Dreiundachtzigstes Kapitel.

[220] Unterhaltendere Scenen hat's in unserer Familie nie gegeben, – und der Wahrheit die Ehre! – hier nehme ich meine Kappe ab und lege sie dicht neben mein Dintenfaß hin, damit meine Erklärung dem Publikum gegenüber feierlicher werde – vielleicht, daß Liebe und Parteilichkeit mich blind machen, aber ich glaube aufrichtig, daß der allmächtige Schöpfer und Urheber aller Dinge nie eine Familie zusammenbrachte (wenigstens nicht zu der Zeit, wo ich diese Geschichte schreibe), deren verschiedene Charaktere zu solchen Scenen passender gebildet oder glücklicher einander gegenübergestellt gewesen wären als die unsrige, oder daß er je einer reichlicher die Fähigkeit verliehen hätte, ununterbrochen vom Morgen bis zum Abend solche Scenen herbeizuführen, als der Shandy'schen Familie.

Unterhaltendere also, sagte ich, hat es nie auf dieser kleinen Familienbühne gegeben, als die waren, welche aus Veranlassung eben dieses Themas von den langen Nasen entstanden, besonders wenn meines Vaters Phantasie durch die kritische Untersuchung erhitzt war, und er durchaus meines Onkel Toby's Phantasie auch erhitzen wollte.

Mein Onkel Toby ließ ihn ruhig gewähren; mit un endlicher Geduld saß er ganze Stunden lang da und rauchte seine Pfeife, während mein Vater gegen seinen Kopf manövrirte und auf alle mögliche Weise versuchte, Prignitz' und Scroderus' Hypothesen hineinzubringen.

Ob es über meines Onkels Verstand ging, – oder ob das Gegentheil der Fall war, – oder ob sein Gehirn wie feuchter Zunder den Funken nicht fangen konnte; oder ob Minen, Gräben, Blenden und Courtinen es verhinderten eine klare Einsicht in die Doktrinen der Prignitz und Scroderus zu gewinnen, – ich weiß es nicht, mögen Schulmänner, Küchenjungen, Anatomen und Ingenieure das unter sich ausfechten.

Ein Uebelstand bei der Sache war wahrscheinlich der, daß mein Vater meinem Onkel Slawkenbergius' Latein Wort für Wort übersetzen mußte, und daß die Uebersetzung, denn er war[221] darin kein großer Held, namentlich dann, wenn etwas darauf ankam, gewöhnlich nicht sehr genau war. Dies hatte den weitern Uebelstand zur Folge, daß, wenn mein Vater recht in Eifer gerieth und meinem Onkel die Sache recht klar machen wollte, seine Gedanken der Uebersetzung ebenso viel vorausliefen, als die Uebersetzung den Gedanken meines Onkels, was denn allerdings nicht sehr dazu diente, den Vortrag meines Vaters verständlich zu machen.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 1, Leipzig, Wien [o. J.], S. 220-222.
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