7. Szene.

[59] Höflinge. Vorige.


DOKTOR FAUST zu Mephistopheles. Siehst du, wie mich das Hofgesindel angafft? Bei meiner Seele, das ist lustig. Wettest du, sie beriechen meine hochadelige Abstammung? Höre, Freund Skorpion, du bist ja von einer uralten Familie; haben dir die Motten nicht etwa eine Wappentafel übrig gelassen, die uns bei diesen edlen Junkern aus der Not helfen könnte?

MEPHISTOPHELES. Ich will dir die Kaiserkrone aufsetzen.

DOKTOR FAUST. Das verhüten alle guten Geister, behalte sie! Willst du meinen Doktorhut obendrein? Hat er gleich[59] eben so wenig Gewicht mehr, so ist er doch nicht so schwer. Aber foppen möcht' ich sie gerne.

MEPHISTOPHELES. Willst du, so sollen meine Geister sie kneipen.

DOKTOR FAUST. Zum Teufel, Skorpion, mit deiner höllischen Phantasie! Ich will mir nur einen Spaß mit ihnen machen, einen wahren Hofspaß, unerhört in diesen Gemächern! Gib acht, ich will sie zwingen, ihre geheimsten Gedanken laut zu sagen.

MEPHISTOPHELES. Drollig genug!

DOKTOR FAUST. Gib acht, wie sich die Larvengesichter dazu gebärden werden! Du sollst Wunder hören.

ERSTER HÖFLING. Was, Teufel, mag der Fratze hier wollen?

ZWEITER HÖFLING. Er sieht aus, als ob er um die Kanzlerstelle wärbe. Das wäre ein verdammter Streich. Mein Sohn hat sich darum gemeldet. Der Bube kommt freilich erst aus der Schule. Und dieser –

DRITTER HÖFLING. Der Bursche sieht ja so demütig, so bescheiden aus wie ein ehrlicher Bürger. Wie kommt der nach Hofe?

VIERTER HÖFLING. Was, Teufel, will der Spießbürger hier? Er sieht aus wie ein Abgeordneter aus der Provinz. Er wird doch dem Fürsten nicht wegen der neuen Steuer warm machen wollen? Verflucht! Wir haben so sicher darauf gerechnet.

FÜNFTER HÖFLING. Der Kerl sieht aus wie ein Kuppler. Ich wette, er hat ein Mädchen für den Fürsten auf dem Korn. Da wäre mein armes Lieschen verloren!

DOKTOR FAUST. Der unverschämte Bursche!

MEPHISTOPHELES. Ich bitte dich, laß mich ihn kneipen, ihn für seine Ungezogenheit züchtigen!

DOKTOR FAUST. Mir die Sorge! Genug! Zu den Höflingen. Meine Gegenwart ist Ihnen unangenehm, meine Herren?

ERSTER HÖFLING. Bewahre, wir sind vielmehr sehr erfreut.[60]

DOKTOR FAUST. O, bei Hofe wird man nicht rot.

ZWEITER HÖFLING. Sie kommen?

DOKTOR FAUST. Von Sophia, zu dienen.

DRITTER HÖFLING. Sophia? Ich hörte nie von diesem Fürstentum. Es ist wohl weit von hier?

DOKTOR FAUST. Allerdings, sehr weit.

VIERTER HÖFLING. Ihr Name, mein Herr?

DOKTOR FAUST. Spasmodo-Filax, aufzuwarten.

FÜNFTER HÖFLING. Der Henker! Ein gelehrter Name! Sie sind wohl ein Gelehrter?

DOKTOR FAUST. Ein Künstler, zu dienen.

VIERTER HÖFLING. Ein Künstler? Ein Taschenspieler vermutlich, der den Fürsten –

DOKTOR FAUST. Zum Narren haben will? Sie irren, mein Herr! Meine Taschenspielerei ist von ganz sonderbarer Art. Neu, und nie gesehen!

DRITTER HÖFLING. So sprechen sie alle.

ZWEITER HÖFLING. Zum Exempel, mein Herr?

DOKTOR FAUST. Wollen Sie meine Kunststücke sehen?

HÖFLINGE. Allerdings, allerdings!

DOKTOR FAUST. Vermöge dieses künstlichen Spiegels, den ich mit Hilfe der Optik, Mechanik, Mathematik, Physik und Magia naturalis nach einem zehenjährigen Studium zusammenzusetzen so glücklich war, zeig' ich jedem seine wahre Gestalt.

HÖFLINGE. O, lassen Sie sehen! Lassen Sie sehen!

DOKTOR FAUST. Auf Ihre Gefahr, meine werten Herren!

HÖFLINGE. Auf unsere Gefahr!

DOKTOR FAUST. Zum Exempel also! Dem Esel gebe ich seine Ohren in proportionierlicher Länge. Er zeigt dem ersten Höfling den Spiegel.

Dem Hahnreih seinen Schmuck, einen edlen Sechzehner. Wie oben, dem zweiten Höfling.

Dem gierigen Geier seine Krallen. Wie oben, dem dritten Höfling.[61]

Sie erstaunen, meine Herren? O, es ist alles Natur, pure Natur, ohne Hexerei; ich versichere, meine Herren, pures Studium.

Ist weiter gefällig?

HÖFLINGE. Wir danken, wir danken! Unter sich. Der Kerl ist ein Hexenmeister.

DOKTOR FAUST. Nach diesen kleinen Probestücken hoffe ich, Sie werden an meiner Kunst nicht zweifeln und also keinen Anstand nehmen, mich dem Fürsten vorzustellen.

HÖFLINGE. Der Fürst wird schwerlich heute sichtbar sein.

DOKTOR FAUST. Nicht sichtbar? Sonderbar, daß das Land von einem unsichtbaren Fürsten regiert werden kann! Ich sah doch soeben im Schloßplatze Sr. Fürstl. Gnaden mit einer feinen Dirne am Fenster.

HÖFLINGE. Und Sie suchen, mein Herr?

DOKTOR FAUST. Sorgen Sie nicht! Ich werde keinem von Ihnen in den Weg treten. Alles, was ich suche, taugt durchaus nicht in Ihren Kram.

HÖFLINGE. Also Sie suchen?

DOKTOR FAUST. Gerechtigkeit!

HÖFLINGE. Da müssen Sie sich an den Kanzler wenden.

DOKTOR FAUST. O nein, denn ich bringe auch, und das ist nur für den Regenten selbst.

HÖFLINGE. Sie bringen also? Das ist eine andere Sache! Und was bringen Sie dem Fürsten, mein Herr?

DOKTOR FAUST. Was man Fürsten selten bringt.

HÖFLINGE. Eine Seltenheit also? Ein ausländisches Tier vielleicht?

DOKTOR FAUST. Nein.

HÖFLINGE. Oder ein Vertraulich ins Ohr. ein hübsches Mädchen?

DOKTOR FAUST. Meinen Sie? Ist das ein ehrliches Handwerk!

HÖFLINGE. Oder eine fremde seltne Frucht?

DOKTOR FAUST. Allerdings eine Frucht, köstlich und selten![62]

HÖFLINGE. Etwas Fremdes also doch?

DOKTOR FAUST. Fremd allerdings an allen Hoflagern! – Fremd dem Hofschranzengezücht, fremd den Fürsten! – Wahrheit!

HÖFLINGE. Ein sonderbarer Kauz! Der Fürst! Der Fürst!


Quelle:
Soden, Julius von: Doktor Faust. Neustadt a.d. Aisch 1931, S. 59-63.
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