Achtundzwanzigstes Kapitel.

[47] Lieber Yorick, sagte mein Vater lächelnd, – Yorick war nämlich in dem schmalen Vorhause aus der Reihe gebrochen und trat zuerst ins Zimmer – unser Tristram muß die religiösen Gebräuche etwas hart durchmachen. Gewiß, nie ward ein Juden-, Christen-, Türken- oder Heidenkind so damit geplagt. – Es ist doch nicht schlechter mit ihm? sagte Yorick. – Der Teufel muß irgendwo los gewesen sein, als dieses Kind in die Welt gesetzt wurde. – Das müssen Sie besser beurtheilen können als ich, erwiederte Yorick. – Die Astrologen, sagte mein Vater, wissen es am besten; die gedritten und gesechsten Aspekten haben schief gestanden, oder die ihnen gegenüberstehenden Ascendenten haben sie nicht berührt, wie sie sollten, – oder die Herren der Zeugung (wie sie es nennen) haben Versteckens gespielt, oder irgend etwas über, unter oder neben uns ist nicht in Ordnung gewesen.

Das ist möglich, antwortete Yorick. – Aber das Kind, rief mein Onkel Toby, steht es schlechter mit ihm? – Die Troglodyten meinen nein! erwiederte mein Vater; und Eure Theologen Yorick, sagen uns – In ihrer Qualität als Theologen? fragte Yorik, oder als Apotheker1, oder als Staatsmänner2, oder als Waschweiber?3

Das weiß ich nicht bestimmt, erwiederte mein Vater, aber sie sagen uns, Bruder Toby, daß es im Gegentheil besser mit ihm stehe. – Vorausgesetzt, daß Sie ihn nach Egypten schicken wollen, sagte Yorick. – Es wird ihm nützen können, entgegnete mein Vater, wenn er sich die Pyramiden ansieht.

– Nun, mir ist das Alles Arabisch, sagte mein Onkel Toby. – Ich wollte, das wär' es der halben Welt, antwortete Yorick.[48]

Ilus4, fuhr mein Vater fort, unterzog eines Morgens seine ganze Armee der Beschneidung. – Doch nicht ohne Kriegsgericht? rief mein Onkel Toby. – Indessen sind die Gelehrten sehr verschiedener Meinung, fuhr er zu Yorick gewendet fort, ohne meines Onkels Einwurf zu beachten, – wer Ilus eigentlich war; – Einige meinen Saturn, – Andere das höchste Wesen, – noch Andere halten ihn bloß für den Anführer einer Heeresabtheilung unter Pharao Necho. – Mag er gewesen sein, was er will, sagte mein Onkel Toby, aber ich weiß nicht, was für ein Kriegsartikel ihm ein Recht dazu gegeben hat.

Diese geben für ihre Behauptung zweiundzwanzig verschiedene Gründe an, die auf der andern Seite haben freilich die Nichtigkeit der Mehrzahl derselben dargethan. Aber die besten Polemiker unter den Gottesgelahrten – Ich wollte, es gäbe im ganzen Lande nicht Einen gottesgelahrten Polemiker, sagte Yorick; eine Unze praktischen Christenthums ist mehr werth, als eine gemalte Schiffsladung von all dem Zeug, das die hochwürdigen Herren seit fünfzig Jahren eingeführt haben. – Sagen Sie doch, Mr. Yorick, fragte mein Onkel Toby, was versteht man eigentlich unter einem gottesgelahrten Polemiker? – Nie fand ich, Kapitän Shandy, ein Paar solcher Gottesgelahrten besser geschildert als in der Erzählung von dem Kampfe zwischen Gymnast und Kapitän Tripet; ich habe das Buch in der Tasche. – O, lassen Sie hören, sagte mein Onkel Toby begierig. – Sehr gern, sagte Yorick. – Und da der Korporal, der gute Bursche, vor der Thür auf mich wartet, so bitte ich, Bruder, erlaube ihm, hereinzukommen, die Beschreibung eines Kampfes wird ihm gewiß mehr Vergnügen machen, als das beste Abendessen. – Ei gewiß, sagte mein Vater. Trim kam herein, kerzengrade und glücklich wie ein Kaiser; nachdem er die Thür zugemacht hatte, nahm Yorick das Buch aus seiner rechten Rocktasche und las (oder that, als ob er läse), wie folgt:

Fußnoten

1 Χαλεπῆς νόσου, καὶ δυσιάτου ἀπαλλαγὴ, ην ἄνϑρακα καλοῦσιν. Philo.


2 Τὰ τεμνόμενα τῶν ἐϑνῶν πολυγονώτατα, καὶ πολυανϑρωπότατα εἶναι.


3 Καϑαριότητος εἳνεκεν. Bochart.


4 Ἶλος, τὰ αἰδοῖα περιτέμνεται, ταὐτὸ ποιῆσαί καὶ τοῦς ἁμ᾽ αὑτῶ αυμμάχους καταναγκάσας. Sanchuniatho.


Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 47-49.
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