze Haus;
»Clamis mordet den Schlaf!« und drum wird Cawdor
Nicht schlafen mehr, Macbeth nicht schlafen mehr.
LADY MACBETH.
Wer war es, der so rief? Mein würd'ger Than,
Du läßt den edeln Mut erschlaffen, denkst du
So hirnkrank drüber nach. Nimm etwas Wasser,
Und wasch' von deiner Hand das garst'ge Zeugnis! –
Was brachtest du die Dolche mit herunter?
Dort liegen müssen sie; geh, bring' sie hin,
Und färb' mit Blut die Kämm'rer, wie sie schlafen.
MACBETH.
Ich gehe nicht mehr hin, ich bin entsetzt,
Denk' ich, was ich getan: es wieder schaun –
Ich wag' es nicht!
LADY MACBETH.
O schwache Willenskraft!
Gib mir die Dolche! Schlafende und Tote
Sind Bilder nur; der Kindheit Aug' allein
Scheut den gemalten Teufel. Wenn er blutet,
Färb' ich damit der Diener Kleider rot;
So tragen sie des Mords Livrei.
Sie geht ab.
Man hört klopfen.
MACBETH.
Woher das Klopfen?
Wie ist's mit mir, daß jeder Ton mich schreckt?
Was sind das hier für Hände? Ha, sie reißen
Mir meine Augen aus! –
Kann wohl des großen Meergotts Ozean
Dies Blut von meiner Hand rein waschen? Nein;
Weit eh'r kann diese meine Hand mit Purpur
Die unermeßlichen Gewässer färben
Und Grün in Rot verwandeln. –
Lady Macbeth kommt zurück.
LADY MACBETH.
Meine Hände
Sind blutig, wie die deinen; doch ich schäme
Mich, daß mein Herz so weiß ist.
Es wird geklopft.[628]
Klopfen hör' ich
Am Südtor: – Eilen wir in unsre Kammer;
Ein wenig Wasser reint uns von der Tat,
Wie leicht dann ist sie! Deine Festigkeit
Verließ dich ganz und gar.
Es wird geklopft.
Horch, wieder Klopfen.
Tu' an dein Nachtkleid; müssen wir uns zeigen,
Daß man nicht sieht, wir wachten! – Verlier' dich nicht
So ärmlich in Gedanken!
MACBETH.
Meine Tat
Zu wissen! – besser von mir selbst nichts wissen!
Klopf Duncan aus dem Schlaf! O könntest du's! –
Sie gehn ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
|
Buchempfehlung
Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht
282 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro