[396] Straße.
Es treten auf Othello, Jago und Gefolge.
JAGO.
Im Kriegeshandwerk schlug ich manchen tot;
Doch halt' ich's für Gewissenssach' und Sünde,
Mit Absicht morden; traun, mir fehlt's an Bosheit,
Und oft zu meinem Schaden, Zwanzigmal
Dacht' ich, ihm mit 'nem Rippenstoß zu dienen!
OTHELLO.
's ist besser so.[396]
JAGO.
Doch schwatzt' er solches Zeug,
Und sprach so schnöd', und gegen Eure Ehre
So lästerlich,
Daß all mein bißchen Frömmigkeit mich kaum
Im Zügel hielt. Doch sagt mir, werter Herr,
Seid Ihr auch recht vermählt? Denn glaubt mir nur,
Gar sehr beliebt ist der Magnifico,
Und hat was durchzusetzen kräft'ge Stimme,
Vollwichtig wie der Fürst. Er wird Euch scheiden,
Zum mind'sten häuft er Hemmung und Verdruß,
Wie nur das Recht, durch seine Macht geschärft,
Ihm Spielraum gibt.
OTHELLO.
Er mag sein Ärgstes tun:
Der Dienst, den ich geleistet dem Senat,
Schreit seine Klage nieder. Kund soll werden
– Was, wenn mir kund, daß Prahlen Ehre bringt,
Ich offenbaren will –, daß ich entsproß
Aus königlichem Stamm, und mein Gestirn
Darf ohne Scheu so stolzes Glück ansprechen
Als dies, das ich erreicht. Denn wisse, Jago,
Liebt' ich die holde Desdemona nicht,
Nie zwäng' ich meinen sorglos freien Stand
In Band' und Schranken ein, nicht um die Schätze
Der tiefen See. Doch sieh! Was dort für Lichter?
Cassio kommt mit Gefolge.
JAGO.
Der zorn'ge Vater ist es mit den Freunden –
Geht doch hinein!
OTHELLO.
Ich nicht! man soll mich finden:
Mein Stand und Rang und meine feste Seele,
Laut soll'n sie für mich zeugen! Sind es jene?
JAGO.
Beim Janus, nein! –
OTHELLO.
Des Herzogs Diener sind es und mein Leutnant. –
– Sei euch die Nacht gedeihlich, meine Freunde!
Was gibt's? –
CASSIO.
Der Herzog grüßt Euch, General,
Und fordert, daß Ihr schnell, blitzschnell erscheint
Im Augenblick.[397]
OTHELLO.
Was, meint Ihr, ist im Werk? –
CASSIO.
Etwas aus Cypern, wenn ich recht vermute;
's ist ein Geschäft von heißer Eil': die Flotte
Verschickt' ein Dutzend Boten nach einander
Noch diesen Abend, die gedrängt sich folgten.
Viel Herrn vom Rat, geweckt und schon versammelt,
Sind jetzt beim Herzog; eifrig sucht man Euch,
Und da man Euch verfehlt in Eurer Wohnung,
Hat der Senat drei Haufen ausgesandt,
Euch zu erspähn.
OTHELLO.
's ist gut, daß Ihr mich fandet.
Ein Wort nur lass' ich hier zurück im Hause,
Und folg' Euch nach.
Geht ab
CASSIO.
Fähndrich, was schafft' er hier? –
JAGO.
Nun, eine Landgaleere nahm er heut:
Er macht sein Glück, wenn's gute Prise wird.
CASSIO.
Wie meint Ihr das? –
JAGO.
Er ist vermählt.
CASSIO.
Mit wem? –
Othello kommt zurück.
JAGO.
Ei nun, mit – kommt Ihr, mein General? –
OTHELLO.
Ich bin bereit.
CASSIO.
Hier naht ein andrer Trupp, Euch aufzusuchen.
Brabantio, Rodrigo und Bewaffnete treten auf.
JAGO.
Es ist Brabantio – faßt Euch, General! –
Er sinnt auf Böses!
OTHELLO.
Holla! Stellt Euch hier! –
RODRIGO.
Signor, es ist der Mohr!
BRABANTIO.
Dieb! Schlagt ihn nieder! –
Von beiden Seiten werden die Schwerter gezogen.
JAGO.
Rodrigo, Ihr? Kommt, Herr! Ich bin für Euch.
OTHELLO.
Die blanken Schwerter fort! Sie möchten rosten. –
Das Alter hilft Euch besser, guter Herr,
Als Euer Degen.
BRABANTIO.
O schnöder Dieb! Was ward aus meiner Tochter?
Du hast, verdammter Frevler, sie bezaubert;[398]
Denn alles, was Vernunft hegt, will ich fragen,
Wenn nicht ein magisch Band sie hält gefangen,
Ob eine Jungfrau, zart und schön und glücklich,
So abhold der Vermählung, daß sie floh
Den reichen Jünglingsadel unsrer Stadt –
Ob sie, ein allgemein Gespött zu werden,
Häuslichem Glück entfloh an solches Unholds
Pechschwarze Brust, die Grau'n, nicht Lust erregt?
Die Welt soll richten, ob's nicht sonnenklar,
Daß du mit Höllenkunst auf sie gewirkt,
Mit Gift und Trank verlockt ihr zartes Alter,
Den Sinn zu schwächen: – untersuchen soll man's;
Denn glaubhaft ist's, handgreiflich dem Gedanken.
Drum nehm' ich dich in Haft und zeihe dich
Als einen Volksbetörer, einen Zaubrer,
Der unerlaubte, böse Künste treibt. –
Legt Hand an ihn, und setzt er sich zur Wehr,
Zwingt ihn, und gölt's sein Leben!
OTHELLO.
Steht zurück,
Ihr, die für mich Partei nehmt, und ihr andern! –
War Fechten meine Rolle, nun, die wußt' ich
Auch ohne Stichwort. – Wohin soll ich folgen
Und Eurer Klage stehn?
BRABANTIO.
In Haft; bis Zeit und Form
Im Lauf des graden Rechtsverhörs dich ruft
Zur Antwort.
OTHELLO.
Wie denn nun, wenn ich gehorchte? –
Wie käme das dem Herzog wohl erwünscht,
Des Boten hier an meiner Seite stehn,
Mich wegen dringenden Geschäfts im Staat
Vor ihn zu führen?
GERICHTSDIENER.
So ist's, ehrwürd'ger Herr:
Der Herzog sitzt zu Rat, und Euer Gnaden
Ward sicher auch bestellt.
BRABANTIO.
Im Rat der Herzog?
Jetzt um die Mitternacht? – Führt ihn dahin;
Nicht schlecht ist mein Gesuch. Der Herzog selbst,
Und jeglicher von meinen Amtsgenossen,[399]
Muß fühlen meine Kränkung wie sein eigen:
Denn läßt man solche Untat straflos schalten,
Wird Heid' und Sklav' bei uns als Herrscher walten.
Sie gehen ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Othello
|
Buchempfehlung
Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.
48 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro