Vierundachtzigstes Kapitel.

[127] Nein; – ich glaube, ich sagte, daß ich jedes Jahr zwei Bände schreiben wollte, wenn mich nur der abscheuliche Husten, der mich immer noch quält und den ich mehr als den Teufel fürchte, dazu kommen ließe, und an einer andern Stelle, (aber ich erinnere mich nicht mehr, wo?) als ich mein Buch eine Maschine nannte und Feder und Lineal kreuzweis auf den Tisch legte, um meinen Worten größere Glaubwürdigkeit zu geben, schwor ich, daß das seine vierzig Jahre so fortgehen solle, wenn nur der Urquell alles Lebens mich so lange mit Gesundheit und frischem Lebensmuthe segnen würde.

Was nun meinen Lebensmuth anbetrifft, so habe ich mich über ihn nicht zu beklagen, – so wenig (denn daß er mich neunzehn Stunden lang von vierundzwanzigen auf einem Stecken reiten und Thorheiten treiben läßt, darüber kann ich ihm doch nicht gram sein), daß ich ihm im Gegentheil großen, großen Dank schuldig bin. Schwer tragend an der Last des Lebens (doch nicht an Sorgen), bin ich an seiner Hand munter meines Weges gewandelt: keinen Augenblick, so viel ich mich erinnere, ist er von mir gewichen und hat, was mir in den Weg kam, nie grau, oder kränklich grün gefärbt; war ich in Gefahren, so hat er mir meinen Horizont mit Hoffnung vergoldet, und klopfte der Tod[127] an meine Thür, so rief er ihm zu, er möge ein anderes Mal wieder kommen, und das that er mit einem so fröhlichen Tone, mit einer so sorglosen Gleichgültigkeit, daß jener stutzig wurde und meinte, er habe sich versehen.

– Das muß ein Irrthum sein, sagte er.

Nun ist mir in der Welt nichts verhaßter, als in einer Geschichte unterbrochen zu werden, und ich erzählte eben Eugenius eine recht drollige, so eine in meiner Art, von einer Nonne, die sich einbildete, ein Schalthier zu sein, und einem Mönche, der verdammt war, immer Austern zu essen; eben zeigte ich ihm, wie vernünftig und gerecht das Alles gewesen sei.

– Ist nun wohl je eine gesetzte Person in solcher schmählichen Verlegenheit gewesen! sagte der Tod.

– Du bist ihm knapp genug entwischt, Tristram, sagte Eugenius und faßte meine Hand, als ich die Geschichte beendigte.

– Aber so ist es unmöglich zu leben, Eugenius, erwiederte ich. Jetzt, da der Hurensohn meine Wohnung kennt –

Du nennst ihn bei seinem rechten Namen, sagte Eugenius, denn durch Sünde, sagt man uns, kam er in die Welt. – Wie er hereinkam, sagte ich, das gilt mir gleich, wenn er mich nur nicht mit solcher Eile hinausnehmen wollte, denn ich habe noch vierzig Bände zu schreiben und noch viertausend Dinge zu sagen und zu thun, die kein Mensch in der Welt für mich sagen noch thun kann, Du ausgenommen; und da Du siehst, daß er mich schon bei der Kehle gehabt hat (denn Eugenius konnte kaum über den Tisch hören, was ich sprach), und ich mit ihm Mann gegen Mann nicht fertig werde, was meinst Du, Eugenius, wäre es da nicht besser für mich, davon zu laufen, so lange diese Spinnenbeine mich noch tragen wollen? (Dabei hielt ich eins in die Höhe.) – Das ist auch mein Rath, lieber Tristram, sagte Eugenius. – Nun denn, beim Himmel! so soll er tanzen, wie er sich's nicht versieht, rief ich; denn ich will fort im Galopp, ohne mich umzusehen, fort zu den Ufern der Garonne, – und höre ich ihn dort an meinen Fersen klappern, weiter nach dem Vesuv und von da nach Joppe und von Joppe ans Ende der[128] Welt, – und folgt er mir auch dahin, so bitte ich den lieben Gott, daß er ihm den Hals breche.

Er läuft dabei mehr Gefahr als Du, sagte Eugenius.

Eugenius' Scherz und seine herzliche Zärtlichkeit brachten das Blut, zum ersten Mal seit Monden, in meine bleichen Wangen zurück; – es war ein schmerzlicher Augenblick, als ich von ihm Abschied nahm. – Er führte mich zum Wagen. – Allons, sagte ich – der Postillon schwang die Peitsche – fort flog ich wie eine Kanonenkugel, ein halb Dutzendmal schlug ich auf, und – war in Dover.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 127-129.
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