Einhundertunddreiundsechzigstes Kapitel.

[239] Obgleich der Korporal seinen Vorsatz ausgeführt und meines Onkel Toby's Lockenperücke eingelegt hatte, so war doch die Zeit zu kurz gewesen, um einen großen Erfolg damit zu erzielen; sie hatte lange Jahre zusammengequetscht in einer Ecke des Feldkoffers gelegen, und da schlechte Gewohnheiten schwer auszutreiben sind, die Anwendung der Lichtenden überdies eine gewisse Uebung verlangt, so war die Ausführung nicht so leicht, als zu wünschen gewesen wäre. Mit munterem Aug' und ausgestreckten Armen war der Korporal wohl zwanzigmal ein wenig zurückgetreten und hatte versucht, eine bessere Ansicht zu gewinnen, – Grämlichkeit selbst hätte lächeln müssen, wenn sie einen Blick darauf geworfen hätte; – überall, wo der Korporal es nicht wollte, kräuselte sie sich, und wo seiner Meinung nach eine oder ein paar Locken die herrlichste Wirkung hervorgebracht haben würden, wäre es leichter gewesen, einen Todten auferstehen zu lassen.

So war sie, oder vielmehr so würde sie bei jedem Andern ausgesehen haben; aber der milde Ausdruck der Güte, welcher auf meines Onkel Toby's Stirn lag, strahlte so überwältigend auf Alles aus, was diese Stirn umgab, so klar hatte die Natur mit schöner Handschrift die Signatur »Gentleman« in jeden Zug seines Gesichtes geschrieben, daß ihm selbst sein alter Tressenhut und die große verschossene Tafftkokarde gut stand, und was an und für sich keinen Heller werth war, wurde, sobald es mein Onkel Toby anlegte, bedeutsam und schien so kunstgemäß hergerichtet zu sein, als bezweckte es, ihn gerade in dem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen.

Nichts in der Welt würde mehr dazu haben beitragen können, diese Wirkung hervorzubringen, als meines Onkel Toby's blau und goldene Uniform, hätte nur die Knappheit der Anmuth nicht geschadet. In den fünfzehn bis sechzehn Jahren, seitdem sie gemacht worden war, hatte mein Onkel Toby ein gänzlich unthätiges Leben geführt und nur selten war er weiter, als bis zum Rasenplatze gegangen; deshalb war die blau und goldene[240] so erschrecklich eng geworden, daß der Korporal ihn nur mit der größten Anstrengung hineinbringen konnte; das Herunterziehen der Aermel half nichts: aber sie war auf dem Rücken, den Seitennähten u.s.w., wie es unter König Wilhelm Mode war, mit Tressen besetzt, und diese schimmerten so hell in der Morgensonne und gaben einen so metallischen, so mannhaften Schein, daß, wenn mein Onkel Toby im Waffenschmuck anzugreifen dachte, nichts seiner Einbildungskraft so gut hätte zu Hülfe kommen können.

Was die dünnen Scharlachenen anbetraf, die hatte der Schneider zwischen den Beinen aufgetrennt, und so waren sie geblieben.

Ja wohl, Madame, aber zügeln Sie Ihre Phantasie. Genug – sie waren am vorigen Abend als untauglich befunden worden, und da meines Onkel Toby's Garderobe eine weitere Wahl nicht zuließ, so rückte er in den Rothplüschenen zu Felde.

Der Korporal hatte sich in des armen Le Fevers Uniformsrock geworfen; er trug die Monterokappe, die zu dieser Gelegenheit neu aufgeputzt worden war, auf dem Haupte, und ging drei Schritte hinter seinem Herrn her; mit militärischer Eleganz guckte das Hemd an seinem Handgelenke hervor, auf welchem an einem Lederriemen, der an der Troddel zur Schleife geschlungen war, sein Korporalstock hieng. – Mein Onkel Toby trug sein Rohr wie eine Pike.

– Es macht sich wenigstens gar nicht übel, sagte mein Vater zu sich selbst.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 239-241.
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