Einhundertundeinunddreißigstes Kapitel.

[188] Ich wünschte, mein Onkel Toby wäre ein Wassertrinker gewesen; denn dann wäre es klar, weshalb sich bei Wittwe Wadman gleich das erste Mal, als sie ihn sah, etwas zu seinen Gunsten regte: etwas! – etwas! –

Etwas, – vielleicht mehr als Freundschaft – vielleicht weniger als Liebe; – etwas – nun ich weiß nicht was, noch wo, und gäbe auch kein Haar aus meines Maulthiers Schwanz darum, sollt' ich's gleich selber ausreißen müssen (der Bursche hat übrigens keins überflüssig und ist obendrein ein Racker), wenn Ew. Wohlgeboren mir das Räthsel erklären wollten.

So viel bleibt ausgemacht, – mein Onkel Toby war kein Wassertrinker; – er trank es weder unvermischt, noch vermischt, noch irgendwie, noch irgendwo, – ausgenommen zufällig, auf vorgeschobenen Posten, wo eine bessere Flüssigkeit nicht zu haben war, oder während seiner Krankheit, wo ihm der Wundarzt sagte, es würde die Fibern ausdehnen und sie schneller zusammenbringen, – da trank es mein Onkel Toby, um sich Ruhe zu schaffen.

Da nun aber alle Welt weiß, daß in der Natur keine Wirkung ohne Ursache sein kann, und es nicht minder bekannt ist, daß[188] mein Onkel Toby weder ein Weber, noch ein Gärtner, noch ein Fechter war, so bleibt nichts Anderes übrig, als anzunehmen, daß meines Onkels Bein – aber das hilft uns wieder nichts zu unserer Vermuthung, denn dann hätte die Abmagerung des Beines von einem Fußübel kommen müssen, – Onkel Toby's Bein war aber durch kein Fußübel abgemagert – es war überhaupt nicht abgemagert. Weil er es drei Jahre lang, wo er krank in meines Vaters Hause gelegen, gar nicht gebraucht hatte, war es etwas steif und ungelenk geworden, aber sonst war es voll und muskulös und ein in jeder Hinsicht tüchtiges, vielversprechendes Bein, ganz wie das andere.

Ich entsinne mich wirklich keiner Meinung oder keiner Begebenheit in meiner Lebensgeschichte, wo ich so sehr in Verlegenheit gewesen wäre, gewisse Dinge zusammenzubringen und dem Kapitel, an dem ich schrieb, eine solche Wendung zu geben, daß das Nachfolgende sich natürlich anschlösse, wie dies im Augenblick der Fall ist; man sollte glauben, ich fände besonderes Vergnügen daran, mir selbst allerhand Schwierigkeiten zu bereiten, blos um sie dann zu überwinden.

Unbedachtsamer! Bist Du nicht ohnehin genug geplagt mit allerhand Noth und Trübsal, die auf Dich als Autor wie als Mensch von allen Seiten einstürmt? mußt Du sie leichtsinnig selbst noch vermehren?

Ist es nicht genug, daß Du in Schulden steckst und zehn Wagenladungen von Deinem fünften und sechsten Bande noch immer unverkauft sind, und Du nicht weißt, was Du anfangen sollst, um sie los zu werden? – Quält Dich nicht bis zum heutigen Tage das abscheuliche Asthma, das Du Dir in Flandern beim Schlittschuhlaufen gegen den Wind geholt hast? und ist es nicht erst einen Monat her, daß Du einen Lachkrampf bekamest, weil Du einen Kardinal sein Wasser wie einen Chorknaben (mit beiden Händen) abschlagen sahest, und sprengtest Du Dir dabei nicht ein Gefäß in der Lunge, so daß Du in zwei Minuten ebenso viel Quart Blut verlorest, und sagte Dir damals nicht die gelehrte Fakultät, daß, wenn Du noch einmal so viel verloren hättest, so würde das – eine Gallone ausgemacht haben?

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 188-189.
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