Anhang.

[106] So eben, da die Vorrede längst geschrieben und das Puppenspiel schon großentheils gesetzt war, erhalte ich durch die Güte meines Hrn. Verlegers eine Abschrift des Geißelbrecht'schen Manuscripts. Wie schon nach dem Berichte des Hrn. Von der Hagen eine schriftliche Mittheilung des Dr. Kloß in Frankfurt a. M. an des Herrn von Nagler Excellenz die genaue Uebereinstimmung des Abdrucks mit dem sonst dort von dem Puppenspieler Geißelbrecht aufgeführten Dr. Faust bezeugt hatte, so war dieser Abschrift folgende Beglaubigung beigeschrieben:


»Mechanicus Geißelbrecht von Wien.


Ich habe dieses Stück von ihm aufführen sehen um 1800. Zum letztenmale führte er es um 1817 zu Frankfurt auf.


26. Mai 1840.

G. K.«


Schwerlich würde ich, wenn mir diese Abschrift früher zugekommen wäre, von Geißelbrecht's Faust mehr in den Text aufgenommen haben, als schon nach Von der Hagens Bericht geschehen war. Gleichwohl möchte es dem Leser willkommen sein, von seiner Beschaffenheit mehr zu erfahren. Ich laße daher eine kurze Skizze hier folgen, bei welcher ich besonders die Stellen hervorhebe, die mir noch einiges Verdienst zu haben scheinen.

Ich übergehe die ersten, von mir stark benutzten Scenen, da sie Von der Hagen wörtlich mitgetheilt hat. Als Casperle zuerst mit Wagner zusammenkommt, fragt Letzterer: Wer bist du? Wo kommst du her, oder wo willst du hin?


KASPER. B'rrr! frag mich nicht so viel auf einmal.

WAGNER. Wo bist du her?

KASPAR. Ja das weiß ich selber nicht!

WAGNER. Wer war denn dein Vater?[107]

KASPAR. Mein Vater! das war ein Mann.

WAGNER. Konnte er denn eine Profession?

KASPAR. Das versteht sich! er war, war, wart 'n bisgen! nun hab ich's doch wieder vergessen! es schneitert sich.

WAGNER. Nun, vielleicht ein Schneider?

KASPAR. A! was! es schneidert sich, a, a! –

WAGNER. Ein Belzschneider vieleicht?

KASPAR. Nichts da, kein Belzschneider

WAGNER. Oder ein Hoßenschneider.

KASPAR. Nichts Hoßenschneider, verste mich, es war halt so ein Mann er ging auf die Jahrmärkte und wenn er weiter nichts erwüschen konnte, so war er mit ein paar Schnupftücher verlieb.

WAGNER. Das ist ja entsetzlich, das nennt man einen Beutelschneider; Was war denn deine Mutter

KASPAR. Meine Mutter! die ist lebendiges Leibes, mit 10 Klafter Holz gen Himmel geflogen

WAGNER. Wie so, wie ist denn möglich?

KASPAR. Sieh! die Leute haben gesagt sie wäre eine Hexe gewesen, da wurde ein hoher Haufen Holz aufeinander gesetzt und meine Mutter oben drauf gebunden und das Holz unten angezunden und die Tamburs und Pfeiffer die machten a Lärmen, es war zum todtlachen.

WAGNER. Das ist ja unerhört; und dein Bruder?

KASPAR. Mein Bruder! das war ein komischer Kerl, wenn er des Morgens mit 2 Pferden ausfuhr, kam er des Abends mit 4 wider.

WAGNER. Das kommt ja immer schreklicher, und deine Schwester?

KASPAR. Meine Schwester, die ist in der Stadt und bügelt Manschetten, und verdiente etwas klein Geld, nach dem Trommelschlage.

WAGNER. Mit einem Wort, leben deine Eltern noch[108]

KASPAR. Ja die leben noch, sie sind aber gestorben.


Das hier gesperrt Gedruckte gehört zu den Stellen, die dem guten Mechanicus in seinen letzten Jahren Gewißensscrupel verursachten.

Das Folgende ist schwächer. Ich hebe nur aus, daß Kaspar für Famulus Hammelochs versteht, wie er auch weiterhin Wagnern nur Bruder Famulochs nennt. Bei dem Namen Wagner fällt ihm ein, daß er auch einmal bei einem Wagner in der Kost war, der ihm lauter Hobelspäne für Salat zu freßen gegeben. Als die Rede auf den Lohn kommt und Wagner ihm alle Quartal 25 Gulden verspricht, sagt Kaspar: wieviel Quartals haben wir denn des Tags? und als ihn Wagner bescheidet, daß das ganze Jahr nur vier Quartale habe, gesteht er, gemeint zu haben, wir hätten alle Tage ein Stücker 6 Quartal. Mit Wagner will er sich brüderlich vertragen und zwar wie folgt: Schau Bruder, du stehst früh auf, machst das Holz klein, legst das Feuer an, kochst den Kaffe, bringst ihn mir vors Bette, und ich helfe dir ihn brüderlich austrinken. Eh er sich die Arbeiten anweisen läßt, verlangt er auch hier noch Erquickung, denn sein Magen sei vor Hunger und Durst so durchsichtig wie eine alte Dorflaterne.

Im zweiten Aufzug beschwört zuerst Faust die Geister im Walde bei Donner und Blitz, und mit vielen hochtönenden Worten, von welchen ich nur die anführe, welche Geißelbrecht als bedenklich unterstrichen hat: Bei allem was euch heilig ist! Bei dem Namen, der die Vesten der Höllen gegründet hat. – Bei dem großen Siegel Salomonis! – Nur drei Geister erscheinen, Auerhahn, Krumpschnabel (nicht Vitzliputzli wie Von der Hagen berichtet) und Mefistofeles. Letzterer giebt vor, er könne Pluto nicht sogleich um Erlaubniss fragen, sich dem Faust auf 24 Jahre zu verpflichten, weil er vor der mitternächtigen Stunde nicht wieder vor seinem Fürsten erscheinen dürfe. Hierdurch namentlich werden aus den vier Acten fünfe. Statt des abique male spiritus, oder spiriti, womit Schütz die Geister entließ, lautet hier die Formel: hop hugo!

Als Faust abgetreten ist, kommt auch Kaspar in den Wald, seinen Herrn abzuholen, und tritt in den Kreiß, den er auch hier für[109] ein Schneidermaß hält. Unter Donner und Blitz erscheinen die Geister und verlangen, er solle sich ihnen verschreiben. Kaspars erste Entgegnung ist: Wenn ich mich verschreibe, so kratz ichs wieder aus und schreibs anders. Als er hernach einwendet, er könne gar nicht schreiben, erbieten sich die Teufel, ihm die Hand zu führen, was er ablehnt, weil er fürchte, sie möchten ihm die Manschetten schmutzig machen. Die Geister wollen ihn aber nicht aus dem Kreiße laßen, bis er sich ihnen verschrieben hat.


KASPAR. So! so! nun so bleibe ich bis morgen da stehen.

TEUFEL. So bleiben wir auch so lange da stehen.

KASPAR. Nun, so setze ich mich nieder. Er setzt sich.

TEUFEL. So setzen wir uns auch nieder. Setzen sich.

KASPAR. Nun ja, da sitzt die ganze saubre Compagnie beisammen; was die Kerls für Spitzbuben Gesichter haben.

TEUFEL. Thue dich uns verschreiben.

KASPAR. Ich sag's euch Kerls, macht das ihr fort kommt, denn ich habe den Spaß genug zu gesehen

TEUFEL. Nein, wir bleiben hier so lange sitzen, bis du dich uns verschreibst

KASPAR. Nun so bleibt ihr so lange sitzen wie ihr wollt und ich stehe jetzt auf. Stehet auf.

TEUFEL. Da stehen wir auch auf. Stehen auf.

KASPAR. Da setz ich mich wieder nieder. Er setzt sich.

TEUFEL. Da setzen wir uns auch wieder nieder. Setzen sich.

KASPAR. Da steh ich wieder auf. Stehet auf.

TEUFEL. Da stehen wir auch auf. Stehen auf. u. s. w.


Zuletzt fällt dem Kaspar ein, daß er ja einmal bei einem Herrn gedient habe, der die Teufel beschwören konnte: »Und da las ich in einem Buche, da hieß es Parlicken, Parlocken friß brocken.« Hiervon macht er jetzt Gebrauch und schickt die Teufel mit »Parlico« heim. Kaspars Vorgeben, daß er bei einem frühern Herrn diese Worte in einem Buche gelesen habe, wird um so weniger Glauben finden, als er sie, wie wir sehen werden, im dritten Auftritt des folgenden Aufzugs vor unsern Augen erst in Fausts Buche liest, zum deutlichsten[110] Beweise wie hier Alles durcheinander geworfen und aus Rand und Band gekommen ist.

Als Kaspar aus dem Kreiße getreten ist, erscheinen die Teufel doch wieder und führen ihn die Luft. Er schreit: »Auwey laßt mich los ich bin von N. N.,« worauf er wieder herunter fällt. »Ei, das war gut,« sagt Kaspar, »daß ich mich darauf besann, denn in meinem Ort wohnen lauter Leineweber und mit denen woll'n sie nichts zu thun haben.« Das Ende dieses Acts, so wie des folgenden bezeichnen die Worte: »die certine gehet zu,« statt »der Vorhang fällt.«

Im dritten Aufzuge finden wir Faust vor einem Tische schlafen. Der Accord liegt geschrieben vor ihm. Ein Recitativ des eintretenden Mefistofeles weckt ihn. Er kündigt an, daß sein Fürst in die 24 jährige Dienstfrist gewilligt habe. Der Pact beginnt mit den Worten: Ich Johann Doctor Faust, Professor zu Wittemberg, mache mit Mefistofeles folgenden Accord. Nach der ersten Bedingung, ein Beutel, der nie leer wird, scheint die zweite, Auslieferung aller verborgenen Schätze, überflüßig. Die dritte und letzte geht auf beliebige Veränderung des Orts und erinnert an Fortunati Wünschhütlein, wie die erste an dessen Seckel. Als Mefistofeles dem Faust den Finger geritzt hat, sagt dieser: ich lese hier in einem Buche einige Worte, welche so heisen homo fugo, was bedeutet das? worauf Mefistofeles antwortet: »Ha! ha! Du willst ein Gelehrter sein und weißt das nicht; das daß Wort homo fugo so viel bedeutet, als fliehe! und wohin in die Arme deines treuen Dieners Mefistofeles. Als sich Faust unterschrieben hat, kommt ein Rabe und holt die Handschrift, worüber Faust heftig erschrickt. Aber Mefistofeles heißt ihn in sein Zimmer gehen, da werde er einen Mantelsack mit kostbaren Kleidern finden. Er solle sich drauf setzen und mit dem Worte hop hugo werde er in Parma sein, wo das Beilager des Fürsten Hector gefeiert werde. Nun folgt die schon erwähnte Scene, wo Kaspar in Fausts Buche blättert und findet, wenn man die Teufel beschwören wolle, müße man sagen parliko. Mefistofeles unterbricht ihn und meldet, sein Herr sei fort nach Parma; er habe ihm so viel Geld gegeben als er verlangt habe. O du liebes Kartoffels Gesicht,[111] sagt Kaspar, gib mir doch auch ein paar malter Laubthaler, ich kann sie auch brauchen. Obwohl sich ihm Kaspar dafür nicht verschreiben will, giebt er ihm doch ein Höllenpferd, »aber unter dem Beding, daß du die ganze Sache verschwiegen halten willst.


KASPAR. Darauf kannst du dich verlassen, ich bin so verschwiegen, wie ein Bund Stroh.

MEFISTOFELES. Nun so komm mit mir

KASPAR. Ja, ja! geh nur voraus, denn den Fremden gebühret die Ehre. Vor sich. Dem Kerl trau ich nicht quer übern Weg. Ab.«


Im vierten Aufzug, wo wir die Vorgänge unseres dritten am herzoglichen Hofe zu Parma erwarten, finden wir nichts von alledem. Statt dessen erscheint Wagner, von dem man nicht erfahren hat wie er hierher kommt, in einem vornehmen Zimmer, aber unzufrieden mit dem geräuschvollen Leben. Er bittet Faust um seine Demission, dieser weigert sie, aber Wagner erklärt, so werde er sie mit Gewalt nehmen. Er geht ab, nachdem er Faust ermahnt hat, an seine Seele zu denken, von der er einst Rechenschaft geben müße. Die höchst unverfängliche Stelle ist unterstrichen und zeugt von des Mechanicus alberner Scrupulosität. Faust wird nun auch nachdenklich und kündigt Mefistofeles auf. Dieser versucht es erst, ihn mit Geld zu beschwichtigen und als das nicht mehr verfängt, hofft er ihn mit einer Schönen zu blenden. Er bringt ihm Helenen, von der hier gesagt wird, Faust habe sie einst schon in Griechenland gesehen. Faust nimmt sie mit in sein Cabinet und somit ist die ganze sonst so wirksame »Versuchung zum Guten« abgethan. Wagner nimmt nun auch von Kaspar Abschied, und setzt auch ihm, dem das lustige Leben noch eben so wohl gefiel, einen Floh hinters Ohr. Er beschließt, sich um eine Nachtwächterstelle zu bewerben und ein rechtes dickes Mädel zu heiraten.

Im fünften Aufzug erscheint Faust in der Nacht auf der Straße und klagt, Alles habe ihn verlaßen in dieser öden Stunde, auch Helena habe sich von ihm entfernt. Auf seinen Ruf erscheint Mefistofeles in Furiengestalt. Auf Fausts Frage, wie er sich unterstehe, in dieser schrecklichen Gestalt zu erscheinen, erklärt er, es sei die nämliche,[112] in der ihn Faust vor 24 Jahren citiert habe. Ueber die 24 Jahre erschrickt Faust und meint, es sei ja kaum die Hälfte. »Du irrst, Faust, wenn die mitternächtliche Stunde 12 Uhr schlägt, ist unser Accord zu Ende.« Wie es damit zugehe, wird weiter nicht gesagt. Faust bittet, ihn nur noch Ein Jahr leben zu laßen, dann nur noch einen Monat, zuletzt nur noch einen Tag. Mefistofeles Antwort mag einen Begriff von den Alexandrinern des alten Puppenspiels geben:


MEFISTOFELES.

Ich darf nicht, du hast mich genug geplagt, Tag und Nacht,

Drum dencke wer in schwachen Witz, denkt also hoch zu steigen

Den wird der verwegne Fluch bald zur Erde beugen

Und wer in schwachen Witz, denkt allzuhoch zu stehn

Der muß also wie Du, gestürzt zu Grunde gehn


Ab.


Im nächsten Auftritt kommt Kaspar als Nachtwächter und singt ein Lied, das hier ganz stehen mag:


Alle meine Herren und laßt euch sagen

Unsere Glocke hat 10 Uhr geschlagen

Bewahrent euer Haus und Scheuer

Hütet es vor Dieb und Feuer.

Hat 10 Uhr geschlagen


Hört ihr Männer und laßt euch sagen

Wenn die Glocke wird 10 Uhr schlagen

Gebt auf euere Weiber acht

Das man euch nicht zum Schwager macht

Hat 11 Uhr geschlagen


Hört ihr Jungfern und laßt euch sagen

Wenn euch jemand sollte fragen

Ob ihr auch noch Jungfern seyt

Sagt nur, ja, es thut uns leid

Hat sehr viel geschlagen
[113]

Hört alle Junggesellen und laßt euch sagen

Wollt ihr euch zum Mädchen wagen

Geht nur sacht und gebet acht.

Das die Mutter nicht erwacht

Sonst setzt es pumpes, über pumpes


Hört alle Wittmänner und laßt euch sagen

Wenn ihrs noch einmal wollet wagen

Lobt die erste nicht so sehr

Sonst bekommt ihr keine mehr

Und seyt zu beklagen


Hört alle Wittweiber und laßt euch sagen

Ihr seyt am meisten zu beklagen

Weil ihr das entbehren müßt

Was ihr aus Erfahrung wüßt

Hat nichts mehr geschlagen.


Nun kommt Faust und bittet den Kaspar, den er noch für seinen Diener hält, ihm nach Hause zu leuchten. Der erklärt aber, er sei jetzt hochlöblicher Nachtwächter, und hier sei der Befehl »daß wenn sich jemand nach 10 Uhr auf der Straße blicken läßt, der muß ins Hundeloch marschieren: versteht ihr mich? he!« Aber Faust verspricht ihm eins seiner besten Kleider, wenn er ihm nach Hause leuchte. Kaspar bedankt sich recht schön, denn er fürchtet, der Teufel möchte glauben, wenn er den Rock an hätte, er wäre der Doctor Faust und könnte sich vergreifen u. s. w. Nun versucht es Faust zu beten. Das geht aber nicht mehr: da legt er sich aufs Fluchen. Die Glocke schlägt Dreiviertel.


MEFISTOFELES inwendig. Fauste preparato.

FAUST. Ich bin schon bereit, der Stab ist über mir gebrochen, ach und weh ist über mich gesprochen. Das ist mein verdienter Lohn! den ich bald empfind, weil ich mich zu solcher Frevelthat erkühnt.
[114]

Fünfter Auftritt.


Kaspar, Faust.


KASPAR.

Hört meine Herrn und laßt euch sagen

Die Glocke wird bald 12 Uhr schlagen

Bewahrt das Feuer und auch die Kohlen

Bald wird der Teufel den Doctor Faust holen


Erblickt ihn.


Aha! seyt ihr schon wieder da, herr Meister Faust, hab ich euch denn nicht gesagt, wenn ich die 11te Stunde ausrufen thu, und ihr seyt noch auf der Straße, so geht ihr mit mir in Preson, und ihr habt meinen Befehl übertreten, jezt also marsch mit euch ins Hundeloch herein, versteht ihr mich? He!

FAUST. Ach Kasper verlasse den schreklichen Ort, wo meiner die größte Strafe erwartet, bald werde ich das Leben enden gehe und siehe nicht zu dem schrecklichen Ende, dem ich bald entgegen gehe.

KASPAR. Also ist es doch wahr, was die Leute sagen, daß euch der Teufel bald holen wird? nun so wünsche ich euch glückliche Reise durch die Luft. Ab.


Die Glocke schlägt 12 Uhr.


MEFISTOFELES inwendig. Fauste alternum! et condemnadum est.


Immer wärent Donner und Blitz


FAUST. Ich bin gerichtet, die Stunde hat geschlagen, der Teufel thut nach meiner Seele fragen. Kommt hervor ihr Verfluchten der Hölle, damit mich die Martern nicht länger quälen, hervor ihr Teufel, hervor ihr Furien, nehmt mir das Leben, ich bin schon dahin


Der Donner zerschlage mich gleich

Eröffnet euch

Ihr Höllen Pforten

Ich will zu euch.

Die Teufel kommen und nehmen ihn mit fort.

Ende.
[115]

Obgleich ich nur das Beste ausgehoben und viele ganz fade Witze übergangen habe, sieht man doch, daß dieser Geißelbrechtsche Faust nur ein verworrener, abgeschwächter Nachklang des alten Puppenspiels ist, dem aber der Mechanicus hier und da, z. B. in der Beschwörungsscene aus eigenen schwachen poetischen Mitteln hat aufhelfen wollen.

Zum gänzlichen Beschluß laße ich noch Lessings kurzes Fragment von Faust hier folgen, damit man es mit der Scene unseres Puppenspiels, die er bearbeitet und zu überbieten gedacht hat, vergleichen könne. Ob es ihm geglückt ist, zweifle ich. Die Rache des göttlichen Rächers setzt seinen Gedanken voraus und Gottes Gedanken sind nicht schneller als des Menschen Gedanken. Der Uebergang vom Guten zum Bösen mag leicht sein, schnell kann er nur heißen, wenn er sich im Gedanken des Menschen begiebt und dann wäre hiermit ja nichts Neues aufgestellt. Ueberdieß würde uns diese Neuerung, wenn es eine wäre, zu metaphysisch, zu ausgeklügelt scheinen.


Faust und sieben Geister.


FAUST. Ihr? Ihr seyd die schnellesten Geister der Hölle?

DIE GEISTER ALLE. Wir.

FAUST. Seyd ihr alle sieben gleich schnell?

DIE GEISTER ALLE. Nein.

FAUST. Und welcher von euch ist der schnelleste?

DIE GEISTER ALLE. Der bin ich!

FAUST. Ein Wunder! daß unter sieben Teufeln nur sechs Lügner sind. – Ich muß euch näher kennen lernen.

DER ERSTE GEIST. Das wirst du! Einst!

FAUST. Einst! Wie meinst du das? Predigen die Teufel auch Busse?

DER ERSTE GEIST. Ja wohl, den verstockten. – Aber halte uns nicht auf.

FAUST. Wie heissest du? Und wie schnell bist du?[116]

DER ERSTE GEIST. Du könntest eher eine Probe, als eine Antwort haben.

FAUST. Nun wohl. Sieh her; was mache ich?

DER ERSTE GEIST. Du fährst mit deinem Finger schnell durch die Flamme des Lichts –

FAUST. Und verbrenne mich nicht. So geh auch du und fahre siebenmal eben so schnell durch die Flammen der Hölle, und verbrenne dich nicht. – Du verstummst? Du bleibst? – So prahlen auch die Teufel? Ja, ja, keine Sünde ist so klein, daß ihr sie euch nehmen liesset. – Zweyter, wie heißest du?

DER ZWEITE GEIST. Chil; das ist in eurer langweiligen Sprache: Pfeil der Pest.

FAUST. Und wie schnell bist du?

DER ZWEITE GEIST. Denkst du, daß ich meinen Namen vergebens führe? – Wie die Pfeile der Pest.

FAUST. Nun so geh und diene einem Arzte! Für mich bist du viel zu langsam. – Du dritter, wie heissest du?

DER DRITTE GEIST. Ich heiße Dilla, denn mich tragen die Flügel der Winde.

FAUST. Und du vierter?

DER VIERTE GEIST. Mein Name ist Jutta, denn ich fahre auf den Strahlen des Lichts.

FAUST. O ihr, deren Schnelligkeit in endlichen Zahlen auszudrücken, ihr Elenden –

DER FÜNFTE GEIST. Würdige sie deines Unwillens nicht. Sie sind nur Satans Bothen in der Körperwelt. Wir sind es in der Welt der Geister; uns wirst du schneller finden.

FAUST. Und wie schnell bist du?

DER FÜNFTE GEIST. So schnell als die Gedanken des Menschen.

FAUST. Das ist etwas! – Aber nicht immer sind die Gedanken des Menschen schnell. Nicht da, wenn Wahrheit und Tugend sie auffordern. Wie träge sind sie alsdenn! – Du kannst schnell seyn, wenn du schnell seyn willst; aber wer steht mir dafür, daß du es allezeit willst. Nein, dir werde ich so wenig trauen, als ich mir selbst hätte[117] trauen sollen. Ach! – Zum sechsten Geiste. Sage du, wie schnell bist du? –

DER SECHSTE GEIST. So schnell als die Rache des Rächers.

FAUST. Das Rächers? Welches Rächers?

DER SECHSTE GEIST. Des Gewaltigen, des Schrecklichen, der sich allein die Rache vorbehielt, weil ihn die Rache vergnügte. –

FAUST. Teufel! du lästerst, denn ich sehe, du zitterst. – Schnell, sagst du, wie die Rache des – bald hätte ich ihn genennt! Nein, er werde nicht unter uns genennt! – Schnell wäre seine Rache? Schnell? – Und ich lebe noch? Und ich sündige noch? –

DER SECHSTE GEIST. Daß er dich noch sündigen läßt, ist schon Rache!

FAUST. Und daß ein Teufel mich dieses lehren muß! – Aber doch erst heute! Nein, seine Rache ist nicht schnell, und wenn du nicht schneller bist als seine Rache, so geh nur. Zum siebenden Geiste. – Wie schnell bist du?

DER SIEBENDE GEIST. Unzuvergnügender Sterbliche, wo auch ich dir nicht schnell genug bin – –

FAUST. So sage; wie schnell?

DER SIEBENDE GEIST. Nicht mehr und nicht weniger, als der Uebergang vom Guten zum Bösen. –

FAUST. Ha! du bist mein Teufel! So schnell als der Uebergang vom Guten zum Bösen! – Ja, der ist schnell; schneller ist nichts als der! – Weg von hier, ihr Schnecken des Orcus! Weg! – Als der Uebergang vom Guten zum Bösen! Ich habe es erfahren, wie schnell er ist! Ich habe es erfahren! u. s. w.[118]

Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 106-119.
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