Dritter Auftritt.

[10] Die Vorigen, Madame Pfeil.


MADAME PFEIL. Wie Herr Frank? Sie hören daß die grosse Madame Pfeil hier ist und kommen nicht zu mir? suchen mich nicht auf?[10]

EILER verlegen. Eben war er im Begrif zu Ihnen zu gehen.

PUF für sich. Die steckt uns alle in Pantoffel.

MADAME PFEIL zu Eiler. Nun haben Sie's ihm schon gesagt? – – Zu Frank. Sie sind in mißlichen Umständen, Herr Frank? ich will Sie herausreißen, will mich bei Ihnen engagiren. Aber alle erste Rollen, von der Subrette bis zur Königinn muß ich bekommen. Was geben Sie mir Gage?

FRANK. Madame. – – –

EILER. Zehn Thaler die Woche.

MADAME PFEIL. Was! der großen Pfeil nur zehn Thaler! Herr, man sieht's, daß Sie ihren Vortheil nicht verstehn, darum sind Sie auch zu Grunde gegangen. Für meinen Namen allein sollten Sie 10 Thaler geben.

FRANK. Madame! ich habe alle Achtung für Ihre Bedienste, aber meine Umstände erlauben mir überhaupt nicht, Sie –

EILER heimlich zu Frank. Ich bitt' Sie um alles in der Welt nehmen Sie sie an!

PUF. Mehr als 12 Thaler kann er Ihnen wahrhaftig nicht geben.[11]

FRANK heimlich zu Puf. Ich mag sie gar nicht.

PUF. Sie müssen die Ehre, daß Sie die ganze Gesellschaft in Leben und Thätigkeit erhalten, und berühmt machen werden, auch in Anschlag bringen.

FRANK für sich. Ja wohl berühmt!

MADAME PFEIL. Nun gut, aus Barmherzigkeit sollen Sie mich für 12 Thaler haben. Von meinen Talenten werden Sie keinen Beweis fordern, das bin ich überzeugt; aber Sie sollen sehen wie weit ich's im Unterrichten gebracht habe. Sie werden erstaunen, was Herr Eiler unter meinen Händen für ein Akteur geworden. Zu Eiler. Kommen Sie, wir wollen die Scene aus dem aufgehetzten Ehemann spielen. Geht etwas zurück.

EILER heimlich zu Frank. Sehn Sie wohl, da muß ich schon wieder spielen.

PUF. Ich will souflieren.

EILER. O ich hab sie so oft spielen müssen, daß ich keinen Soufleur brauche.

MADAME PFEIL. Nun, wird's bald?

EILER. Gleich! gleich! Geht etwas auf und ab, und setzt sich in den Charakter. »Nun will ich meines Freundes Lehren in Ausübung bringen. Wenn ich nur den Ton recht treffe – – – Ich will anfangs[12] gar nicht thun, als ob ich sie sähe – Wenn sie aber itzt käme – wahrhaftig, das verrückte mir mein ganzes Konzept. – So wahr ich lebe, da ist sie.«

MADAME PFEIL. »Nun? Wozu brauchen Sie mich Sir Harry?«

EILER. »Ich Sie brauchen? Ich wüßte nicht wozu Sie in Ihrem Leben nutz gewesen wären?«

MADAME PFEIL. »Sie ließen mir ja den Augenblick sagen, Sie hätten was nothwendiges mit mir zu sprechen? sonst wär' ich wahrhaftig nicht so bald gekommen.«

EILER bei Seite. »Ich glaube mein Seel, ich fange das Ding unrecht an. Es hätte alles wie von ungefehr kommen sollen. Was Henker soll ich ihr nun sagen?« Laut. »Wie gefällt dir mein neues Kleid Schatz? Macht's nicht rechten Staat?«

MADAME PFEIL. »Weiter hast du mir nichts zu sagen?« Will fort.

EILER vertritt ihr den Weg. »Nicht von der Stelle bis Sie meine Frage beantwortet haben. Höflich oder unhöflich, wie's Ihnen beliebt, ich bin auf beides gefaßt.«

MADAME PFEIL. »Wollen Sie etwann mit diesen[13] Grimaßen Ihr Betragen von heute früh wieder gut machen?«

EILER auf und abgehend.

Ihr Götter schenktet mir ein Weib,

aus großer Gunst zum Zeitvertreib.

MADAME PFEIL. »Wissen Sie wohl, daß ich nicht Lust habe eine solche Begegnung länger zu ertragen, und mich wie einen Handschuh aus- und anziehen zu laßen?«

EILER. »Reden Sie mit mir Madame?«

MADAME PFEIL. »Mit wem sonst?«

EILER. »Wahrhaftig Kind, ich wußte nicht, daß du im Zimmer wärst.«

MADAME PFEIL. »Wahrhaftig Kind, das ist eine lächerliche Affektation.«

EILER bey Seite. »Nun fängt's an zu operiren, wenn ich nur kalt bleiben kann.«

Laut.


»Doch wenn zu einem grössern Glück

Sie eure Gnade will erheben,

Gehorch ich gern. – Nehmt sie zurück.

Ich hoffe ohne sie zu leben.«

MADAME PFEIL. »Abgeschmackt!«

EILER hart an ihr vorbeygehend. »Ohne sie zu leben! ohne sie zu leben!«[14]

MADAME PFEIL stößt ihn von sich. »Einfältig!«

EILER. »Ja Madame!«

MADAME PFEIL. »Ja mein Herr, ja!«

EILER. »In Ihr Zimmer! Sogleich! den Augenblick! Und lassen Sie sich das ein für allemal gesagt seyn, nicht wieder in das Zimmer zu kommen, wo ich mich anziehe. Eines Mannes ernsthafte Stunden müssen nicht durch weibliche Unverschämtheiten gestöhrt werden.«

MADAME PFEIL. »Eines Mannes? ha ha ha!«

EILER. »Solche freche Mienen schicken sich gar nicht für Sie Madame! – – Aber so ein albernes Ding ist meines männlichen Zorns unwerth! – Gehn Sie mit Ihrem Spielwerk, ich will allein seyn.«

MADAME PFEIL. »Itzt bleib ich ihnen zum Trotz da.«

EILER. »Soll ich Sie den Gehorsam lehren, den eine Frau den Befehlen Ihres Mannes schuldig ist?«

MADAME PFEIL. »Mannes? Der Himmel behüte jede Frau für so einem Manne! – – Ein Federball schickt sich besser für Sie als eine Frau.«

EILER. »Und – Erlauben mir Ew. Naseweisheit Ihnen zu sagen: Eine Puppe schickt sich[15] besser für Sie als ein Mann. – Da haben Sie's wieder.«

MADAME PFEIL. »Sie bleiben doch zeitlebens ein Fratz!«

EILER. »Und Sie zeitlebens eine Närrinn Frau Schnipps.«

MADAME PFEIL. »So bin ich gerade die rechte Gesellschaft für Sie.«

EILER. »Tschu! Tschu! Tschu!«

MADAME PFEIL. »Auserordentlich artig! wo haben Sie gesehn, daß ein Mann seiner Frau so begegnet?«

EILER. »Wo haben Sie gesehen, daß eine Frau Ihrem Manne so begegnet? Der Henker hohle mich, man thäte besser, man würde ein Galerensclave, als daß man sich so ein einfältig Ding an Hals hängt, das zu nichts nütze ist als ein Schnupftuch zu säumen.«

MAD PFEIL. »Und wahrhaftig eine Frau thäte besser, sie würde eine Bänkelsängerinn, als daß sie sich einen solchen Laffen auf den Hals ladet, der Zeitlebens das Schulbuch auf dem Rücken tragen sollte.«

EILER. »Es geschieht mir ganz recht.«

MADAME PFEIL. »Mir auch! Ich hätte bedenken sollen, daß man einen Mann so wenig nach dem Augenmaaß beurtheilen kann als einen[16] Schuh; diesen muß man erst anprobiren, jenen kennen lernen.«

EILER. »Und ich hätte nicht so einen schlechten Geschmack haben, und meine Frau in der Maske wählen sollen.«

MADAME PFEIL. »Wie? Sie haben mich in der Maske gewählt?«

EILER. »Ja, und noch dazu in der gefährlichsten von der Welt.«

MADAME PFEIL. »Die ist?«

EILER. »Das bloße Gesicht.«

MADAME PFEIL. »Mein Gesicht wär' eine Maske? Nein, so laß ich mich nicht schimpfen – Ich will's meinem Papa sagen« – Bey Seite. So hat er noch nie mit mir gesprochen! Er muß von jemand aufgehetzt seyn.

EILER. »So recht. Weinen Sie sich hübsch die Augen roth, damit's ihnen Jederman ansieht, daß Sie vor Ihrem Mann im Gericht gestanden, und Sie hübsch über ihn klagen können, wie ein kleines Kind.«

MADAME PFEIL weinend. »Unartiger Mann! hab ich solch eine Begegnung verdient?«

EILER bey Seite. »Itzt weiß ich mir nicht zu rathen. Wenn doch itzt Lord Medway da wäre! Für Thränen hat er mir keine Lection gegeben.«[17]

MADAME PFEIL. »Ich opferte ihm alle Männer auf, und noch! das ist mein Dank!«

EILER bey Seite. »Ein verdammter Pfeil! der greift ein! das fällt mir so verteufelt angenehm aufs Herz, daß ich meine ganze Lection vergesse.«

MADAME PFEIL. »Ich will ihn nun aber auch herausreißen aus meinem Herzen.«

EILER. »Nein, nein, das will ich nicht. Das will auch Lord Medway nicht. Ich muß einlenken. Wenn ich nur wüßte wie?« Geht in komischer Unentschlossenheit auf sie zu. »Hilf Himmel, wie barbarisch ist dein Kopf aufgesetzt?«

MADAME PFEIL für sich. »Ich will nachgeben, vielleicht komm ich dahinter, wer ihn gegen mich verhetzt hat.«

EILER. »Du siehst wie zehn Furien aus, auf Ehre eine wahre Meduse!«

MADAME PFEIL ganz sanft. »Die Frisur gefällt dir also nicht? so will ich morgen meinen Frieseur abdanken.«

EILER. »So steht er dir gewiß selber nicht mehr an. Denn mein Urtheil hat sonst eben nicht das Glück dir sehr zu gefallen.«

MADAME PFEIL. »Ich versichere dich, ich glaube die Frisur steht sehr gut, wenn ich also den[18] Frieseur abschaffe, thu' ich's blos dir zu Gefallen.«

EILER für sich. »Ich glaube, ich werfe mit meinem Projekt um! – Standthaft!« Laut. Spöttisch. »Ich kann mirs einbilden! Das ist dein einziges Dichten und Trachten.«

MADAME PFEIL. »Wahrhaftig mein Schatz, das würd' es seyn, wenn du mir's nur erlauben wolltest.«

EILER. »Liebstes Weib! Sag das noch einmal, es klingt gar zu gut, wenns auch nicht wahr ist.«

MADAME PFEIL. »Auf Ehre, mein Schatz! Ich wünsche mit meinem Putz niemand lieber zu gefallen als dir.«

EILER. »Was für ein verhenkert angenehmes Gefchöpf wären Sie, wenn Sie immer bey der Laune blieben.«

MADAME PFEIL. »Das wird nur auf Sie ankommen. Mein unartiger Engel!«

EILER. »Nun ich will wahrhaftig diese Freude so lange zu erhalten suchen, als Sie sich nur will halten lassen.«

MADAME PFEIL. »Ich will wenigstens nie wieder mit dir zanken.«

EILER »Gewiß?«

MADAME PFEIL. »Auf Ehre!«[19]

EILER. »Auch ich nicht mit dir, so war ich lebe! Wollen wir uns auch lieben?«

MADAME PFEIL. »Unaussprechlich!«

EILER. »Topp! Ich will an allem was du thust, nichts aussetzen.«

MADAME PFEIL. »Und ich nichts an allem, was du sagst.«

EILER. »Ich will dir in nichts widersprechen.«

MADAME PFEIL. »Und ich dir in allem Recht geben.«

EILER. »O du allerliebstes kleines Herz du!« Er küst ihr die Hand.

MADAME PFEIL. »O du allerliebster kleiner Schelm du!« Sie klopft ihn auf die Backen.

EILER. »Warum haben wir uns denn gezankt mein Engel?«

MADAME PFEIL. »Das mußt du wissen, mein Schatz!«

EILER. »Ja ich weis wohl; Lord Medway bedauerte mich immer so – –«

MADAME PFEIL. »Weswegen?«

EILER. »Daß ich dich geheurathet hätte.«

MADAME PFEIL. »Im Ernst?«

EILER. »Auf mein Wort!«

MADAME PFEIL. »Der Verräther! Mir machte ers eben so, und sagte: du warst mich nicht werth.«[20]

EILER. »Der Bösewicht!«

MADAME PFEIL. »Und trug mir seine Liebe an.«

EILER. »Der Treulose!«

MADAME PFEIL. »Hör mein Kind, komm in mein Kabinet, wir wollen uns rächen, und ihm ein Billet schreiben.«

EILER nimmt sie um den Leib und führt sie zurück. »Ja das wollen wir.«

MADAME PFEIL zu Frank. Nun, was sagen Sie?

FRANK Ihr Schüler macht Ihnen Ehre.

PUF. Gezankt haben Sie ganz unvergleichlich Madame!

MADAME PFEIL mit einem zornigen Blick. Und die Liebhaberinn?

FRANK ironisch auf Eilern zeigend. Davon haben wir hier den besten Beweiß.


Quelle:
Wolfgang Amadeus Mozart: Der Schauspieldirektor. Wien 1786, S. 10-21.
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