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[161] Wenn ich von Knoten rede, so möchte ich erstens nicht so verstanden werden, als meinte ich Schlingenknoten damit, weil[161] ich hinsichtlich dieser im Verlauf »meines Lebens und meiner Meinungen« meine Meinung an passenderer Stelle abgeben werde, da nämlich, wo ich der unglücklichen Katastrophe meines großen Onkels Mr. Hammond Shandy gedenke, der ein kleiner Mann, aber sehr eingebildet war und sich in die Verschwörung des Herzogs von Monmouth verwickelte; – noch will ich zweitens die besondere Art von Knoten damit gemeint haben, welche man Schleifenknoten nennt, denn diese aufzubinden verlangt so wenig Geschicklichkeit, Kunst oder Geduld, daß es vollständig unter meiner Würde ist, irgend etwas über sie zu sagen. Nein, unter den Knoten, von welchen ich rede, darauf können sich Ew. Hochehrwürden verlassen, verstehe ich gute, ehrliche, verdammt fest und tüchtig eingebundene Knoten, die bona fide gemacht sind, so wie Obadiah sie machte, wo nicht etwa durch Umbiegen und Durch-die-Schlinge-ziehn der beiden Bandenden so eine schlabbrige Vorkehrung getroffen ist, vermittelst deren sie aufgezogen und gelöst werden können. Ich hoffe, Sie begreifen mich.
Nun, in Fällen, wo solche Knoten und die vielfachen Hindernisse, welche dieselben auf den Lebensweg werfen, Einem begegnen, wird ein voreiliger Mann sein Taschenmesser herausnehmen und sie, mit Ew. Hochehrwürden Erlaubniß, durchschneiden. – Das ist aber nicht recht. Glauben Sie, meine Herren, der tugendhaftere Weg, der Weg, den Vernunft und Gewissen zugleich empfehlen, ist der, sie mit den Zähnen und den Fingern anzufassen. – Dr. Slop hatte seine Zähne verloren; bei einer Entbindung, wo er sein Lieblingsinstrument in falscher Richtung anzog, oder wo es ihm, da er nicht gut angesetzt hatte, ausglitt, hatte er sich mit dem Griffe desselben drei seiner besten Vorderzähne ausgeschlagen; – er versuchte es also mit den Fingern, aber ach! die Nägel waren zu kurz beschnitten. Hol's der Teufel, rief Dr. Slop, es geht durchaus nicht. – Das Getrampel über seinem Kopfe neben dem Bett meiner Mutter wurde immer stärker. – Die Pest über den Schlingel! ich kriege die Knoten Zeit meines Lebens nicht auf! – Meine Mutter stöhnte. – Geben Sie mir Ihr Taschenmesser, ich muß die Knoten doch zuletzt aufschneiden. Au! Au! Herr, du mein[162] Gott, ich habe mich in den Finger geschnitten, bis auf den Knochen. Verdammter Kerl! – und wenn es fünfzig Meilen in der Runde keinen andern Accoucheur gäbe, – ich bin ruinirt – ich wollte, der Schurke hinge am Galgen – ich wollte, sie schössen ihn todt – ich wollte, er briete in der Hölle – der Eselskopf!
Mein Vater hielt etwas auf Obadiah und mochte deshalb nicht mit anhören, daß diesem so aufgespielt würde; dazu hielt er etwas auf sich selbst, und es wurde ihm also ebenso schwer, die Ungezogenheit zu ertragen, die gegen ihn begangen war.
Hätte sich Dr. Slop nicht gerade in den Daumen geschnitten, so würde er es gut haben sein lassen, und seine Klugheit würde die Oberhand behalten haben, so aber war er entschlossen, seine Rache zu nehmen.
Kleine Flüche bei großen Veranlassungen, sagte mein Vater zu Dr. Slop, den er erst des Unfalls wegen bedauert hatte, sind nur eine nutzlose Vergeudung unserer Kraft und Seelenstärke. – Mag sein, erwiederte Dr. Slop. – Sie sind Schrotschüsse gegen eine Bastion abgefeuert, sagte mein Onkel Toby und hielt mit Pfeifen inne. – Sie dienen nur dazu, fuhr mein Vater fort, die Seele aufzuregen, aber sie erleichtern sie nicht; was mich persönlich anbetrifft, so fluche ich überhaupt selten, es taugt meiner Meinung nach nichts; aber wenn ich unversehens einmal in den Fehler verfalle, so behalte ich gewöhnlich Besinnung genug, – (das ist recht, sagte mein Onkel Toby,) – um auch meinen Zweck wirklich dadurch zu erreichen, d.h. ich fluche so lange, bis mir wirklich leichter geworden ist. Ein weiser und gerechter Mann wird sich indessen immer bemühen, darauf zu sehen, daß die Heftigkeit, mit welcher er seinen Zorn äußert, nicht nur mit dem Grade seiner innern Erregtheit, sondern auch mit der Art und der Absichtlichkeit der Beleidigung in richtigem Verhältniß steht. – Nur die Absicht beleidigt, sagte mein Onkel Toby. – Deshalb habe ich, fuhr mein Vater mit wahrhaft Cervantischer Ernsthaftigkeit fort, die allergrößte Hochachtung für jenen Mann, der, seiner eigenen Mäßigung mißtrauend, sich hinsetzte und in ruhigen Stunden geeignete Formeln für ein passendes und den jedesmaligen Umständen angemessenes[163] Fluchen niederschrieb, indem er dabei die geringsten wie die größten Anlässe, welche ihm dazu gegeben werden möchten, in Betracht zog, welche Formeln er dann auch benutzte und nebst andern, die er sich verschafft hatte, immer zum Gebrauch auf seinem Kamin liegen hatte. – Ich hätte nicht geglaubt, erwiederte Dr. Slop, daß so etwas Jemandem eingefallen wäre, noch weniger, daß er es ausgeführt hätte. – Ich bitte um Entschuldigung, sagte mein Vater; zwar habe ich selbst keinen Gebrauch davon gemacht, aber eine davon habe ich doch meinem Bruder Toby noch heute beim Thee vorgelesen – sie liegt da auf dem Bücherbrette über meinem Kopfe, – aber so viel ich mich besinne, ist sie für einen Schnitt in den Daumen etwas zu stark. – Gewiß nicht, sagte Dr. Slop, hole der Teufel den Burschen! – Nun, wie Sie meinen, antwortete mein Vater; sie steht Ihnen zu Diensten, aber Sie müssen sie laut vorlesen. – Damit stand er auf und langte eine Exkommunikations-Formel der römischen Kirche herab, von der er sich, als eifriger Sammler, aus dem Ritual der Kirche zu Rochester, nach der Abfassung des Bischof Ernulphus, eine Abschrift verschafft hatte; mit einem Schein von Ernst in Blick und Stimme, der Bischof Ernulphus selbst getäuscht haben würde, reichte er sie Dr. Slop hin. – Dieser wickelte seinen Daumen in den Zipfel seines Taschentuches und mit verdrießlicher Miene, aber ohne etwas Böses zu ahnen, las er, während mein Onkel Toby ohn' Aufhören und so laut, als er konnte, seinen Lillabullero pfiff, wie folgt:
Textus de ecclesia Roffensi, per Ernulphum Episcopum.
Ausgewählte Ausgaben von
Tristram Shandy
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