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[192] Zehn Jahre lang nahm es sich mein Vater jeden Tag fest vor, dem Dinge abzuhelfen, – noch heute ist ihm nicht abgeholfen. In keiner Familie, als eben in der unsrigen, würde man es eine Stunde lang haben ertragen können, und das Erstaunlichste dabei war, daß mein Vater über keinen Gegenstand so beredt sein konnte, als über die Thürangeln. Dessen ungeachtet spielten sie ihm so arg mit, wie diese Geschichte kein zweites Beispiel bietet. Seine Beredsamkeit und seine Handlungsweise lagen sich fortwährend in den Haaren. So oft die Gastzimmerthür geöffnet wurde, so oft erlitten seine Philosophie oder seine Grundsätze eine klägliche Niederlage; – drei Tropfen Oel auf eine Feder geträuft und ein leichter Schlag mit dem Hammer hätten seine Ehre auf immer gerettet.
Was für ein widerspruchsvolles Wesen ist doch der Mensch! Er seufzt über Wunden, die er Macht hat zu heilen! sein ganzes Leben ist eine Verleugnung besserer Erkenntniß! seine Vernunft, dieses kostbare Geschenk des Schöpfers, dient ihm nur dazu, seine Empfindlichkeit zu reizen (statt Oel darauf zu gießen), seine Qualen zu verdoppeln und ihn nur noch trauriger und elender[192] zu machen! Armes, unglückseliges Geschöpf, das so handelt! Giebt es denn in diesem Leben nicht genug unvermeidliche Veranlassungen zum Elend, daß er noch freiwillig die Zahl seiner Leiden mehrt? Muß er denn gegen Uebel kämpfen, denen er sich nicht entziehen kann, und dazu noch andern sich unterwerfen, die er mit dem zehnten Theil der Unruhe, die sie ihm verursachen, für immer aus seinem Herzen bannen könnte?
Bei Allem, was gut und löblich ist, – wenn zehn Meilen im Umkreis von Shandy drei Tropfen Oel und ein Hammer ausfindig gemacht werden können, so soll die Thürangel des Gastzimmers noch unter dieser Regierung in Stand gesetzt werden.
Ausgewählte Ausgaben von
Tristram Shandy
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