[102] Ein Saal in Capulets Hause.
Musikanten. Bediente kommen.
ERSTER BEDIENTE. Wo ist Schmorpfanne, daß er nicht abräumen hilft? Daß dich! mit seinem Tellermausen, seinem Tellerlecken!
ZWEITER BEDIENTE. Wenn die gute Lebensart in eines odei zweier Menschen Händen sein soll, die noch obendrein ungewaschen sind, – 's ist ein unsaubrer Handel.
ERSTER BEDIENTE. Die Lehnstühle fort! Rückt den Schenktisch beiseit! Seht nach dem Silberzeuge! Kamerad, heb mir ein Stück Marzipan auf, und wo du mich lieb hast, sag dem Pförtner, daß er Suse Mühlstein und Lene hereinläßt. Anton! Schmorpfanne!
Andre Bediente kommen.
BEDIENTE. Hier, Bursch, wir sind parat.
ERSTER BEDIENTE. Im großen Saale verlangt man euch, vermißt man euch, sucht man euch.
BEDIENTE. Wir können nicht zugleich hier und dort sein. – Lustig, Kerle! Haltet euch brav; wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel.
Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück.
Capulet u.s.w. mit den Gästen und Masken.[102]
CAPULET.
Willkommen, meine Herren! Wenn eure Füße
Kein Leichdorn plagt, ihr Damen, flink ans Werk!
He, he, ihr schönen Frau'n! Wer von euch allen
Schlägt's nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine, – die,
Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun,
Hab' ich's euch nahgelegt? Ihr Herrn, willkommen!
Ich weiß die Zeit, da ich 'ne Larve trug
Und einer Schönen eine Weis' ins Ohr
Zu flüstern wußte, die ihr wohlgefiel.
Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren!
Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz!
Ihr Mädchen, frisch gesprungen!
Musik und Tanz. Zu den Bedienten.
Mehr Licht, ihr Schurken, und beiseit' die Tische!
Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß. –
Ha, recht gelegen kömmt der unverhoffte Spaß.
Na, setzt Euch, setzt Euch, Vetter Capulet!
Wir beide sind ja übers Tanzen hin.
Wie lang' ist's jetzo, seit wir uns zuletzt
In Larven steckten?
ZWEITER CAPULET.
Dreißig Jahr, mein' Seel'.
CAPULET.
Wie, Schatz? So lang' noch nicht, so lang' noch nicht!
Denn seit der Hochzeit des Lucentio
Ist's etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald
Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir.
ZWEITER CAPULET.
's ist mehr, 's ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr:
Sein Sohn ist dreißig.
CAPULET.
Sagt mir das doch nicht!
Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren.
ROMEO zu einem Bedienten aus seinem Gefolge.
Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter
Mit ihrer Hand beehrt?
DER BEDIENTE.
Ich weiß nicht, Herr.
ROMEO.
Oh, sie nur lehrt den Kerzen, hell zu glühn!
Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,
So hängt der Holden Schönheit an den Wangen[103]
Der Nacht: zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen!
Sie stellt sich unter den Gespielen dar
Als weiße Taub' in einer Krähenschar.
Schließt sich der Tanz, so nah' ich ihr: ein Drücken
Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.
Liebt' ich wohl je? Nein, schwör' es ab, Gesicht!
Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.
TYBALT.
Nach seiner Stimm' ist dies ein Montague.
Zu einem Bedienten.
Hol' meinen Degen, Bursch! –Was? wagt der Schurk',
Vermummt in eine Fratze herzukommen,
Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?
Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel!
Wer tot ihn schlüg', verdiente keinen Tadel!
CAPULET.
Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?
TYBALT.
Seht, Oheim! der da ist ein Montague.
Der Schurke drängt sich unter Eure Gäste
Und macht sich einen Spott an diesem Feste.
CAPULET.
Ist es der junge Romeo?
TYBALT.
Der Schurke Romeo.
CAPULET.
Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn!
Er hält sich wie ein wackrer Edelmann:
Und in der Tat, Verona preiset ihn
Als einen sitt'gen, tugendsamen Jüngling.
Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt
In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun.
Drum seid geduldig: merket nicht auf ihn!
Das ist mein Will', und wenn du diesen ehrst,
So zeig' dich freundlich, streif' die Runzeln weg,
Die übel sich bei einem Feste ziemen!
TYBALT.
Kömmt solch ein Schurk' als Gast, so stehn sie wohl.
Ich leid' ihn nicht.
CAPULET.
Er soll gelitten werden,
Er soll! – Herr Junge, hört er das? Nur zu!
Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu!
So? will er ihn nicht leiden! – Helf' mir Gott! –
Will Hader unter meinen Gästen stiften?
Den Hahn im Korbe spielen? Seht mir doch![104]
TYBALT.
Ist's nicht 'ne Schande, Oheim?
CAPULET.
Zu! Nur zu!
Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!
Der Streich mag Euch gereun: ich weiß schon was.
Ihr macht mir's bunt! Traun, das käm' eben recht! –
Brav, Herzenskinder! – Geht, Ihr seid ein Hase!
Seid ruhig, sonst – Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck! –
Will ich zur Ruh' Euch bringen! – Lustig, Kinder!
TYBALT.
Mir kämpft Geduld aus Zwang mit will'ger Wut
Im Innern und empört mein siedend Blut.
Ich gehe: doch so frech sich aufzudringen,
Was Lust ihm macht, soll bittern Lohn ihm bringen.
Geht ab.
ROMEO tritt zu Julien.
Entweihet meine Hand verwegen dich,
O Heil'genbild, so will ich's lieblich büßen.
Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich,
Den herben Druck im Kusse zu versüßen.
JULIA.
Nein, Pilger, lege nichts der Hand zu schulden
Für ihren sittsam-andachtsvollen Gruß.
Der Heil'gen Rechte darf Berührung dulden,
Und Hand in Hand ist frommer Waller Kuß.
ROMEO.
Hat nicht der Heil'ge Lippen wie der Waller?
JULIA.
Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.
ROMEO.
Oh, so vergönne, teure Heil'ge, nun,
Daß auch die Lippen wie die Hände tun.
Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre,
Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre!
JULIA.
Du weißt, ein Heil'ger pflegt sich nicht zu regen,
Auch wenn er eine Bitte zugesteht.
ROMEO.
So reg' dich, Holde, nicht, wie Heil'ge pflegen,
Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.
Er küßt sie.
Nun hat dein Mund ihn aller Sünd' entbunden.
JULIA.
So hat mein Mund zum Lohn sie für die Gunst?
ROMEO.
Zum Lohn die Sünd'? O Vorwurf, süß erfunden!
Gebt sie zurück!
Küßt sie wieder.
JULIA.
Ihr küßt recht nach der Kunst.
WÄRTERIN.
Mama will Euch ein Wörtchen sagen, Fräulein.
ROMEO.
Wer ist des Fräuleins Mutter?
WÄRTERIN.
Ei nun, Junker,[105]
Das ist die gnäd'ge Frau vom Hause hier,
Gar eine wackre Frau, und klug und ehrsam.
Die Tochter, die Ihr spracht, hab' ich gesäugt.
Ich sag' Euch, wer sie habhaft werden kann,
Ist wohl gebettet.
ROMEO.
Sie ein' Capulet! O teurer Preis! mein Leben
Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben.
BENVOLIO.
Fort! Laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin.
ROMEO.
Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.
CAPULET.
Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht!
Ein kleines, schlechtes Mahl ist schon bereitet. –
Muß es denn sein? – Nun wohl, ich dank' euch allen;
Ich dank' euch, edle Herren! Gute Nacht!
Mehr Fackeln her! – Kommt nun, bringt mich zu Bett!
(Wahrhaftig, es wird spät; ich will zur Ruh'.)
Alle ab, außer Julia und die Wärterin.
JULIA.
Komm zu mir, Amme: wer ist dort der Herr?
WÄRTERIN.
Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.
JULIA.
Wer ist's, der eben aus der Türe geht?
WÄRTERIN.
Das, denk' ich, ist der junge Marcellin.
JULIA.
Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?
WÄRTERIN.
Ich weiß nicht.
JULIA.
Geh, frage, wie er heißt. – Ist er vermählt,
So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.
WÄRTERIN kommt zurück.
Sein Nam ist Romeo, ein Montague,
Und Eures großen Feindes ein'ger Sohn.
JULIA.
So ein'ge Lieb' aus großem Haß entbrannt!
Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt.
Oh, Wunderwerk! ich fühle mich getrieben,
Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben.
WÄRTERIN.
Wieso? wieso?
JULIA.
Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer
Soeben lernte.
Man ruft drinnen: »Julia!«
WÄRTERIN.
Gleich! wir kommen ja.
Kommt, laßt uns gehn; kein Fremder ist mehr da.
Ab.[106]
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