[163] Meinen Freunden gewidmet.
Oft glänzt am jungen Morgen
Durch rosiges Gewölke
Der Sonne goldnes Feuer,
Doch eh' der Abend dämmert,
Oft eh' der Mittag glühet,
Umziehen schwarze Wolken
Des Himmels reinen Azur,
Und Regenströme fließen,
Und laute Winde heulen,
Und schwere Hagel fallen;
Zerknickt liegt Halm und Blume,
Entblättert hängt die Rose,
Zerrissen Tulp' und Lilje;
Des Landmanns frohe Hoffnung,
Die Fluren, reich an Segen,
Schlug mit des Sturmes Flügel
Der schwere Hagel nieder;[164]
Der Bäume Blüthenzweige
Steh'n mit zerrißnem Kranze,
Verweht sind nun die Blüthen,
Vernichtet ist die Hoffnung,
Zu ärnten süße Früchte. –
Seht da, geliebte Freunde,
Das Bild von meinem Leben!
In meinen Blüthentagen
Träumt' ich oft frohe Träume;
Die Freude nannt' ich Schwester,
Die Unschuld war Gespielin;
Und Fantasie, die holde,
Half mir in frohen Stunden
Oft goldne Schlösser bauen;
Dann formt' ich idealisch
Die lieblichsten Gestalten,
Gab ihnen Geist und Leben,
Schuf Herzen, jeder Güte
Und jeder Tugend fähig.
Ich kannte nur die Menschen
Von ihrer schönsten Seite,
Und traute leicht und willig[165]
Dem Mann mit offnen Blicken.
In meinen süßen Träumen
Schloß ich mit edlen Seelen
Den Bund der ew'gen Treue.
Ich malte meine Bilder
Mit himmlisch-schönen Farben,
Des Götterfunkens würdig,
Der jeden Menschenbusen
Durchglühet und erwärmet,
Der diesen mehr, den minder
Mit Allgewalt dahinreißt,
Die Tugend anzubeten.
Ich fühlte in dem Feuer,
Das meine Brust durchglühte,
Zu jedem Opfer Stärke,
Zu jeder Tugend Willen.
Jetzt kenn' ich, ach! vollkommner
Die Welt und ihre Menschen;
Mein Glaube an die Tugend,
An Redlichkeit und Treue
Liegt da vor meinen Blicken,
Wie schauerliche Trümmer[166]
Von stolzen Fürsten-Sitzen!
O damals hoben hohe
Empfindungen den Busen,
Wenn ich mit stolzer Freude
Mich eine Teutsche nannte:
Dann floh' die junge Seele
Zurück in jene Zeiten,
Wo reine teutsche Sitten
Germanien beglückten.
Mit tiefer Rührung weilte
Ich froh an den Altären,
Die unsre Väter weih'ten
Den Manen großer Seelen.
Dann malte hohe Röthe
Die jugendlichen Wangen.
Der Vorsatz, das zu werden,
Was unsre Mütter waren,
Erhob die junge Seele
Zu himmlisch reiner Wonne!
Jetzt zittert eine Thräne
Im trüben ernsten Blicke,
Wenn lachend die Fantome[167]
Aus jenen goldnen Tagen'
Vor meiner Seele schweben.
Die Bilder meines Geistes
Zerflatterten im Nebel
Der jungen Morgenröthe.
In meiner Väter Tagen,
Da galten nur die Kerne,
Und Schalen blieben – Schalen! –
O meine edlen Freunde!
Da liegen alle Bilder
Aus meinen Blüthen-Tagen,
Zertrümmert und zerrissen!
Die lachenden Gefilde,
Die ich als frohes Mädchen
Einst zu durchwandeln hoffte,
Zerschlugen Sturm und Hagel;
Aus meinen Rosenlauben
Entwuchsen Dorn und Disteln;
Wo ich mit froher Hoffnung
Einst Blumenkränze flochte,
Da sproßten ach! nur Nesseln.
O! hätten sie mir Armen[168]
Die Hände nur verwundet!
Sie brannten bis zum Herzen,
Und brennen unaufhörlich!
Verweht sind nun die Blüthen,
Die Blüthen meines Geistes!
Dies Auge, das mit Wonne
In ferne Tage blickte,
Weint jetzt betrogner Hoffnung,
Getäuschter Freundschaft Thränen!
Euch aber, meine Edlen!
Die ihr allein noch pranget
Auf jenen Morgen-Fluren,
Euch weih' ich diese Thränen
Der innigsten Empfindung,
Des feuervollsten Dankes!
Daß ich nicht ganz den Glauben
An Menschenwerth und Tugend,
An Freundes Treu und Güte,
Verlohr aus meinem Herzen,
Das dank' ich eurer Tugend!
Daß ich mit diesem Herzen,[169]
Mit diesem Hang zu stiller
Und schwermuthsvoller Trauer,
Noch nicht bin hingesunken
In dunkle Orkus-Nächte,
Daß ich noch bin, noch athme,
Der Frühling mir noch lächelt,
Der Freundschaft reine Wonnen
Aus Eurem Blick mir stralen,
Wenn ich an Euch mich schließe,
Und, – spottend der Chimären
Von frohen Jugend-Träumen,
Von bunten Seifenblasen, –
Mit heit'rer Stirne lächle,
Das alles, meine Lieben,
Verdank' ich Eurer Freundschaft!
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