Einundfünfzigstes Kapitel.

[81] Le Fever's Geschichte. Fortsetzung.


Es wird meinem Onkel Toby zur ewigen Ehre gereichen, – ich sage das hauptsächlich für die, die nicht wissen, wie sie sich drehen und wenden sollen, wenn sie zwischen der Forderung ihrer Sittlichkeit und einem positiven Gesetz in die Enge gerathen, – ja, es wird ihm zur ewigen Ehre gereichen, daß er, obgleich die Belagerung im vollen Gange war und die Alliirten so unaufhaltsam vorgingen, daß ihm kaum Zeit zum Mittagsessen blieb, Dendermond dennoch aufgab, die Position auf der Contrescarpe im Stich ließ und alle seine Gedanken auf die Bedrängniß drüben in der Schenke richtete. Er befahl die Gartenthür zu verriegeln, wodurch er so zu sagen die Belagerung in eine[81] Blokade verwandelte, sonst aber überließ er Dendermond sich selbst, gleichviel ob der König von Frankreich ihm zu Hülfe kommen werde oder nicht; das mochte der halten, wie er wollte, er dachte einzig und allein daran, wie er selbst dem armen Lieutenant und seinem Sohne zu Hülfe käme.

Gott der Allgütige, der Freund aller Freundlosen, möge Dir dafür lohnen! –

– Du hast es doch worin versehen, sagte mein Onkel Toby zum Korporal, als dieser ihn zu Bette brachte, – und ich will Dir auch sagen worin, Trim. – Erstens, als Du Le Fever meine Dienste anbotest, – Du weißt ja, Krankheit und Reisen kosten Geld, und er ist blos ein armer Lieutenant, der (noch dazu mit einem Sohne) von seiner Gage leben muß – da hättest Du ihm auch meine Börse anbieten sollen, die hätte ihm von Herzen gern zu Diensten gestanden, wenn's nöthig war. – Ew. Gnaden wissen, sagte der Korporal, daß ich dazu keine Ordre hatte. – Wahr, sagte mein Onkel Toby, als Soldat hast Du recht gehandelt, Trim, – aber als Mensch hättest Du's besser machen können.

Zweitens, fuhr mein Onkel fort, – (freilich hast Du dafür dieselbe Entschuldigung) hättest Du ihm nicht blos, was mein Haus bietet, zu Diensten stellen sollen, sondern mein Haus selbst. Ein kranker Kamerad muß das beste Quartier haben, Trim, und hätten wir ihn hier, so könnten wir nach ihm sehen und ihn pflegen. Du, Trim, bist ein vortrefflicher Krankenwärter, und wenn wir Andern auch für ihn sorgen, das alte Weib und sein Junge und ich, so müßte das wohl helfen, und wir brächten ihn wieder auf die Beine.

– In vierzehn Tagen oder drei Wochen, setzte mein Onkel Toby hinzu, würde er wieder weiter marschiren können.

Der wird in dieser Welt nicht wieder marschiren, Ew. Gnaden, sagte der Korporal.

Er wird marschiren, sagte mein Onkel Toby und stand vom Bett auf, obgleich er den einen Schuh schon ausgezogen hatte. – Der wird nur noch ins Grab marschiren, mit Ew. Gnaden Verlaub, sagte der Korporal. – Er soll marschiren,[82] rief mein Onkel Toby und marschirte dabei mit dem beschuheten Fuße, doch ohne einen Zoll vorzurücken, – er soll zu seinem Regimente marschiren. – Er hält's nicht aus, sagte der Korporal. – So unterstützt man ihn, sagte mein Onkel Toby. – Er wird zuletzt zusammenbrechen, sagte der Korporal, und was soll dann aus dem jungen Burschen werden? – Er soll nicht zusammenbrechen, sagte mein Onkel Toby sehr bestimmt. – Ei ja, sagte Trim, der nicht nachgab, da mögen wir anfangen, was wir wollen, der arme Mann wird doch sterben. – Er soll nicht sterben, zum T–! rief mein Onkel Toby.

Der Racheengel, der diesen Schwur zur Himmelskanzelei trug, erröthete, als er ihn ablieferte; der Engel aber, der ihn in das Buch einzeichnete, ließ eine Thräne auf das Wort fallen und löschte es damit für immer aus. –

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 81-83.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tristram Shandy
Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman
Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman: (Reihe Reclam)
Tristram Shandy
Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman (insel taschenbuch)
Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman (insel taschenbuch)