Andere Ecloga oder Hirten-gesang, von selbiger materi, darin der bach Cedron Poëtisch eingeführt vvird, so die gefängnuss Christi vnder der person des hirten Daphnis beklaget: Seind abermahl Trochaische versen, müssen gelesen vverden vvie das Pange lingua, oder Mein zung erkling, usw

[243] 1.

Da nun abends in dem garten

Daphnis vberfallen war/[243]

Vnd nun keinen grimmen spahrten

Starck bewehrte mörder-schaar.

Hube süßlich an zu weinen

Ein so gar berühmbter bach;

Ließ die liebe sternen scheinen/

Er dem Daphnis trawret nach.


2.

Cedron hieß der bach mit namen/

Wohnt an einem holen stein:

Offt zu jhm gesellschafft kamen/

Damals war er doch allein.

Saß in seiner grünen krufften/

Strälet seine bintzen-haar/

Spielet mit gar sanfften lufften/

Dacht an keine kriegs-gefahr.


3.

Rohr/ vnd graß/ vnd wasserblätter

Deckten seine schulter bloß/

Starck er sich bey feuchtem wetter

Leint auff seinen eymer groß.

Doch weil er fast müd gelauffen

Dazumahl in starckem trab/

Er ein wenig wolt verschnauffen/

Goß den eymer langsam ab.


4.

Nahm ein Röhrlein wol-geschnitten/

Spielet seinen wässerlein/[244]

Sie zum schlaffen thät erbitten/

Wolt sie süsslich sausen ein.

Eia meine wässer schlaffet/

Schlaffet meine wässerlein.

Nit mit augen jmmer gaffet/

Eia schlaffet/ schlaffet ein.


5.

Kaum nun waren eingeschlaffen

Seine matte wässerlein/

Bald erklungen wehr/ vnd waffen/

Fla i/ vnd Fackel gaben schein/

Nur von doll- vnd vollen knechten/

Voll war alles vberall/

Nur von jauchtzen/ springen/ fechten/

Thal vnd vfer gaben schall/


6.

Cedron erstens gar erschrecket/

War der waffen vngewohn/

Bald er seine wässer wecket/

Wolte der gefahr entgohn.

Wie die pfeil von bogen zihlen/

Lieff er ab auff nasser meil/

Rohr/ vnd eimer jhm entfielen/

Fiel auch selbst in blinder eyl.


7.

Doch weil nachmals er verspüret/

Es nit wider jhn gemeint/[245]

Vnd nur Daphnis würd geführet/

Daphnis von bekandtem feind;

Ließ er ab von strengem lauffen/

Fasset eine weiden rut/

Seine wässer trieb zu hauffen/

Vnd beklagets junge blut.


8.

Trawrig hub er an zu klagen/

Bließ auff einem holen ried/

Hertz vnd muth jhm war zerschlagen/

Sang mit schmertzen folgends lied:

Ach/ vnd ach/ nun muß ich klagen/

Daphnis/ o du schönes blut!

Ach/ vnd ach/ bin gar zerschlagen;

Brochen ist mir hertz/ vnd muth.


9.

Daphnis/ o du schöner knabe/

Daphnis mir so lang bekandt/

Offt bey mir du schnittest abe

Ried/ vnd röhrlein allerhandt.

Viel du deren hast verschlissen/

Wan du spieltest deiner herd;

Seind im blasen vil zersplissen/

Waren mehr dan geldes werth.


10.

Offt bey mir die weide nahmen

Deine schäfflein silber-weiß.[246]

Offt zu mir auch trincken kamen/

In den sommer-tagen heiß.

Wan dan spieltest deinen schaffen/

Vnd die röhrlein bliesest an/

Gundten meine wässer schlaffen/

Wanckten offt von rechter bahn.


11.

Auch die wind sich gundten legen/

Banden jhre flügel ab/

Kaum den athem thäten regen/

Wie dan offt gespüret hab.

Auch die schaff mit lüsten assen/

Süsser wurden laub/ vnd graß/

Ja deß weidens offt vergassen/

Deine stimm vil süsser was.


12.

Auch die vöglein kamen fliegen/

Kam auch manche nachtigal/

Deinem spielen (wil nit liegen)

Hörten zu/ mit grosser zahl.

Sassen gegen deiner geigen/

Sassen gegen deinem rohr/

Thäten jhnen freundlich neigen

Dan das linck/ dan rechtes ohr.


13.

Schöne sonn/ du deinen wagen

Liessest in gar lindem lauff/[247]

Wan bey reinen Sommer-tagen

Dir nur Daphnis spielet auff.

Schöner Mon/ du deine Sternen

Morgens führtest ab zu späth/

Wan auch Daphnis dir von fernen

Je zu nachten spielen thät.


14.

Schöne So / magst nunmehr trawre

Daphnis dir nit spielet mehr.

Daphnis ist von bösen lauren

Hingeruckt ohn widerkehr.

Schöner Mon/ magst nunmehr klagē/

Daphnis rastet in verhafft:

O den schweren eisen kragen!

O der kalten ketten krafft!


15.

Mon/ vnd Daphnis jhr allbeyden

Offt enthieltet euch vom schlaff:

Kamet in gesellschafft weiden/

Du die Sternen/ Er die Schaff.

Nit hinfüro wacht allbeyden/

Schlaff/ O matter Mon/ entschlaff/

Nie zusammen werdet weiden/

Du die Sternen/ Er die Schaff.


16.

Ach jhr Schäfflein/ wer wird hüten/

Wer soll euch nun treiben auff?[248]

Hirten solcher milt- vnd güten

Seind nit also guten kauff.

O deß jung- vnd schönen knaben!

Hirt- vnd Schützen gleichen gut;

Wer soll seinen stecken haben?

Taschen/ horn/ vnd winter-hut?


17.

Wer soll haben seinen bogen?

Wer den kocher? pfeil/ vnd boltz?

Böltz mit welchen (vngelogen)

Er nit fehlet im geholtz.

Wer soll haben seine Geigen?

Cither/ Leyr/ vnd Dulcian?

Ach für trawren muß ich schweigen!

Ach adè/ muß fliessen gahn.

Quelle:
Friedrich Spee: Trutznachtigall, Halle a.d.S. 1936, S. 243-249.
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Trutznachtigall
Sämtliche Schriften: Trutz-Nachtigall: Bd 1

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