7. Waldruine

[308] Auf grünem Weidegrunde stand ein gewaltiger viereckiger Turm, von zerfallendem Außenwerke umgeben. Er hatte kein Dach, und seine Ringmauern hatten keine Tore, gerade, wie er noch heutzutage steht – aber er trug noch nicht die verwitterte graue Farbe seiner bloßgelegten Steinmauern, wie heute; sondern war noch bekleidet mit Anwurf und Tünche, nur war deren Reinheit beschmutzt mit häßlichen Brandflecken, aus den Fenstern ausgehend und wie Kometenfahnen aufwärts zielend.

Auch war in dem äußern Mauerwerke manch tiefe Verwundung ersichtlich. Der Rasen umher war verschwunden, und glich einer gestampften Tenne, von tiefen Rä- derspuren durchfurcht, und hie und damit einem verkohlten Baume oder Trümmern unbekannter Geräte bedeckt.[308] Die größte Stille und ein reiner Himmel mit freundlicher Novembersonne schaute auf diese Todesstelle nieder. Kein Gedanke eines Feindes war ringsum zu erschauen, aber auch kein einzig anderes lebendes Wesen stundenweit in die Runde; die Hütten waren verbrannt, und der Ort Friedberg lag in Trümmern. Gleichwohl stieg ein dünner blauer Rauchfaden aus der Ruine zu dem dunklen Himmel hinauf, als wäre sie von irgendeinem menschlichen Wesen bewohnt. Ja man sah sogar über den Weideboden, der zwar noch nicht beschneit, aber festgefroren war, einen Reiter eilig dem Trümmerwerke zureiten. Er zwang das Pferd durch den weit klaffenden Torweg über herabgestürzte Steintrümmer hinein, band es, nachdem er abgestiegen, an die Stange eines eisernen Fenstergitters, von dessen Simse noch das geschmolzene Glas wie schmutziges Eis herabhing, wandte sich dann schnell weg und drang durch das halbverschüttete Tor in das Innere des Turmes. Hier durch ausgebrannte Türen und Fenster glotzten ihn Gänge und Gemächer an, die ihm schauerlich fremd vorkamen, und aus ihren Höhlungen wehte eine ungastliche Luft. Dennoch entdeckte er bald eine hölzerne Treppe, aus noch frischen Bäumen gezimmert und mit gehauenen Pfosten überdeckt. Er stieg sie hinan, und gelangte in einen Gang und in ein Vorgemach, dessen Decke nicht eingestürzt war. Wie er durch den finstern Gang schritt, sah er einen alten Mann stehen, aber er achtete dessen nicht, sondern pochte an das Gemach. Ein weibliches Gesicht wurde durch das geöffnete Schubfach der Türe sichtbar.

»Susanna,« sagte der Fremde mit sanfter Stimme, »darf ich eintreten?« Die Magd öffnete sogleich die Tür, führte ihn durch das Gemach, und öffnete ihm gegenüber wieder eine Tür, die in ein weiteres erhaltenes Zimmer führte. Er trat ein.

Eine der zwei darinnen sitzenden schwarzgekleideten Gestalten[309] erhob sich sogleich und trat ihm mit den Worten entgegen:

»Seid uns von ganzem Herzen willkommen, Ritter.«

Er heftete sein dunkles Auge mit traurigem Glanze auf ihre blassen Züge – – ja es war Clarissa, die vor ihm stand, und von deren schöner Gestalt das schwarze Trauerkleid herniederwallte. Seitwärts saß Johanna – ein Antlitz, weiß wie Alabaster, sah aus der schwarzen Florhülle zu dem Ritter herüber, und die Tropfen, die auf die Wangen flossen, jagten sich schneller, seit sie ihn sah und sich nach Sprache bemühte, ihn zu grüßen. Er mit dem düsterschönen Ausdrucke seines Wesens stand auch einige Augenblicke sprachlos, und blickte auf das mit schlechtem Papiere verklebte Fenster, unfähig, ein einzig Wort herauszubringen, da auch Clarissa schwieg und ihr Mund und ihre Wimpern vergeblich zuckten, um die Tränen zurückzuhalten. Sie schob ihm einen Stuhl hin, er aber trat zu Johannen und ergriff ihre Hand, sie sanft und fest in seine drückend.

»Weil Ihr nur da seid,« sagte diese endlich schluchzend, »weil nur einmal ein Mensch da ist.«

»Zürnet mir nicht,« entgegnete er ihr, »es sind erst fünf Tage, seit ich frei bin, und diese bin ich fast unausgesetzt geritten, um euch zu suchen.«

»So waret Ihr gefangen?«

»Ich war gefangen, sonst wäret ihr nicht so lange ohne Hülfe geblieben – nun aber bin ich da, und bitte euch inständig, nehmt alles, was ich bin und habe, zu eurer Hülfe und eurem Dienste. Meine Burg an der Donau ist zwar auch verbrannt und noch mehr zusammengestürzt als diese; – es tut nichts, ich brauche sie nicht, und baue sie auch nicht mehr, bis einmal Friede im Lande ist. Einige Mittel aber habe ich geborgen, und die wollen wir vorerst anwenden, um dieses euer Haus in etwas wohnlicheren Stand zu setzen. Hierher wird nicht so leicht mehr[310] ein Feind kommen; denn der Übergang war höchst schwierig, und von unbedeutenden Folgen. Sie stehen jetzt alle in Winterquartieren.«

Mit einem schmerzhaft freundlichen Schimmer ihrer aufrichtigen Augen reichte ihm Clarissa die Hand hin, indem sie sagte: »So seid Ihr wieder der erste, wie immer, der da kommt zu helfen, Ihr, gegen den ich immer so undankbar gewesen bin.«

»Lasset das jetzt, Clarissa,« erwiderte er mit trübfunkelnden Augen, »lasset das, es ist vorüber, und ich bin nichts als Euer Vetter und Bruder – wie hätte ich auch ahnen können. – – Wäret Ihr von jeher vertrauender gegen alle gewesen, so hätte ich Euch nie mit Werbung gequält, und wahrscheinlich wäre das Letzte auch nicht geschehen«

»So wisset Ihr – –?«

»Ich weiß, Clarissa, ich weiß – – –.«

»Auch er – ist es so – auch er!?«

»Auch er.«

Clarissas Antlitz zuckte jäh hinüber und haschte nach Atem; ein maßloser Schmerz lag darauf, ja sogar etwas wie Grimm, als sie das Auge gegen das Fenster wandte, wie gegen einen blinden Himmel – und sekundenlang starrte, weil sie kämpfte. –

Noch war es fast wie Hohnlächeln in ihren Zügen, unheimlich anzusehen, als sie das Angesicht zurückwendete und mit fast ruhiger Stimme sagte: »Ritter, wenn Ihr etwas Näheres wisset, so sagt, so erzählt es uns, wir wissen nur das eine – – sagt, Ritter, woher wißt Ihr das Nähere?«

»Ich war dabei.«

»Ihr waret dabei, Bruno?« schrie Johanna aufspringend, »Ihr seid dabei gewesen, Bruno«, rief sie mit den schmerzlichsten Tönen ihrer Seele. – »Um Gottes willen, o so saget, wie war es, erzählt – nehmt diese furchtbare Last von meinem Herzen; mir ist, als wäre mir leichter, wenn ich alles wüßte.«[311]

Da er unschlüssig zauderte, sagte Clarissa: »Ritter, seid barmherzig und erzählet.«

»Ein Wald«, begann er, »war das eigentliche Unglück. Euer Haus – – kein Finger hätte es angerührt; – weit links davon sollte der Zug gehen – aber Gallas hatte Völker gesandt, mich auf eignes Ansuchen mit, um in jenem Walde [er zieht sich rechts von hier gegen das Moldautal ab] Schanzen aufzuwerfen und den Feind zurückzuweisen. Friedbergs unglückliche Bewohner, die graben mußten, werden zeitlebens an den Schanzwald denken und den Namen ihren Enkeln und Urenkeln einprägen; denn er war ihr und unser Unglück. Ich sah es voraus, wie es kam, und bat euren Vater noch Tags zuvor, er möge die Burg preisgeben und zu euch flüchten; aber er verwarf den Antrag mit Entrüstung, weil ein Haufe Kaiserlicher unter seinem Befehle die Burg besetzt hielt. Harmlos, wie eine Schar Wallfahrer, mit klingenden Liedern stiegen die Schweden den schönen Wald heran. – – Es war schrecklich anzusehen, wie, da der Rauchwall aus unsern Gewehren sich verzog, ihre zerfetzten und blutenden Linien zurücktaumelten. Kein neuer Angriff ward mehr gewagt, die Kurzsichtigen unter uns jubelten, aber noch diese Nacht sahen wir den Brand Friedbergs, und des andern Tages, da die Scharen schwollen, ward im furchtbaren Morden die Schanze gestürmt. Die Unsern zerstäubten, wie zerbrochenes Glas; ein Teil warf sich nach Wittinghausen, ich mit ihnen. O Clarissa, alles wäre noch gut geworden. Der erste siegestrotzige Anfall wurde zurückgeschlagen – eine Woche verging schon – und noch eine, – der Feind, bereits abgekühlt und einsehend, wie wenig ihm eigentlich an dem Hause gelegen sein könne, hatte nur den Schein von Ehre zu wahren und bot willig die Hand zur Unterhandlung. Da, eines schönen Morgens, sahen wir, gleichsam wie einen neuen Befehlshaber, einen jungen Mann in prachtvollen Kleidern durch die[312] Reihen der Belagerer reiten, gleichsam wie Anordnungen treffend.« – Clarissa mit halb geöffnetem Munde, atemlos, mit gespannten, dürstenden Augen horchte hin.

»Wir begriffen nicht, was er wollte; die Anführer alle, Sture an der Spitze, standen ehrfurchtsvoll vor ihm. Es war gerade Waffenstillstandstag. Am andern Morgen ritt derselbe Mann – ach, wie wir glaubten, um zu kundschaften, ungewöhnlich nahe an die Mauern – und, wie es manchmal der Zufall will, der Helm entfiel ihm – ein ganzer Wall von blonden Locken rollte in diesem Augenblicke über seinen Nacken – –...

War es nun Verblendung, war es Verhängnis, das sich erfüllen mußte, wir verstanden die Zeichen des Jünglings nicht, wie er so zuversichtlich vorritt, ja euer Vater mit allen Merkmalen höchster Überraschung sah lange und unverwandt auf ihn hin; – da sah ich nach und nach ein Rot in seine Wangen steigen, bis sie dunkel wie in Zornesglut brannten. Ohne eine Silbe zu sagen, schleuderte er mit einem Male seine Lanze gegen den Reiter, nicht bedenkend, daß sie auf diese Entfernung gar nicht treffen könne – ach, sie traf auch nicht, die arme, schwache, unschuldige Lanze – allein sie wurde das Zeichen zu vielen andern, die augenblicks von unsern Leuten flogen; auch hörten wir zugleich das Krachen von unsern Doppelhaken hinter uns. Von den Schweden sahen wir nur noch, wie viele vorsprengten, um den Reiter in ihre Mitte zu nehmen, wie er sank – und dann, ehe uns noch kaum Besinnung wiederkehren konnte – – war schon Sturm hier, dort, überall – wütend von der Schwedenseite, wie nie – Rauch, daß kein Antlitz auf drei Schritte erkennbar war – – Clarissa, höret Ihr?«

»Weiter, weiter«, sagte sie angstvoll vorgebogen.

»Es ist nichts mehr weiter – die Burg brannte, wir mußten ausfallen – – – ich wurde verwundet, besinnungslos, gefangen – – –«[313]

»Und...??« – –

»Clarissa – Johanna – – Sture selbst ließ beide, ihn und den Knaben, kriegerisch ehrenvoll unter der Steinplatte vor dem Altare der Thomaskirche begraben, die freilich auch abgebrannt war – ich, verwundet und waffenlos, erhielt Erlaubnis, beizuwohnen.«

»Und ich«, rief Clarissa zurücksinkend, »war es, ich, die Vater und Bruder erschlagen« – und sie brach, beide Hände vor ihre Augen drückend, in ein wildes Schluchzen aus, daß ihr ganzer Bau darunter erzitterte. Johanna, selbst kaum ihrer Kräfte mächtig, und schön, wie ein gestorbner Engel, stand doch so gleich auf und drückte Clarissen an ihren Busen, das Haupt derselben an ihr Herz legend und es ausweinen lassend, während sie ihre Hände lieblich zärtlich um dasselbe legte und selbst die heißen Tränen auf sie niederfallen ließ.

Der Ritter wischte sich das Wasser aus seinen schönen dunklen Augen und stand in tiefem Schmerze da, aber er bereute nicht, daß er den ihrigen durch die Erzählung hervorgerufen; denn er wußte wohl, wie herzzerreißend diese Tränen auch seien, daß ihnen Linderung folgen werde, unsäglich süßer und heilsamer, als all ihre frühere dumpfe Ergebung. Auch löste sich bald das erste krampfhafte Schluchzen, und nur mehr ein leises, kaum hörbares Weinen rieselte durch das totenstille, verdunkelte Zimmer, und endlich auch dies nicht mehr. Clarissa, ohnmächtig schmiegsam, lag kindlich an Johannens Herzen, von ihr, wie früher, umschlossen – und wie bitter auch die ersten Tränen beider hervorgepreßt waren, so flossen sie doch jetzt leicht, reichlich und wie von selbst, ja sogar linde süß, wie das letzte Blut eines getöteten Geschöpfes.

Endlich nach langer Stille hob Clarissa wieder ihr Haupt und Auge müde und verklärt zu dem Ritter empor und sagte leise: »Bruno, sagt uns nun auch, wo ist das andere[314] Grab, und wie........?« Ihre Stimme erstickte neuerdings.

»Forschet nicht, Clarissa; wer enträtselt das Wirrsal jenes Augenblicks? – – Er hatte eine Kugel in der Brust, wahrscheinlich aus einem unserer Doppelhaken, seinen Körper brachten sie weg, wohin. – ich weiß es nicht. Erst bei den Schweden erfuhr ich, daß er als Vermittler gekommen, daß er vorschlug und durchsetzte, daß man die kaiserliche Besatzung frei abziehen und euren Vater unge- stört in seinem Hause lassen solle. – – Sein Tod war die

Losung der Sturmes – Sture und alle liebten ihn sehr.«

»Alle liebten ihn sehr,« sagte sie, vor innigem Schmerze lallend, »alle liebten ihn sehr – – – – o du schöne, du schöne, du unglückliche Waldwiese!!« Sie verbarg wieder ihr Haupt an Johannas Herzen, fast kindisch furchtsam die Worte sagend: »Johanna, du zürnest – Johanna, ich liebe dich, jetzt nur dich – – o Kind, liebe mich nun auch wieder.«

Diese im Unmaß des Schmerzes und der Zärtlichkeit wußte nicht, was sie tun solle; sie drückte die Schwester an sich, sie umschlang sie mit einer Hand und streichelte mit der andern über die glänzenden Haupthaare derselben, wie man todbetrübte Kinder beschwichtiget; – – sie selbst, bis zu Tode betrübt, erhielt nur Kraft durch die noch größere Betrübnis der Schwester, die sie lindern wollte. Zu dem Ritter aber sagte sie leise: »Erzählet nichts mehr.«

Dieser aber beugte sein Haupt im Schmerze vorwärts, und sah mit den verdunkelten, von Tränen zitternden

Augen auf das schöne vor ihm vergehende Geschöpf, das er so lange geliebt, das sein Herz so lange begehrt hatte; es wollte ihm vor Mitleid zerspringen, und es war ihm, als drehe sich mit ihm der Fußboden des Gemaches.

Sachte wollte er hinausgehen, um den Schwestern Zeit zu gönnen, aber Clarissa hörte seine Tritte, und sah plötzlich[315] auf und sagte: »Bruno, geht nicht, es ist hier so dunkel, und wir haben niemand, als einen alten Mann und seinen Enkel – – Bruno, lasset uns ein Fenster machen.«

»Alles, alles, Clarissa, werden wir machen lassen. Sehet, ich werde noch heute um Arbeiter fortreiten, wir werden für den Winter ein Notdach auf einige Gemächer setzen, Fenster, Türen, Stiegen, alles anfertigen – Eure Harfe werde ich aus dem Waldhause holen lassen – Eure Bücher, daß Ihr dem Winter getrost entgegensehen könnet.«

»Wir sehen jetzt allem getrost entgegen«, sagte sie, indem sie wieder ihr Antlitz auf Johannens Schulter legte.

Der Ritter ging stille hinaus. Er sprach mit Gregor, Raimund und den Mägden, und nach einiger Zeit sah man ihn wieder über den grauen gefrornen Boden davon reiten.

Ein Notdach war gesetzt, Tore, Stiegen, Gemächer wieder eingerichtet, aber immer sah die Burg wie eine Ruine aus. Jahre kamen und vergingen, und immer sah die Burg wie eine Ruine aus. Alle Zeichen Ronalds trogen, und der Krieg, statt ein Ende zu nehmen, dauerte noch in die Jahre und Jahre, aber nie mehr erschien ein Feind vor Wittinghausen; ein Teil wußte, was sie für Ronald bedeutete, ein Teil kannte weder Ronald, noch die Feste.

Die Schwestern lebten fortan dort, beide unvermählt. Johanna war eine erhabne Jungfrau geworden, rein und streng, und hatte nur eine Leidenschaft, Liebe für ihre Schwester. Clarissa liebte und hegte Ronald fort und fort; in den goldnen Sternen sah sie seine Haare, in dem blauen Himmel sein Auge, und als einmal ein Zufall jenes feenhafte Gedicht des britischen Sängers auf ihre Burg herüber wehte, so sah sie ihn dann oft als den schönen, elfigen, blondgelockten Knaben auf seinem Wagen durch die Lüfte schwimmen, den Lilienstängel in[316] der rechten Hand, ihr entgegen, der harrenden Titania. Selbst, als sie schon achtzig Jahre alt geworden, und längst ruhig und heiter war, konnte sie sich ihn nicht anders denken – selbst wenn sie ihn noch lebend träumte und einmal kommend – als daß er als schöner, blondgelockter Jüngling hereintrete und sie liebevoll anblicke. Wenige Menschen besuchten die seltsame, verwitterte Burg, nur ein einziger Ritter ritt zuweilen ab und zu.

Eines Tages blieb er auch aus – er war gestorben. Daß die Schwestern sehr alt geworden, wußte man bis in die neuesten Zeiten, und der Hirt zeigte die Kammer derselben, aber kein Mensch kennt ihr Grab; ist es in der verfallenen Thomaskirche, oder deckt es einer der grauen Steine in der Burg, auf denen jetzt die Ziegen klettern? – Die Burg hatte nach ihnen keine Bewohner mehr.

Westlich liegen und schweigen die unermeßlichen Wälder, lieblich wild wie ehedem. Gregor hatte das Waldhaus angezündet und Waldsamen auf die Stelle gestreut; die Ahornen, die Buchen, die Fichten und andere, die auf der Waldwiese standen, hatten zahlreiche Nachkommenschaft und überwuchsen die ganze Stelle, so daß wieder die tiefe, jungfräuliche Wildnis entstand, wie sonst, und wie sie noch heute ist.

Einen alten Mann, wie einen Schemen, sah man noch öfter durch den Wald gehen, aber kein Mensch kann eine Zeit sagen, wo er noch ging, und eine, wo er nicht mehr ging.[317]

Quelle:
Adelbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden, Band 1, Wiesbaden 1959, S. 308-319.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Studien
Studien
Studien
Gesammelte Werke in fünf Bänden / Die Mappe meines Urgroßvaters: Studien 1840-1841
Gesammelte Werke in fünf Bänden / Brigitta: Studien 1842-1845

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Lotti, die Uhrmacherin

Lotti, die Uhrmacherin

1880 erzielt Marie von Ebner-Eschenbach mit »Lotti, die Uhrmacherin« ihren literarischen Durchbruch. Die Erzählung entsteht während die Autorin sich in Wien selbst zur Uhrmacherin ausbilden lässt.

84 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon