3. Szene.

[24] DOKTOR FAUST allein, erwachend. Wie ist mir? Wie sanft habe ich geschlafen! Ha, auch die Nattern des Gewissens entschlummern also? Schlaf ist nicht der Bruder der Unschuld? Doch Unglück versöhnt ihn mit dem Laster. Und ich bin ja sehr unglücklich! – Furchtbare Erscheinung, wärst du denn nur ein Traum? O mein Schutzgeist, warum zeigtest du dich, um mich zu verlassen? Eine Wüste ist mir ohne dich die Welt; furchtbar werfen mich ihre Wogen gen Himmel, schleudern dann mich wieder in den Abgrund. Daß ich doch in ihm versinken könnte!

O Bewußtsein! Bewußtsein! Bist du mein ewiges Selbst, oder ein Meteor, das ein nördlicher Schein aus Dünsten hervorruft und das mit ihm in Dünsten zerfließt? Was in mir denkt, empfindet und leidet, ist's nur der Abdruck meines Wesens im Spiegel der Schöpfung? – Bist du ein eigenes, selbständiges Wesen, nur ein Gast dieser Herberge? O so verlasse sie bald, denn ihre Grundpfeiler wanken. O Bewußtsein! Furchtbarer Geist! Warum zermalmest du mich mit deinem Riesendruck?[24] Wenn ich deine eisernen Arme abschüttle, wird der Schmetterling rein und groß und hehr emporschweben über der modernden Puppe? Ja, da liegt's!


Quelle:
Soden, Julius von: Doktor Faust. Neustadt a.d. Aisch 1931, S. 24-25.
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