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[300] Riefst Du einmal nur die Schuld zur Frohne,
Ewig dienst Du ihr dann als fröhnender Knecht.
Wer Liebe und Unschuld vereint und traulich zu Tafel sitzen sehen wollte, mußte an den Tisch des Wildmeisters Bilger von Rhön treten. Mäßig war er besetzt von Gästen und Speisen, allein aus den Gesichtern der beiden Ehegatten, wie des zwischen ihnen spielenden Kindes lachte eine Zufriedenheit, welche die magern Fastengerichte in einen königsüppigen Pfingstschmauß verkehrte. Die Sonne eines heitern Tages, wie ihn nicht selten der scheidende Hornung bietet, schaute behaglich durch die weiten Fenster des Mörsburger Schlosses auf den kleinen Haushalt des Wildmeisters, dem gerade sein Weib in kindlicher Einfalt noch einmal alle Wunder und Festlichkeiten der Fastnacht zu Costnitz erzählte, welche sie schon öfters zum Besten gegeben hatte. Mit liebevoller Geduld horchte Bilger der Geschwätzigen zu; das Töchterlein, halb auf dem Schooße der Mutter[300] gelehnt, stellte sich eben so aufmerksam, und selbst der Bärenfänger Haltan schien, vor dem Tische aufrecht sitzend, und das Gesicht in die Sammetfalten des beschauenden Ernstes gelegt, das stille Vergnügen seiner Herrschaft zu theilen. Des Herrn von der Rhön Aufmerksamkeit war dennoch von dem oft gehörten Bericht nicht so sehr in Anspruch genommen, daß er das Geräusch überhört hätte, das sich in dem Hofe vernehmen ließ; den Hufschlag ankommender Pferde, das Rufen der Reiter, und die langgehaltnen Hornstöße des Wächters. Er eilte, an das Fenster zu kommen, und erblickte, da er die gemalten Flügel aufschlug, mehrere in des Kaisers Farben gekleidete Knechte auf dem Burgplatze, theils zu Gaule sitzend, theils einen aalglatten Schimmel haltend, dessen reiches Sattelzeug alsobald den vornehmen Reiter verrieth. Der Pförtner machte aus seinem Hüttchen die Geberden der größten Verwunderung nach dem herabschauenden Wildmeister herüber, und das Räthsel löste sich diesem bald, denn die Thüre sprang auf, und der Kaiser selbst trat im einfachen Reitkleide herein, ... den Vogt verabschiedend, der ihn bis hieher geleitet hatte. Bilger's und seiner Gattin freudiges Erstaunen wuchs, da der Fürst mit der ihm angebornen Freundlichkeit und Herablassung alle Bewillkommnung von der Hand wies, Reverenz und Gewandkuß untersagte, und so vertraulich am Tische auf einem Schemel ohne Lehne Platz nahm, als sey dieses seine ihm zustehende Stelle. »Keine Zierereien!« sprach Sigmund, während er durch seinen Wink den Hausherrn sammt Ehewirthin[301] in die kaum verlaßnen Lehnstühle wies, und das lächelnde Kind auf den Schooß zog, in den warmen Marderpelz: »Wenn man gute Freunde heimsucht, thut man sich weder Zwang an, noch duldet man ihn; und ich denke ja, ich bin bei guten Freunden.« »Bei den treusten Dienern Ew. römischen Majestät;« versicherte der Wildmeister. – »Ich wollte mich von Euerm Wohlseyn überzeugen,« fuhr der Kaiser fort: »und sehen, wie das holde Weiblein hier im Hauswesen sich benimmt.«
Die Wildmeisterin erröthete verschämt; Bilger aber erwiederte: »Mit drei Worten, gnädigster Herr, kann ich Euch hierüber berichten: ich bin glücklich. Meine Katharine ist das Gestirn, das mildiglich meinen Lebensweg, überstrahlt, und sich in unsern Kleinen zu unfrer Wonne verdoppelt hat.« – »Wie bin ich froh, solch Zeugniß aus Eurem Munde zu vernehmen, Herr von der Rhön,« versetzte der Kaiser: »so hat denn doch der Befehl Eures Vaters, dem ihr so lange widerstrebtet, gute Früchte getragen. So stößt man oft die Perle lange zurück, die uns das Schicksal wohlwollend reicht. Ihr habt noch zu rechter Zeit die Hand aufgethan. Wohl Euch!«
Mit verdüstertem, aber freundlichem Blicke reichte Bilger seinem Weibe die Hand. Sigmund fuhr indessen fort: »Ihr Leute wißt gar nicht, wie glücklich ihr seyd. Ihr freut euch des Daseyns in eurem eignen Hause, während Meinesgleichen in weitläufigen Burgen und Städten mit dem Mißmuth Hand in Hand gehen. Es ist ein schwer Ding um das Regiment über Land und Leute. Wie gerne vertauschte[302] ich den Fürstenpelz mit Euerm Rocke, und würde ein Wildmeister, wie Ihr. Aber so ist es mein Beruf, der ganzen Welt Händel zu schlichten, wie es eben geht. Hier soll ich begnadigen, dort mit dem Schwerte drein schlagen; an allen Orten soll ich zugleich seyn. Bald machen mich die Städte unwirsch, bald hab' ich's mit der Herrenbank verdorben; die Fürsten spreizen sich, die Bauern murren, die Ketzer predigen alles Unheil. Gegenwärtig hab ich's mit der Geistlichkeit zu thun, und der liebe Gott helfe mir gnädig über diesen stachlichen Zaun. Hab' ich aber auch mit Angst und Noth dem Staatsleben so ziemlich aufgeholfen, – flugs reiben sich gewöhnliche Finsterlinge an meinem Ansehen im gemeinen Bürgerleben. Hat sich nicht erst vor Kurzem bei einem gewissen verdrießlichen Handel ein Dummbart unterstanden, sich, für meine Person auszugeben, und mich dadurch vor aller Welt in einen ärgerlichen Verdacht gezogen? Doch übergenug. So wie des römischen Reichs erwählter Kaiser den ersten Mann vorstellt in der Christenheit, so sind seine Sorgen auch die größten, und darum bitte ich geziemend das liebliche Weiblein um einen Becher Wein, damit ich auf ihre Gesundheit trinkend, Grab und böse Erinnerung vom Herzen schwemmen möge.«
Eifrig gehorsam stand die Wildmeisterin auf, griff nach den Schlüsseln am Schenktisch, und eilte nach dem Keller, um dem vornehmen Gast den verlangten Labetrunk so frisch als möglich zu reichen. Der Kaiser legte das auf seinen Knieen entschlummerte Mägdlein behutsam, wie eine sorgende Mutter,[303] in's Ruhebettlein, und setzte sich wieder zutraulich zu dem Wildmeister, der, seinem Willen zuwider, ebenfalls sitzend verharren mußte. – »Bilger,« sprach Sigismund leiser: »Ich muß Euch bekennen, wie es nicht eitel Zufall ist, daß ich mich hieher begeben, obschon mir angenehm ist, wenn die Leute glauben, daß es auf einem unbestimmten Lustritte, oder Euch zu Liebe allein geschehen sey. Eigentlich jedoch bin ich hier, um ein Amt zu verrichten, das nicht zu den Regalien gehört; das Marschalkenamt nämlich. – Eine edle Frau, an deren Schicksal ich viel Theil nehme, wünscht einige Tage in strenger Abgeschlossenheit in diesem Hause zuzubringen, da ihr zu Costnitz, wie sie befürchtet, eine nicht geringe Gefahr droht. Das schwache Weib zu schützen ist jedes Ritters Pflicht; um wie viel mehr die Pflicht des Kaisers also, der ein Meister ist über alle Ritter deutschen Volks. Ich habe der edlen Frau meine Obhut zugesagt in diesem Schlosse, das der Bischof vom Reich zu Lehen trägt, und vertraue sie Eurem absonderlichen Schirm, so daß Ihr keinen Menschen in ihre Nähe lasset, der ihr Unheil bringen könnte.«
»Das Vertrauen meines kaiserlichen Herrn zu rechtfertigen, wird mein Bestreben seyn;« versicherte Bilger von der Rhön. – »Heute noch wird das würdige Frauenbild hier eintreffen,« fuhr der Kaiser fort: »Ich verbiete ausdrücklich nach ihrem Namen und Stand zu forschen. Ich habe ohnedies das Mißgeschick, meine Huld gegen ehrenwerthe Frauen häufig verkannt zu sehen; ich will nicht ihre Namen der Verläumdung Preis geben. Es ist nichts Zarteres,[304] als des Weibes Leumund. Wie gesagt jedoch: Euerm Schirm vertraue ich die Freundin, und empfehle sie der Dienstfertigkeit Eurer Ehewirthin, da sie, wie ich vermuthe, ihre Leute zu Costnitz lassen wird, bis die böse Conjunktur vorüber.« – »Es soll geschehen, wie kaiserl. Majestät befiehlt;« erwiederte Bilger unterwürfig, und der Kaiser wurde durch solche Bereitwilligkeit dergestalt in gute Laune versetzt, daß er den Becher, den ihm Frau Katharine kredenzte, in einem Zuge auf das Wohlseyn des Hauses von der Rhön leerte. – »Traun!« lächelte der Wildmeister: »es ist hohe Zeit. Ich bin der Einzige und Letzte meines Stammes, seit mein Vater vor einem Jahre zur Grube fuhr, und mir wird das Wappenbild nachgeworfen, wenn meine gute Hausfrau mich nicht mit einem Sohne erfreut.« – »Tröstet Euch mit Kaisern und Königen, denen es dann und wann um nichts besser geht;« versetzte Sigmund: »und freut Euch, in dem Alter zu seyn, das eine Hoffnung noch zuläßt. Nun aber, lieber Wirth, laßt uns zu Roß steigen, um eurem holden Gaste entgegenzureiten. Er kann nicht mehr lange säumen.« – Der Kaiser umarmte zum Abschiede Frau Katharinen auf das Zierlichste, drückte einen Kuß auf ihre Stirn und Wange, ließ die goldne Kette von seinem Halse auf das Bettlein des schlummernden Kindes gleiten, und schied. Der Wildmeister ritt zu seiner Linken, und sie waren noch nicht weit vor das Städtlein hinausgekommen, als schon in der Ferne eine Sänfte sichtbar wurde, von einigen Reisigen geleitet. Der Anführer derselben, –[305] ein buntgekleideter Rittersmann, – stolzirte selbstgenügsam voran. – »In dem Wiedehopfe erkenne ich meinen Mann!« sprach der Kaiser lächelnd zu seinem Begleiter, und winkte den Scheckigen heran, der auch dienstfertig herzusprengte, während die Sänfte zögernd folgte. Drei Schritte von dem Kaiser entfernt, warf sich der Reiter vom Gaule, und nahte dem Fürsten mit allen Zeichen betroffner Ehrfurcht. »Sieh da, mein Herr von Königseck!« redete ihn Sigmund, sich verwundert stellend, an: »Unverhofft kommt oft.« »Bei des heil. Stephans Krone! Wie kömmt es, daß Ihr Euch aus der warmen Stube in den Frost wagt? Wer ist die Schönheit, die Ihr in jener festverschloßnen Sänfte zu geleiten scheint?« – »Meine Braut, gnädigster Herr;« versicherte der Geck wohlgefällig: »sie hat den Wunsch geäußert, einige Tage in dem Hause des Wildmeisters zu Mörsburg zuzubringen, dessen Gattin ihr sehr nah befreundet ist, und ich hielt's für meine Pflicht, ihr unterwegs meinen Arm zum Schutz zu leihen.« – »Ein kräftiger Schirm allerdings;« versetzte Sigmund mit leisem Spott: »um so unangenehmer wird es mir, Euch in der Erfüllung süßer Pflicht zu hemmen. Ich bedarf Eurer; noch in dieser Nacht sende ich Euch von hinnen in einem wichtigen Auftrage, den ich nur Eurer Klugheit anvertrauen darf. Säumt also nicht, sogleich in meinem Gefolge gen Costnitz umzukehren.« – »Der edle Herr stand verblüfft neben seinem Pferde, und wußte nur mit einem Bückling, und einer verlegnen Hinweisung nach der Sänfte zu antworten.« – »Die Wohlfahrt Eurer Zukünftigen sey[306] Eure geringste Sorge;« versicherte ihm der Kaiser: »der Zufall will, daß der Wildmeister sich gerade hier befindet. Er wird für die Sicherheit der Freundin seines Hauses stehen. Nicht wahr, mein wackrer Herr von der Rhön?« – »Wie für mein eigen Haupt;« entgegnete Bilger, der aus Unterwürfigkeit in eine Sache einging, deren Zusammenhang er nicht begriff. – Königseck verharrte indessen noch immer in Unschlüssigkeit. Die Sänfte kam immer näher. »Nun denn aber auch, beim Erlöser! steigt doch auf!« rief der Kaiser dem Zaudernden heftig zu: »Des Königs Wille geht vor der Minne. Ihr wißt, wie ich Euch begünstige; seyd indessen auch meiner Gnade werth. Frisch zu Gaule! Da die Zucht mir nicht erlaubt, die Dame Eurer Wahl auf offner Heerstraße, in der Dämmerung des Abends, zu begrüßen, so folgt mir unverzüglich. Der Wildmeister wird die seinem Schutz Befohlne begrüßen, und Euch, wegen Eures schnellen Abschieds, mit meinem Gebote entschuldigen.« – Der Königsecker neigte sich verlegen, und stieg langsam in die Vügel. »Seht doch den faulen Knecht!« sprach Sigmund, seinen langen Bart streichelnd: »Ich hätte Euch mir nicht so saumselig gedacht. Da war der Montfort flinker, da ich ihm heute befehlen ließ, in meinen Geschäften nach Frankfurt zu reiten. Kaum nahm er sich die Zeit, noch eine Messe zu hören, und fort war er, wie ein Irrlicht. Dennoch ist er dem Tyroler zugethan, mehr, denn Ihr es mir zu seyn scheint.« – Diese Neuigkeit belebte auf einmal den zwischen Pflicht, Minne und Eifersucht Schwankenden. »Gott[307] erhalte Euch, kaiserlicher Herr!« rief er hochaufathmend: »so der Montfort von Costnitz gewichen, will ich ja gerne für Euch reiten, denn nun weiß ich meine Lieb vor seinen Drohungen sicher. Doch ein Wort des Abschieds mögt Ihr mir wohl gönnen, Herr König!« – Sigmund winkte ihm kurz, aber billigend; und, nachdem er dem Wildmeister den Befehl zugeflüstert, keiner Seele, – ihn, den Kaiser ausgenommen – Zutritt zu der Fremden zu gestatten, zog er mit seinen Stallmeistern seines Wegs, ohne auch nur den Kopf nach der Sänfte zu drehen, die indessen in des Wildmeisters und Königseck's Nähe anlangte. Der Letztere öffnete zierlich und geschmeidig die Vorhänge, hinter welchen eine dichtverschleierte Frau saß, – sprach mit glatten Worten von des Kaisers Willen, seinem Gehorsam, und dem Schmerz, den er empfinde, sie nicht gänzlich an Ort und Stelle geleiten zu können. Zugleich stellte er ihr den Herrn von der Rhön vor, als ihren weitern Schirm und Beschützer. »So lebt denn wohl, und nehmt meinen Dank, Herr von Königseck!« erwiederte eine gleichgültige Stimme, die dem Wildmeister bekannt und drohend in die Ohren klang: »Ich bin mit meinem neuen Geleitsmann völlig zufrieden, setzte sie hinzu, und aus dem gelüfteten Schleier blickte ein Antlitz, das Bilger's Herz mit starrem Entsetzen erfüllte.« Er schwankte auf seinem Rosse, da er in Wallradens Züge schaute. Das Fräulein grüßte ihn unbefangen, reichte dem scheidenden Bräutigam die Hand, und verschloß wieder sorgfältig die Vorhänge ihres Tragsessels, da Königseck von dannen sprengte,[308] und der Zug sich gen Mörsburg weiter bewegte. Bilger war zu Stein geworden, während im innersten Busen sein Herz tobte und hämmerte, wie das eines flüchtigen Verbrechers. Erschüttert ritt er der Sänfte nach, und blickte vergebens zum Himmel nach Trost und Fassung auf. Sein Geschick lag schwer auf ihm, und schwarz war ihm wieder plötzlich die Zukunft geworden, dunkel wie die Nacht und der Nebelschleier des Firmaments, der nur so viel Mondstrahl durchließ, als nöthig war, um die fürchterliche Pracht der kämpfenden Wolkengebirge bewundern zu können. »Das ist kein gut Zusammentreffen!« seufzte er vor sich hin: »Was soll daraus werden? O ich Unglücklicher! Ich selbst muß das Unheil in mein Haus führen, ... mein eignes Verderben an der Flamme meines Herdes niedersitzen lassen! Wehe mir!« –
Des Wildmeisters Hausfrau empfing die Kommenden auf der Schwelle des Schlosses mit gastlicher Freundlichkeit. Wallrade erwiederte ihren Gruß auf dieselbe Weise, und wandelte an Katharinens Hand zu der Wohnstube, woselbst ein einfaches Mahl bereitet war. »Fürwahr;« sprach das Fräulein mit zuvorkommender Sanftmuth, die den Herrn von der Rhön wohlthätig anregte: »Ich weiß nicht, edle Frau, wie ich zu einer genügenden Entschuldigung gelangen soll; daß ich mich so störend in Eure Hauswesen dränge. Wahrscheinlich verdanke ich nur der auserlesensten Fürsprache den biedern Willkomm, der mich in Euerm kleinen Familienkreise schon im Augenblick meines Eintritts heimisch macht. Vergebt daher der Überlästigen.« – Bilger's Ehewirthin[309] antwortete auf diese bescheidnen Worte aus der Fülle ihres guten Herzens, und ein gutes Verständniß, wie es öfters zwischen Frauen sich befestigt, – wenn auch nur durch luftgewebte Bande – spann sich auch hier an. Die Fremde wußte durch alle kleine Künste, die sich unbemerkt in Gespräch und Thun entfalten, das Vertrauen der Hausfrau zu erringen, und sich über das Gemüth derselben in's Klare zu setzen. Katharine, dieß einfach herzlichgute Wesen, schlicht, wie das Kleid, das sie trug, aber auch rein wie dieses, verhüllte nicht lange den Spiegel ihrer Seele, ohne daß sie daran gedacht hätte, einen Blick unbescheidner Neugier in die Augen des Gastes zu werfen. Die von dem Kaiser und ihrem Gatten ihr Anvertraute nahm nun die erste Stelle in ihrem Hauswesen ein. Sie war das Ziel aller kleinen Sorgen und Rücksichten geworden. Zart und anspruchslos bot ihr Katharine ihre dienstfertige Freundschaft, empfahl sie ihrer Güte das aus dem Schlummer erwachte Kind. Bilger sah dieß Alles mit an, und freute sich der Milde seines gefürchteten Besuchs; aber diese Freude war im Grunde nur die scheue Hoffnung auf einen bessern Ausgang. So unbefangen und heiter auch seine Züge schienen, wenn der Wohlstand verlangte, dem Gaste einige Worte der Theilnahme zu schenken, oder auf irgend eine gleichgültige Frage desselben zu antworten, so finster wurde sein Auge, so sturmbewegt sein Herz, wenn er sein Kind in den Armen der Fremden sah; wenn er vernahm mit welchen Schmeicheltönen sie das Mägdlein kirrte, – mit welcher Bereitwilligkeit das Kind ihre[310] Liebkosungen erwiederte. Ihm war, als müsse er dazwischen treten, sein Eigenthum an seine Brust drücken, um es vor bösem Zauber zu retten; aber kraftlos sank der aufgerichtete Nacken, und die ausgestreckte Hand, so bald Wallradens Blicke auf ihn fielen, und seine Gattin in ihrer unschuldigen Fröhlichkeit betheuerte, ihre Tochter habe sich außer den Eltern noch Niemand so liebevoll genähert, als ihrer werthen Gastfreundin. – Erst spät trennte man sich. Katharine geleitete das Fräulein auf ihr Gemach, und verrichtete den Zofendienst bei ihr, während der Wildmeister im weiten Armsessel bei düstrer Lampe Schimmer einsam und unruhig sich bald hin und her warf, bald mit verschränkten Armen wehmüthig und kummervoll vor sich hinsah. Die kurze Viertelstunde, binnen welcher sein Weib abwesend war, dünkte ihm eine Ewigkeit, und mit einer besondern Ängstlichkeit, schlecht verhehlt, um desto auffallender jedoch, suchte er in den Augen der Zurückkehrenden zu lesen. Katharine konnte nicht Ausdrücke genug finden, um die sanfte Herablassung und Bescheidenheit des Fräuleins zu beloben, und machte schließlich dem Gatten kund, daß die Fremde ihn morgen auf ihrem Gemache erwarten werde, um ihm einen Auftrag von hoher Wichtigkeit anzuvertrauen. Flammen schlugen nun aus dem bisher bleichen Gesichte des Herrn von der Rhön, und Katharinens Unbefangenheit konnte nicht umhin, diesen schnellen Farbenwechsel zu bemerken. – »Was ist Dir, guter Rudolf?« fragte sie besorgt: »bist Du krank? Dein Antlitz ist bald Glut, bald Asche. Du fieberst.[311] Rede doch; – reiße mich aus meiner Angst.« – Der Wildmeister lächelte verlegen, und versuchte es, ihrer Besorgniß zu spotten. »Ei, lieb Weib, wo denkst Du hin?« erwiederte er, so gefaßt als möglich: »Mir ist wohl, trotz Einem, und Du wirst mir's glauben, wenn ich Dir sage, daß ich jetzt noch nach den Fallen sehen will, die ich im Zwinger stellte. Ich vernahm vorhin einen Laut, wie das Gebelle eines Fuchses. Gewiß hat der Feind unsers Hühnerstalles, dem ich so lange nachgestellt, die Schnauze oder eine Klaue in der Falle gelassen. Geh indessen zu Bette; ich komme bald zurück.« – Katharine wollte ihn von diesem späten Rundgange abwendig machen, allein er blieb unbeugsam bei seinem Vorhaben. Ihm ward leichter, da er in der freien Luft stand, und der Nachtfrost kühlte wie ein weicher Balsam seine glühenden Pulse. Er löschte die Leuchte, die des Mondes Schein entbehrlich machte, und wandelte in dem Mauerschatten des schmalen Zwingers nachdenkend und überlegend dahin, bis ihn endlich im Dahinlaufen auch die Bewegung verließ, und er sich unwillkürlich fest in die dunkle Ecke schmiegte, welche das vorspringende Marienbild am Brunnen bildete. Während er nun sich in unbeweglicher Fühllosigkeit seinen trüben Gedanken überließ, hörte er jenseits des Verhau's am Graben einen leisen Werdaruf, und das Gesumme zweier Männerstimmen, das im Anfang unverständlich, dem aufmerksamen Zuhörer in der stillen Nacht bald vernehmlich wurde. »Ei so rede, Bertram,« sprach die eine Stimme: »überall verschlossen, sagst Du?« – »Wie ein Kloster;«[312] erwiederte der andre Mann: »Der grimmige Thorhüter berichtete mir, daß in der Nacht niemals ein Pförtchen geöffnet werde.« – »Sie ist aber doch im Schlosse?« fragte der Erste weiter. »Ohne Zweifel,« antwortete der Zweite: »man hat sie ja in der Dämmerung einreiten gesehen. Der Wildmeister hatte sie eingeholt.« – »Teufel! wenn ich genarrt wäre!« brummte der Erste: »Ihr Brieflein lautet so honigsüß, aber auch Gift kann man mit Honig würzen.« – »Ja wohl, Herr Graf;« meinte der Andre: »'s wäre nicht die Erste, die einen biedern Rittersmann Meilenweit am Faden gezogen hat.« – »Wenn das wäre, – wehe ihr!« sprach der Herr mit entschloßnem Tone: »Morgen wird sich's finden. Bleibt mir auch noch dann der Zugang zu ihr versperrt, so weiß ich, was davon zu halten sey, und kann das Schwert wetzen nach Lust und Rache. Ha; wäre der Kaiser nicht zurückgeritten nach der Stadt, ich würde glauben, das Weib lasse sich gefallen, mit uns den Fasching zu verlängern, aber der Himmel verdamme mich, wenn ich ......« Die Worte verklangen; weil der Sprechende sich vom Graben entfernte, und auch die Fußtritte der beiden Nachtwandrer verhallten bald in den nächsten Gassen. Der Wildmeister machte sich aus seinem Versteck hervor, und schlich nach seinem Wohngebäude. Bitter lächelnd schüttelte er den Kopf, schlug er die Arme übereinander. »Vor einem solchen Weibe muß ich schweigen?« seufzte er: »Sie, die mit Jedem ihr Spiel treibt, wie ich ververmuthe, – sie muß ich scheuen! Hartes Verhängniß, das mich in Fesseln schlug, die nur der Tod zu[313] lösen vermag! Rette nur Weib und Kind von Gefahr. Nur sie verschone!«
Wohl streckte er sich auf das weiche Lager, wohl schloß er die Augen zum Schlummer, aber das Bette wurde ihm zur Dornenhecke; ein qualvolles Wachen, nur dann und wann in Fieberträume ausartend, machte ihm die Nacht zu einer Ewigkeit von Pein. Und dennoch bangte ihm, da der Morgen graute, vor dem Tage. Zögernd entwich er seiner Lagerstätte, und ängstlich zählte er die Stunden, bis endlich diejenige herankam, die ihn zu seinem Gaste beschied. Erst nach wiederholter Aufforderung von Seiten seiner Gattin trat er den sauren Weg an, und klopfte mit zagendem Finger an die Thüre von Wallradens Gemach. Das Fräulein saß mit weiblicher Arbeit beschäftigt unfern von dem Ofen des weitläufigen Zimmers, und nickte kaum mit dem Haupte auf Bilger's geziemenden Gruß. Der Wildmeister fragte, näher tretend, mit unsichrer Stimme nach der Herrin Begehr. Wallrade heftete einen langen Blick auf den Schüchternen, einen Blick, in dem der Triumph eines entschiednen Übergewichts lag, und sprach, von der Frage abweichend, mit der Freundlichkeit, die den Scorpionstachel führt: »Zuvörderst meine Entschuldigung, Herr von der Rhön. Ich konnte mir jedoch die Lust nicht versagen, Euch in Eurem Hause heimzusuchen. Meine Ankunft kam Euch überraschend, fürchte ich.« – »Ich läugne es nicht;« antwortete Bilger mit Ruhe: »welches indessen auch der Beweggrund sey; laßt mich ihn vernehmen.« – »Ich stelle Euren Scharfsinn auf die Probe;« fuhr Wallrade[314] nach einer kleinen Überlegung fort: »Errathet, was mich zu Euch führt.« – »Dürfte ich,« sprach Bilger gemessen: »dürfte ich Euerm Munde glauben, was er gestern Abend sprach zu mir, zu Katharinen und dem Kinde, so möchte ich fast hoffen, daß Friede in Euerm Gefolge kömmt. War jene Freundlichkeit nur Larve, so fürchte ich um so mehr für meine Ruhe.« – »Das böse Gewissen pocht wieder an die Pforte;« entgegnete schlau lächelnd das Fräulein: »ich bin indessen nicht so böse, als Ihr glaubt, Bilger. Ich komme, Euch Gelegenheit zu geben Eurer Sünden quitt zu werden, mit einemmale. Es gilt die Erfüllung eines geringen Wunsches, und ich verspreche Euch,« – sie begleitete diese Verheißung mit einem verächtlich niedergleitenden Blicke – »mich ferner weder um Euch zu bekümmern, noch um diejenige, die Ihr Euer Weib nennt.« – »O sprecht, .. was ist's?« fiel der von der Rhön lebhaft ein: »Sprecht, wodurch werde ich Eurer Verachtung würdig? womit erkaufe ich das Glück, mich von Euch vergessen zu sehen?« – »Es gab eine Zeit,« versetzte Wallrade beißend: »wo alle Schätze der Welt Euch nicht über meine Gleichgültigkeit hätten trösten können. Die Jahre wechseln jedoch: mit ihnen des Menschen Sinnesart. Wohlfeiler kauft Ihr übrigens keine Lust auf Erden, als meine Verachtung, wenn Euer Arm noch nicht verlernte, das Schwert zu führen, oder Euch noch ein Keller zu Gebote steht, in dem sich's allenfalls sterben läßt, ohne von der neugierigen Mitwelt zu Grabe geleitet zu werden.« – »Eure Worte sind mir eben so viele Räthsel,« erwiederte[315] Bilger: »spannt meine Erwartung länger nicht auf die Folter. Hat jemals Mitleid Eure Brust bewegt, – o so versetzt Euch in meine Lage. Ein der Hölle Verfallner dürstet nach der Möglichkeit, wieder den Frieden zu gewinnen. Sprecht, ... wie erringt er das verlorne Kleinod?« – »Euer häuslich Glück hat Euch zum Kinde gemacht;« spöttelte Wallrade. »Indessen, ohne lange zu grübeln oder zu zögern, vernehmt, was ich von Euch begehre. Ein Mann wird sich heute oder morgen an den Thoren dieses Schlosses zeigen, und den Zutritt zu mir begehren; er wird sich auf eine Aufforderung von meiner Hand stützen. Ein kühner Blick, ein braunes Antlitz und eine hohe Schulter zeichnen ihn aus. Mit einem Worte: der Graf von Montfort ist's, den ich zu fürchten Grund habe. Der Eitle warb um meine Gunst, bildete sich ein, in deren Sonnenhöhe zu stehen, und hat mir entsetzliche Rache geschworen, da er seinen Irrthum einsah. Ich, ein schwaches unvertheidigt Weib, müßte früh oder spät seiner Unversöhnlichkeit zum Opfer fallen; darum hab ich's vorgezogen, den Eisenkopf durch List in eine Schlinge zu ziehen, der er nicht entrinnen soll, sobald Ihr mir die Hand reicht. Der Kaiser hat mich Euch vertraut; ich weiß es, denn ich halte die Fäden des Gewebes. Verseht Euer Amt; der zudringliche Frauenschreck finde an Euerm Schwerte seinen letzten Augenblick, oder verkümmre auf ewig in Euerm Verließe. So nur sättigt sich mein beleidigt Ehrgefühl, so nur beruhigt sich mein Herz.« – Bilger schwieg betroffen eine lange Weile; darauf wandte er[316] sein kummertrübes Auge zu Wallraden, und sprach: »Ist es denn nicht genug, Wallrade, daß Deine grausame Arglist gerade mein Haus ausgesucht zum Schauplatze Deiner trügerischen Ränke? Gerade meine Obhut angesprochen zum Schutze gegen betrogne Freier, zum Deckmantel eines unwürdigen Verhältnisses, das eine Königskrone selbst nicht zu adeln vermag? Muß denn auch meine Hand es seyn, die Du aufforderst in unritterlichem Thun?« – »Und wessen Hand sonst?« fragte Wallrade kurz und herrisch: »Ist sie nicht mein? Ich dinge keine Miethlingsfaust, so lange ich einer Leibeigenen zu befehlen habe. Auf Euch kömmt's an, ob Ihr meinem Recht im Stillen huldigen wollt durch Gehorsam, oder ob ich mein Eigenthum vor dem Reiche zurückzufordern habe.« – »Welch einen Preiß verlangt Ihr, Unbarmherzige!« wendete Bilger seufzend ein: »Um ein Vergehen zu sühnen, soll ich ein doppelter Verbrecher werden!« – »Wählt!« rief Wallrade streng: »Der, der mir Rache schwur, darf nicht mehr athmen unter den Lebendigen. Schafft ihn hinweg, und Vergessenheit des Vergangnen, die Ruhe Eurer Zukunft sey Euer Lohn. Weigert Euch hingegen, und aus sey das Gaukelspiel. Ich werde reden, wo Ihr verstummt, und aus meinem Munde sprudle ich Schande auf Euer zerbrochnes Wappenschild, Schande und Tod auf Euer Haupt, Zeter und Schmach auf Alle, die Euch angehören.« – »Halt ein! giftgeschwollner Wurm, der meines Lebens Blüte zernagte!« unterbrach Bilger ungestüm die Zürnende: »Die tiefste Erniedrigung hat eine[317] Gränze. Zehnfach schon büßte ich für den mir abgedrungnen Frevel; nicht länger will ich vor den Drohungen eines Weibes, zittern, das ich verabscheue. Zu Deinem Wächter wurde ich bestellt, nicht zu Deinem Mordknechte. Das will der Kaiser nicht, der getäuschte Kaiser, der nicht ahnt, was Deine glänzende Hülle birgt. Aber, er wird meine Stimme hören; zu seinen Füßen will ich Alles bekennen; er wird verzeihen, mir die Ritterhand reichen!« – »Verzeihen? retten?« lachte Wallrade tückisch: »Thor! vergeßt Ihr, daß Sigmund zu meinen Füßen liegt; daß er seine Pflichten hintansetzt, um mir hier in stiller Abgeschiedenheit seine Huldigung darzubringen? Ein Wort nur kostet's mir, und Ihr steht auf dem Rabensteine, .. Katharine wandert zum Spittel, und Eure Kinder – hört Ihr? – Eure Kinder, Blödsinniger, sind schmachbedeckte Bettler!« – Mit einem Laut aufzuckender Verzweiflung taumelte Bilger zur Thüre, die jedoch im selben Augenblick von einem rasch Daherstürmenden aufgerissen wurde. Der Graf von Montfort stand vor den Staunenden. »Ich will doch sehen,« sprach er in ungestümer Jast: »ich will doch sehen, ob eine Thüre hier im Schlosse dem Geschlechte Montfort verboten seyn kann, das in Habsburg's Vesten frei aus- und eingeht. Ihr habt unhöfliche Wächter zu Euren Thoren bestellt, Herr von der Rhön. Die Bursche wagten es, einem Manne von meinem Ansehen den Einritt streitig zu machen, obwohlen mich Ehre und Minne hieher berufen.« – »Sie thaten nach meinem Gebot;« erwiederte Rudolph, der in dem Trotz des Fremdlings[318] seine Fassung wieder gefunden hatte. – »Desto schlimmer!« brauste der Graf auf: »Ich werde, sobald ich diese Dame hier gesprochen, auch mit Euch ein Wort reden, wie es waffenfähigen Mannen zukömmt. Bis dahin verlaßt uns!« – Bilger gab nichts auf die wegweisende Geberde, und versetzte kalt und bestimmt: »Ich bin der Hüter dieser Edelfrau; befugt, zudringliche Gäste von ihr abzuhalten. Ihr seyd ein solcher, und sie fürchtet von Euch Gefahr. Darum geht in Gutem, ehe ich vergesse, welches Wappen Ihr führt.« – »Montfort's Heerschild war seinen Gegnern immer schrecklich;« antwortete der Graf mit blitzendem Auge: »ich muß mich wundern, in Euch einen hartnäckigen Feind zu treffen, da Euch Niemand aufgefordert, mir die Spitze zu bieten. Das Fräulein von Baldergrün ist von keinem Manne abhängig, und als die Freundin Eures Ehgemahls nicht Eure Magd geworden. Ihr Wunsch berief mich hieher; ich begreife deßhalb nicht, wie Ihr es wagen mögt, zwischen mich und meine Braut zu treten.« – »Eure Braut?« lachte Bilger bitter: »Gleichviel; ich muß Euch bitten, außer diesem Schlosse den Freiwerber zu machen; so lange Fräulein Wallrade in dem Hause wohnt, das ich bewache, treibe ich die Überlästigen von meiner Schwelle.« – Ein Blick, zermalmend wie der Blitz, flammte aus Montfort's Auge über den kühnen Wächter, und zornschnaubend wendete sich der Graf zu Wallraden. »So sprecht doch Ihr, Fräulein;« stammelte er: »sprecht doch selbst. Duldet es nicht, daß Euer Bräutigam, ein Werdenberg, von einem Dienstmanne[319] beleidigt werde, wie man einem unverschämten Possenreisser zu thun pflegt. Redet: bin ich nicht hier mit Eurer Genehmigung, in Folge Eures Begehrs?« – Unverwandten Blicks betrachteten die beiden Männer Wallraden, die, gleich einer verschämten Braut, die Augen niederschlug, und endlich zögernd begann: »Was uns bindet, was uns verknüpft, edler Montfort – gehört es wohl vor den Richterstuhl des harten Mannes, der ohne meine Zustimmung den Meister über mich zu spielen wagt? Der Gewalt des Augenblicks unterthan, darf ich nicht reden, wie mein Herz es verlangt. Wenn Freiheit wieder mir geworden – nur dann fragt mich wieder.« – »Bei des Erlösers Geburt!« antwortete Montfort, den Kopf schüttelnd: »Eure Reden sind mir dunkel wie die sybillinischen Bücher. Das Eine nur ersieht mein Verstand daraus, daß Ihr weniger ein Gast in dieser Burg seyd, denn eine Gefangene, und wenn ich mir alles zusammenreime ...... so steckt Lüzelburgsche List hier unter der Decke. Darum sollt' ich gen Frankfurt reiten? Höll' und Teufel! weiche aus dem Gemache, königlicher Kuppelknecht!«
Die schwere Beleidigung entrüstete den Wildmeister dermaßen, daß er wüthend nach der Klinge faßte, aber eine rasche Geberde Wallradens, die ihm über die Schulter des vertretenden Grafen ein Zeichen gab, denselben nicht zu schonen, bändigte das Gefühl gereizter Ehre, um nur der unbegränztesten Verachtung Raum zu lassen. Bilger hielt den Arm des streitlustigen Montfort auf, und sprach zu dem Staunenden: »Laßt die Waffen ruhen, Herr[320] Graf, und scheltet mich nicht feige, ob solcher Aufforderung. Schön ist's, für die Ehre einer tugendhaften Frau das Leben auf das Spiel zu setzen; aber allzukostbar ist das Blut zweier Biedermänner, wenn es dem Verrath zum Opfer fließen soll!« – »Was bedeuten diese Worte?« fuhr der Graf auf: »Hinter Euch lauscht der Verrath, der mich verderben soll, und meines einst'gen Weibes Ehre.« – »Wünscht Euch das Ungeheuer nicht zum Weibe!« brach Bilger los von Wallradens Trotz empört: »Nicht ich legte Euch Schlingen; – die Gräßliche hat selbst Euch verlockt, und mich zu einem Henkerdienste aufgefordert, den ich ihr verweigerte. Verrathner! Sie hintergeht Euch, den Königsecker, und ihren fürstlichen Buhler. Ihr Leben war nur eine Lüge. Nie hat diese stolze Felsenbrust das Gefühl gekannt; nie noch Liebe empfunden. Blos das Feuer wilder Lust, oder des Hasses Glut entzündet ihr Herz. Die Bande des Blutes, wie der Neigung tritt sie zu Boden, und nimmer noch verzieh sie dem, der nur mit einem Blicke sie geschmäht. Glaubt mir, getäuschter Montfort; ich kenne die in böser Leidenschaft Unersättliche. Verlaßt sie, folgt nicht ihrer Spur. Lächelnd mordet sie Euch, und spottet Eurer im Arme eines Andern, dem ihre Hinterlist ein Grab neben dem Eurigen gräbt.«
Bilger schwieg erschöpft mit bebender und bleicher Lippe, und seine heftige Rede hatte ihre Wirkung auf Montfort's Gemüth nicht verfehlt. Der Graf stierte den Sprecher athemlos an, und trat scheu von Wallraden zurück. – »Welch ein Scheusal[321] malt Ihr mir!« sprach er endlich mit halb unterdrückter Stimme: »Diese gleisende Hülle wäre also wirklich nur der Balg einer giftigen Schlange? Meine Ahnung, meine innerste Seele hätten mich also nicht hintergangen? Ja, ja, Herr von der Rhön! Ihr habt wahr geredet; Wallradens stumme Lippe bezeugt es, die Todtenfarbe, die ihr Antlitz überzieht. Eure unerwartete Offenherzigkeit hat ihre Gestalt in Stein verwandelt, aber diese Hülflosigkeit der Sünde erregt nicht mein Mitgefühl; sie reizt mich nur auf zur That, und ich will untersuchen, ob auch ihr Herzblut zu Eis geworden ist!« –
Mit einem durchdringenden Schrei flog Wallrade zum Fenster, da der blindwüthende heftige Mann mit dem Stahle in der Faust auf sie zustürzte. Bebend wie das Laub der Espe umklammerte sie den gehaßten Rudolph, der sich mit aller Mannskraft zwischen die Beiden geworfen hatte, und mit übermenschlichem Ringen den gereizten Tiger von seiner Beute abhielt. Nach heftigem Kampfe mußte der schwächere Graf von seinem blutigen Vorhaben ablassen, und ergab sich zähnknirschend in den Willen des Überwinders, der seine Pflicht, Wallraden nichts Leides geschehen zu lassen, als eine heilige behauptete, und den Bezwungnen ermahnte, augenblicklich das Schloß zu verlassen, und des Königs Frieden nicht länger zu stören, wolle er nicht Hand und Haupt verwürken. »Wohl!« keuchte Montfort, mit seinen wilden Blicken Wallraden durchbohrend, die eine wundersame Mischung von Frechheit, Wuth, Furcht und drohender Schadenfreude in ihren Zügen[322] trug: »Der Bann des Königs ist mir heilig; des Königs Metze nicht. Zittre Weib, mir jemals wieder zu begegnen! Zittre vor meiner Vergeltung. Montfort kennt nur eine Liebe, aber auch nur einen ewigen Haß!« Mit furchtbaren Geberden ging er davon, schwang sich auf das Roß, das sein Leibknecht im Hofe hielt, und sprengte wie ein Rasender über die Schloßbrücke. Bilger hatte nach ihm Wallradens Zimmer verlassen wollen; das Fräulein hielt ihn jedoch mit Riesenkraft zurück, obgleich ihre Pulse flogen, die Lippe zitterte, und der Busen sich so ungestüm hob, daß jedes Wort nur gebrochen und klanglos ihrem Munde entfliehen konnte. »Einen Augenblick noch;« stammelte sie, während die Hölle in ihrem Auge aufflackerte: »hört mein letztes Wort zu Euch. Ihr habt mich entehrt und dem Feinde in tiefster Schmach gezeigt. Der Verbrecher hat über mich den Sieg davon getragen. Der Himmel mag Euch vergeben, von mir erwartet nun keine Schonung. Ich überantworte Euch dem Henker, der Schande Eure Buhlerin und ihre Brut.« – »Weib!« donnerte der Wildmeister rollenden Auges: »Verhänge über mich, was Du willst. Die Meinigen schone aber. Schone sie, oder ich würge Dich hier zu Tode!« – Schreckhaft fuhr Wallrade zurück, und erwiederte wie oben: »Um Euch ein neu Verbrechen zu ersparen, wohlan! so wählt eine härtre Strafe freiwillig, härter als der Tod. Flieht hinweg von Euerm Herd .... laßt Alles dahinten, was Ihr mit sündiger Liebe umfaßt; ... laßt Euern Namen vergehen und Euer Gedächtniß, wie das eines Gestorbnen,[323] und ich will schweigen, will genug haben an Euerm langsamen Dahinwelken auf fremdem Boden, genug an der ewigen Trauer der verlassenen Waisen! Aber fort müßt Ihr seyn, ehe noch das Abendroth niedergeht; fort ohne jemals wiederzukehren, sonst nehm' ich mein Gnadenwort zurück. Wählt! Werdet flüchtig wie Kain und lebet, oder bleibt und sterbt mit den Euern!« – Die Drohende ließ des vernichteten Mannes Hand los, und er enteilte wie wahnsinnig dem Aufenthalte seiner erbitterten Feindin. Im Sturme seiner Gefühle hatte er nicht die Hornklänge vernommen, die einen neuen Besuch angekündigt hatten, welcher eben die Treppe heraufkam. Der Kaiser war es wieder; zu seiner Rechten die schüchterne und ängstliche Hausfrau des Wildmeisters, die ihrem verstörten Gatten Blicke der furchtsamsten Besorgniß zuwarf. Denn Sigmund war nicht der leutselige herablassende Fürst, wie er noch gestern sich gezeigt; heute glühte die Röthe des Zorns auf seiner Stirne, und von beleidigtem Stolze, vielleicht auch von Eifersucht glänzten die Augen. Kaum eines Blicks würdigte er den Wildmeister. »Ihr kommt sehr spät, um meinen Willkomm zu empfangen!« herrschte er dem Bestürzten zu: »Auch bin ich in Verlegenheit, wie ich Euch zu begrüßen habe: als einen minnelustigen Fant, der in einem fremden Garten Früchte naschen möchte, die ihm nicht bestimmt; oder als einen schlauen, aber ertappten Kuppler.«
»Kaiserliche Majestät!« stotterte Bilger, empört und gekränkt. – »Als einen schlauen aber ertappten Kuppler!« fuhr Sigmund kalt und vernichtend[324] fort: »Ich sagte es, und wahr ist mein kaiserlich Wort, denn so eben hat erst der pflichtvergeßne Montfort das Städtlein und dieses Schloß verlassen. Rechtfertigt Euch nicht, fürchtet meinen Zorn, und weicht ihm aus. Euer Weib wird mich an Eurer Statt zu dem Gemache des Fräuleins von Baldergrün geleiten.« – Verächtlich wandte der Kaiser dem Betroffnen den Rücken, und Catharine, nachdem sie durch klagende Geberden den Antheil ausgedrückt, den sie am Mißgeschicke ihres Gatten nahm, folgte dem Herrscher unterwürfig.
Wie ein Trunkner taumelte Bilger die Stiege hinunter, auf deren letzten Stufe Preyswerck, des Kaisers Hofnarr und lustiger Rath saß; sein einziger Begleiter auf dem Ritte zum Liebchen. Der Bursche nickte freundlich mit dem geschornen Haupte dem Wildmeister zu, und sprach, indem er ihn am Saume des Gewandes festhielt: »Wollt Ihr ein schön Stücklein lernen, wie es die Sperlinge auf den Dächern, und die Narren auf allen Gassen singen?« – »Laßt mich;« gab Bilger unwirsch zur Antwort: »mir ist's jetzo wahrlich nicht um der Narren Gesang zu thun.« – »So?« fuhr Preyswerck gemüthlich fort: »so? dann müßt Ihr zwei Stücklein lernen. Das Erste heißt: ›Herrengunst und Vogelsang ist lieblich, aber dauert nicht lang‹ – und das Andre, das Ihr nothwendig wissen solltet, wärt Ihr ein vollendeter Waidmann, ist nach des Roland's Melodie zu singen und klingt also: ›Edler Falk, man spannt auf Dich, schüttle Dein Gefieder! Edler Falk, so flüchte Dich – kehre nimmer wieder!‹« – »Habe[325] Dank, ehrlicher Narr!« erwiederte der Wildmeister: »Den Rath, den Deine lustige Zunge gab, muß meine Verzweiflung, befolgen. Grüße mein Weib tausendmal und dem Kaiser sage: Bei dem Zorne sey keine Gerechtigkeit, darum wollte ich auch keine von ihm verlangen, sondern hingehen, wo man mich nicht zwingt, ein lockres Weib statt des Wildes zu hüten. Catharine möge mein gedenken, und ...« Ausbrechende Thränen machten ihn hier in seiner Rede verstummen. Gewaltsam: riß er sich von dem lustigen Rathe los, stürzte in das Zimmer, wo seine Tochter harmlos spielte, drückte die Kleine unzähligemale an seine Brust, schwang sich auf ein ungesattelt Pferd, und verließ auf dessen schnellen Hufen das Haus, das er wie ein Geächteter und Gebannter zu fliehen gezwungen war. Der Gedanke, Sigmund's Entrüstung werde sich neu entzünden an Wallradens Wuth, gab seinem Rosse den scharfen Sporn, und weniger sein bedrohtes Leben suchte er in Sicherheit zu bringen, als seine Ehre, den Leumund der Gattin, und seines Kindes zukünftig Geschick.
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