Neunundfünfzigstes Kapitel.

[91] Tausend Beschlüsse, Sir, in kirchlichen wie in staatlichen Angelegenheiten, oder in Dingen, Madame, die mehr einen privaten Charakter tragen, – tausend Beschlüsse, die allem Anscheine nach übereilt, widersinnig, unbedacht gefaßt wurden, sind nichtsdestoweniger (wenn Sie nur im Kabinet dabei hätten sein oder hinter dem Vorhang lauschen können, Sie würden es schon erfahren haben) erwogen, überlegt, durchdacht, durchsiebt, eingehend besprochen und von allen Seiten mit solcher Leidenschaftslosigkeit geprüft worden, daß die Göttin der Leidenschaftslosigkeit selbst (deren Existenz ich übrigens nicht verbürgen will) es nicht besser hätte wünschen oder machen können.

Von dieser Art war der Beschluß meines Vaters, mich in Hosen zu stecken, der zwar in einem Anfall von Trotz und Menschenverachtung gefaßt worden war, über den er dann aber, unter Berücksichtigung aller pro und contra's, bereits einen[91] Monat früher in zwei verschiedenen, zu diesem Zwecke besonders abgehaltenen lits de justice mit meiner Mutter verhandelt hatte. Ich werde die Natur dieser lits de justice in meinem nächsten Kapitel näher betrachten, und in dem darauf folgenden Kapitel sollen Sie dann, Madame, mit mir hinter den Vorhang treten, um zu hören, wie mein Vater und meine Mutter über diese Hosenangelegenheit miteinander debattirten, wonach Sie sich dann einen Begriff davon machen können, wie etwa geringfügigere Angelegenheiten zwischen ihnen verhandelt wurden.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 91-92.
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