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[283] – Daß Vorsorge dafür getroffen sein muß, die Gattung eines so großen, erhabenen und gottähnlichen Wesens, wie der Mensch es ist, zu erhalten, – fällt mir nicht ein bestreiten zu wollen; aber die Philosophie spricht frei über Alles ihre Meinung aus, und deshalb ist es meine Ansicht und behaupte ich: es ist zu beklagen, daß dies vermittels einer Leidenschaft geschieht, welche die natürliche Kraft niederbeugt und die Weisheit, die Beschaulichkeit, die freie Thätigkeit der Seele hindert; vermittels einer Leidenschaft – meine Liebe, fuhr mein Vater gegen meine Mutter gewandt fort, welche weise Männer unter die Narren stellt und ihnen gleich macht, und es zuwege bringt, daß wir aus unseren Höhlen und Verstecken eher Satyrn und vierfüßigen Bestien als Menschen ähnlich hervorkommen.
Ich weiß wohl, sagte mein Vater (indem er sich der Prolepsis bediente), daß man sagen wird, die Sache sei an und für sich und natürlich genommen weder gut noch schlecht, weder zu tadeln noch sonst was, gerade wie Hunger, Durst oder Schlaf. – Weshalb sträubte sich denn das Zartgefühl eines Diogenes, eines Plato so sehr dagegen? und weshalb löschen wir denn, wenn wir einen Menschen in die Welt setzen, das Licht aus? und weswegen wird denn Alles, was damit in Verbindung steht, alle[283] Zuthaten, Vorbereitungen, Werkzeuge u.s.w., als ungeeignet angesehen, einem reinen Geiste durch Wort, Uebersetzung oder Umschreibung mitgetheilt zu werden?
Die Handlung, einen Menschen aus der Welt zu bringen und zu tödten, fuhr mein Vater mit erhobener Stimme zu meinem Onkel Toby gewendet fort, – die Handlung sieht man als rühmlich an; die Waffen, durch welche es geschieht, sind ehrenvoll, wir tragen sie stolzirend auf unseren Schultern, wir hängen sie uns prahlend an die Seite, wir vergolden sie, – wir schmücken sie mit dem Grabstichel, wir legen sie aus, wir verzieren sie, ja, und wär' es nur eine verdammte Kanone, sie muß ihren Zierrath auf dem Rohre haben.
Mein Onkel Toby legte seine Pfeife hin, um für ein besseres Prädikat aufzutreten, und Yorick stand auf, um die ganze Hypothese in Trümmer zu schlagen –
als Obadiah in das Zimmer gelaufen kam und eine Klage vorbrachte, die dringlich war. Der Fall war folgender:
Nach altem Herkommen als Herr des Schlosses, oder als weltlicher Besitzer des großen Zehnten, war mein Vater verpflichtet, den Gemeindebullen zu halten; diesem hatte Obadiah eines oder des anderen Tages im vergangenen Sommer seine Kuh zugeführt – ich sage eines oder des anderen Tages, weil der Zufall wollte, daß es derselbe Tag war, wo Obadiah meines Vaters Stubenmädchen heirathete; so wurde der eine Tag immer nach dem anderen berechnet. Als daher Obadiahs Frau niederkam, so dankte Obadiah Gott –
Und nun, sagte Obadiah, werde ich bald ein Kalb kriegen. Er besuchte seine Kuh täglich.
– Sie wird Montag kalben – oder Dienstag – oder spätestens Mittwoch.
Die Kuh kalbte nicht; – nein, sie wird erst nächste Woche kalben; – die Kuh nahm sich erschrecklich viel Zeit; endlich am Ende der sechsten Woche stieg in Obadiah ein Verdacht gegen den Bullen auf.
Nun war die Gemeinde ziemlich groß, und, die Wahrheit zu gestehen, meines Vaters Bulle war der Aufgabe durchaus nicht[284] gewachsen; er hatte sich aber einmal dem Geschäft unterzogen und machte die Sache mit einer so würdigen Miene, daß mein Vater eine große Meinung von ihm hatte.
– Fast alle Bauern glauben, Ew. Gnaden, daß der Bulle schuld ist, sagte Obadiah.
– Aber kann die Kuh nicht unfruchtbar sein? erwiederte mein Vater und wandte sich an Dr. Slop.
– Das kommt nicht vor, sagte dieser. Aber die Frau des Mannes kann vor der Zeit niedergekommen sein. Das ist leicht möglich. Sag' einmal, hat das Kind Haare auf dem Kopf? fragte Dr. Slop.
– Es ist so behaart wie ich, sagte Obadiah, – er hatte sich seit drei Wochen nicht rasirt. – Fi – u! machte mein Vater, indem er mit einem interjektionellen Pfiff anfing, – und so, Bruder Toby, hätte mein armer Bulle, der so gut wie irgend ein Bulle ist und der, mit zwei Beinen weniger, in einem unschuldigeren Zeitalter selbst der Europa genug gewesen sein würde, vor Gericht gezogen werden und seinen Ruf verlieren können, was für einen Gemeindebullen so viel wie das Leben selbst heißt, Bruder Toby.
– Gott im Himmel, sagte meine Mutter, was ist das nun wieder für eine Geschichte?
– Vom Hahnen und vom Bullen, sagte Yorick, und eine so gute, als ich je gehört habe.
Ende.[285]
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Tristram Shandy
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