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[648] In Amt und Gut.


Als an dem Tage, an welchem die Scharen des Fürsten Wratislaw durch die Schäfte des Waldes zurückgedrängt worden waren, der Abend heran kam, erreichten die Männer des Waldes die Anhöhe, welche ihnen von dem Herzoge Wladislaw als Nachtlagerungsplatz bestimmt worden war.

Sie breiteten sich auf der Höhe aus, und suchten die Stellen, welche sich zur Nachtruhe eigneten.

Witiko ließ Sifrid von Milnet zu sich rufen, und sagte zu ihm: »Sifrid, bist du von dem Kampfe so ermattet, daß du in der heutigen Nacht nicht noch einen Dienst tun könntest, und ist dein Pferd noch im Stande, einen mäßigen Ritt von einigen Stunden zu ertragen?«

Sifrid antwortete: »Ich habe gesagt, daß meine Glieder sind wie die eines andern Mannes, und daß ich tun will, was ich kann: und da nun der andere Mann den Dienst täte, so tue ich ihn auch, und oft haben wir den ganzen Tag gearbeitet, und in der Nacht getanzt. Und was das Pferd anlangt, so habe ich dir ja erzählt, Witiko, daß ich die Pferde des alten Roder Peter warte, und ich warte sie sehr gut, und weiß, was sie ertragen, und habe mir das beste ausgesucht, da ich fort geritten bin.«

»Also wirst du reiten?« fragte Witiko.

»Ich werde reiten«, sagte Sifrid.

»Also, höre. Hast du dir alles gemerkt, was heute in dem Kampfe geschehen ist?« fragte Witiko.[648]

»Ich habe es mir gemerkt«, antwortete Sifrid.

»Wie heißt der Führer der Scharen, die gegen uns gekommen sind?« fragte Witiko.

»Es ist Wratislaw, der Herzog von Brünn, ein nichtsnutziger Vetter unseres erleuchten Herzoges Wladislaw«, antwortete Sifrid.

»Gut, und wie viele Stunden sind wir seitwärts nach rechts in der Verfolgung gegangen, und wie viele wieder links zu unserem Wege, und wohin sind die meisten der Feinde geritten, und wie heißt der Berg, auf dem wir jetzt stehen?« sagte Witiko.

»Wir sind vielleicht drei Stunden gegen Sonnenuntergang hinter den Feinden her gewesen, und sind dann vier oder fünf Stunden wieder in der Richtung gegen Sonnenaufgang gezogen, und die Feinde sind zerstreut gegen Sonnenuntergang geritten, und der Berg, auf dem wir stehen, heißt Braniš«, antwortete Sifrid.

»Es ist, wie du sagst«, entgegnete Witiko, »reite nun zu dem Herzoge, und berichte ihm das alles genauer als meine ersten Boten konnten, und erzähle ihm, was du von dem Kampfe der Wahrheit nach weißt, sage, daß ich dich sende, und daß wir wenige Männer verloren haben. Ich werde dir noch vier Begleiter mitgeben. Stärket euch und die Pferde durch Nahrung und etwas Ruhe. Dann reitet zu Bolemil, Bolemil wird euch einen Boten zu dem nächsten Führer geben, dieser gibt euch wieder einen, und so jeder, bis ihr zu dem Herzoge kommt. Zu Bolemil werde ich auch noch einen andern Boten schicken.«

»Es wäre mir lieb, wenn ich selber meine Begleiter auslesen dürfte«, sagte Sifrid, »ich kenne Genossen, die den Ritt gut vollbringen werden.«

»So wähle sie«, entgegnete Witiko, »und wenn ihr bei dem Herzoge gewesen seid, dann reitet wieder an den Scharen rechts herüber, und sehet, daß ihr morgen wieder bei unserem Zuge seid.«[649]

»Ich werde alles genau tun, wie du gesagt hast«, antwortete Sifrid, »und meine Genossen werden in jedem folgsam sein.«

»So gehe, und sei an der Sache«, sprach Witiko.

Sifrid ging.

Als dieses geschehen war, ließ Witiko die Obmänner der Abteilungen zu sich rufen. Und ehe diese dem Rufe des Hornes von ihren Stellen her folgen konnten, wurde das große rosenrote Banner vor Witiko aufgerichtet, und es wurde ein Gezelt für ihn zu Stande gebracht. Als die Obmänner vor dem Gezelte und vor dem rosenroten Banner erschienen waren, sprach Witiko zu ihnen: »Ehrenvolle Männer! Wir sind auf dem Boden der Feinde, und schon unter den Feinden, und es tut not, daß wir alle Vorsicht üben, welche der Krieg gebietet. Wir werden zu allen Zeichen gehen, um ihre Anstalten für die Nacht zu betrachten.«

»Wir werden dir folgen«, sagte einer der Männer.

Witiko ging nun mit den Führern rechts von seinem Gezelte zu dem weißen Banner mit der dunkelroten Waldrose, welches die Fußgänger von Plan in den Boden gesteckt hatten. Er sah den Lagerplatz der Männer an, und die Wachen, welche sie ausgestellt hatten. Dann ging er wieder weiter rechts zu dem grünen Banner der Männer von der Mugrauer Heide, und betrachtete ihr Lager und ihre Wachen. Dann ging er zu dem weißen Banner der Männer von dem schwarzen Bache, dann zu dem blauen Banner der Männer von der unteren Moldau, dann zu dem weißen Kreuze der Männer vom Rathschlage, dann zu der Stange, auf welche die Männer vom Eckschlage Geierfedern gebunden hatten, und überall betrachtete er die Lagerung und die Wachen. Dann ging er wieder zurück bis zu seinem Gezelte, und ging von demselben links zu dem weißen Banner mit der dunkelroten Waldrose, welches die Männer von dem Wangetschlage hatten, und dann weiter links zu dem rosenroten Banner der[650] Männer von Friedberg, und dann zu dem roten Kreuze der Männer von der Steinleithe, und dann zu dem gelben Fähnlein der Männer von der Friedau, und dann zu der Stange mit dem grünen Kranze der Männer des neuen Kirchenschlages, und dann zu der Stange mit den himmelblauen Bändern der Männer der Waldmoldau, des Heurafels und der Stift, welche Bänder die vom schwarzen Bache unter ihrem weißen Banner abgelöst, und ihnen gegeben hatten. An allen diesen Stellen betrachtete Witiko auch die Lagerungen und die Wachen, und sah, daß die Sachen recht waren. Dann ging er zu den Reitern, und sah auf ihre und ihrer Pferde Nachtstellen und auf die Wachen. Und auch diese Dinge waren geordnet.

Als dieser Umgang vollendet war, entließ er die Führer.

Dann sammelte er ein Geleite, in welchem sich auch seine Befehlsträger Augustin, Urban und Mathias befanden, und ging mit diesem Geleite zu den Männern von Plan, und hieß die Männer sich ordnen, und blieb vor ihrem Banner stehen. Da die Männer geordnet waren, sprach er: »Stephan, sie haben dich zu ihrem Obmanne gewählt, du hast heute Zucht und Festigkeit gewahret, und die Männer haben gezeigt, daß sie auf dem Wysoka gewesen sind, und auf den Zinnen von Prag, und daß sie der Kriegsfelder immer mächtiger werden. Es gebührt ihnen Ehre und Dank. Und wenn die rote Rose in solcher Blüte wie heute bleibt, so wird sie ein Zeichen der hohen Achtung der Geschlechter werden. Haltet gute Nachtruhe, Männer, und gedenkt meiner, wie ich eurer.«

»Gute Nacht, Witiko«, rief der Schmied, »wir gedenken deiner.«

Dann ging Witiko zu den Männern der Mugrauer Heide, und sprach: »Wolfgang, du hast die Männer im Streite gut geführt, und sie haben die Führung gelohnt. Das grüne Banner ist hinter keinem geblieben. Habet Dank und gute Nacht, ihr lieben Leute.«[651]

»Gute Nacht, Witiko«, riefen die Männer.

Dann ging er zu denen vom schwarzen Bache, und sagte: »Simon, dir und den Deinigen gebühret Lob und Dank, und wenn euer Banner immer so leuchtet, so wird es eine Sonne der Ehre. Genießet eine gute Nachtruhe, ihr geliebten Männer.«

»Gute Nachtruhe, Witiko«, riefen die Leute.

Und hierauf ging Witiko zu den Männern der unteren Moldau, und sagte: »Veit, du hast mit deinen Leuten eifrig gekämpft, und ihr verdienst Dank und Erkennung. Ruhet in der Nacht wohl aus von den Mühen des Tages.«

»Ruhe auch wohl, Witiko«, sagte Veit, »du bedarfst der Ruhe am meisten.«

»Sie wird kommen, wenn die Zeit ist«, antwortete Witiko.

Dann ging er zu den Männern vom Rathschlage, und sprach: »Gregor, sie haben recht an dir gewählt, du bist standhaft und stark mit ihnen gewesen. Habet alle einen großen Dank und eine gute Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, sagte Gregor, und »gute Nacht« riefen noch mehrere Männer.

Darnach ging er weiter zu denen vom Eckschlage, und sagte: »Michael, du bist mit den Deinigen streitbar gewesen wie der Vogel, von dem ihr euer Zeichen genommen habt. Und wenn auch nur eine Feder auf eurer Stange bleibt, so wird sie sein wie der Stab eines Herzogs, und die Fürsten und die Herren werden euch darum beneiden. Habet eine ruhige Nacht, ihr lieben festen Leute.«

»Habe eine gute Nacht, Witiko«, sagte Michael, »und gedenke unser.«

»Ich gedenke eurer«, sprach Witiko.

Nachdem er dieses gesprochen hatte, ging er wieder an allen Leuten zurück zu seinem Gezelte, und von demselben[652] links zu den Männern aus dem Wangetschlage. Er sprach zu ihnen: »Johannes, wenn auch schon eine Zahl von Jahren über dein Haupt gegangen ist, so sind doch die Wangen desselben noch rot, wie weiß die Haare sein mögen, und die haben wohl getan, die dich zu ihrem Obmanne gewählt haben. Liebe Heimatgenossen, da ihr die rote Waldrose in euer weißes Banner gesetzt habt, weil ich eine rote Waldrose auf dem weißen Schilde in dem Streite des Wysoka getragen habe, und weil Huldrik gesagt hat, daß meine Vorfahren Rosen von Rom gebracht haben, so ist mir dieses ein liebes Zeichen, und ich habe das Zeichen der kleinen Schar gesehen, als wir von den Feinden angegriffen worden sind, und ich habe gesehen, wie das Zeichen ruhig gegen die Feinde ging, als wäre eure kleine Schar eine große. Nehmet dafür den Dank und die Ehre, und möge die Rose allen Gutes bringen, die in unserer Heimat wohnen.«

»Witiko«, sagte Johannes, »du wirst die Rose zu uns bringen, und durch dich und deine Nachkommen wird sie Gutes in dem ganzen Walde verbreiten.«

»Wenn Nachkommen auf mich folgen«, entgegnete Witiko, »und wenn sie die Heimatgenossen so lieben wie ich, so werden Nachkommen und Heimatgenossen in trauter Verbindung mit einander fort und fort in die Zeiten leben.«

»Sie werden in dieser Verbindung leben«, sagte Johannes, »sie werden.«

»Und so pflegt heute eines zufriedenen Schlummers«, sprach Witiko.

»Du auch«, antwortete Johannes.

Darnach ging Witiko zu den Leuten von Friedberg, und sagte: »Oswald, euer Banner hat die rosenrote Farbe der Herzogsbanner, und ist im Streite gewesen wie die Banner des Herzogs. Lob und Vergeltung wird kommen. Ruhet heiter nach der Arbeit.«[653]

»Ruhe heiter, Witiko«, riefen mehrere Männer.

Dann ging er zu denen der Steinleithe, und sprach: »Liebhart, ihr seid die wenigsten gewesen; aber wie das Kreuz von den Höhen der Länder in die Ebenen herrschet, so ist euer Kreuz in den Feinden sichtbar gewesen. Habet Preis und Dank und eine friedliche Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, sagte Liebhart.

Dann ging Witiko zu den Männern der Friedau, und sagte: »Peter, ihr habt sehr wenig Hütten; aber ihr habt die Männer aus dem tiefen Walde heraus gezogen, und seid eine große Zahl geworden, und seid im Kampfe verläßlich gewesen wie die harten Stämme des Waldes. Habet eine gute erfrischende Nacht.«

»Du auch«, riefen mehrere Männer, »gute erfrischende Nacht.«

Dann ging er zu denen des Kirchenschlages, und sprach: »Dietrich, euer Kranz ist aus grünen Wollbändern gewunden, ihr habt ihn hoch gehalten, und wenn er so hoch in allen Streiten bleibt, so wird er nicht wie aus Sammet und Seide sein, sondern wie das Grün der köstlichsten Gewächse, die nie erbleichen und welken. Habet Dank und eine erquickende Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, sagte Dietrich.

Dann ging Witiko zu den Männern der Waldmoldau, des Heurafels und der Stift, und sagte: »Thomas, ihr seid die letzten an dem Saume des Landes gegen Baiern hin; aber ihr seid nicht die Letzten im Kampfe gewesen, und werdet es nie sein. Nehmet Lob, und stärkt eure Glieder in fröhlichem Schlummer.«

»Du auch in fröhlichem Schlummer«, riefen mehrere Männer.

Als Witiko bei allen diesen Scharen gewesen war, ging er zu dem Platze der Reiter. Er blieb vor der Lanze Philipps, des Steigers, stehen, die in dem Boden stak, und daran das weiße Fähnlein mit der dunkelroten Waldrose[654] hing. Als sich die Männer nach seinem Wunsche vor ihm gesammelt hatten, sprach er: »Wenhart, du liebwerter alter Mann, der du in den Kriegen des Herzoges Swatopluk mit Bořiwoy gewesen bist, in den Kriegen Wladislaws, des Vaters unseres erlauchten Herzoges, mit Bořiwoy, der du in dem Kampfe auf dem Berge Wysoka gewesen bist, und der du gesagt hast, daß ihr in den Kriegen das Zusammenstehen gelernt habt, wie es richtig ist: dich haben die Reiter zu ihrem Führer gewählt, wenn du auch alt bist, wenn du auch von den wenigen kleinen Hütten der Friedau stammst, und wenn auch die größte Zahl der Reitenden aus Plan und der Umgebung von Plan ist. Und du hast es dargetan, daß die Wahl recht war. Auf dem Zuge ist die Ordnung und Zucht der Reiter immer besser geworden, und in dem Kampfe des heutigen Tages sind sie gewesen wie ein einzelner kriegerischer unbezwinglicher Mann. So der Jüngling mit seinem schlanken Leibe auf dem Rosse, so der Mann in seiner Stärke, so der Greis mit seinen weißen Haaren, wie mehrere unter euch reiten. Es ziemt sich, Lob und Ehre über die Schar zu sprechen. Und wenn kein fernerer Kampf schlechter wird als der heutige, so werden die Reiter des Waldes mit ihren kleinen Pferden, wie du auf einem schwarzgrauen reitest, Wenhart, und wie der Richter von der Mugrauer Heide auf einem braunen reitet, und wie der Richter von den Steinleithenhäusern auch auf einem braunen reitet, unter denjenigen sein, die in allen Teilen des Landes werden genannt werden.«

»Es wird kein Kampf schlechter sein«, rief ein Mann, der neben der Lanze Philipps, des Steigers, stand.

»Ich glaube es«, sagte Witiko, »und ich habe dich im Streite schon gesehen auf deinem struppigen ziegelfarbigen Pferde, du Rufer.«

Darauf fuhr er fort: »Und wenn es so ist, so wirst du[655] mithelfen, Wenhart, daß die Drangsale des Krieges nicht über unser Waldland kommen, von denen du uns in dem Schenkhause der unteren Moldau erzählt hast.«

»Wenn Gott und die Heiligen nicht dagegen sind«, antwortete Wenhart, »so werden wir alle getreulich helfen, daß sie nicht kommen.«

»Wir werden helfen«, riefen mehrere Männer.

»Und du hast gewiß auch geholfen, Wenhart«, sagte Witiko, »daß aus dem großen schönen Walde, der von den Friedauer Hütten gerade hinan steigt, bis zu der Stelle des heiligen Apostels Thomas, und der links von den Friedauer Hütten gegen den Heurafel und gegen die Stift geht, und der rechts von den Friedauer Hütten sehr weit fortgeht über die untere Moldau, über die Glöckelberge, bis zu dem Hochfichte, so viele Männer zu euch gekommen sind, daß die kleine Zahl der Friedauer eine große geworden ist.«

»Da haben viele zusammen geholfen«, sagte Wenhart, »die als Jäger, als Holzknechte, als Köhler, als Pechsammler, als Kräutersucher, als Bienenväter in dem Walde sind. Und nicht bloß aus denjenigen Wäldern stammen sie, die du genannt hast, sie sind auch aus dem Schönwalde, aus dem Gesenke und aus dem Walde, der von dem heiligen Apostel Thomas gegen Baiern hinabsteigt, und aus der reichen Au gekommen. Florian, der alte Mann, der dich einmal von Baiern herein geführt hat, ist unter ihnen.«

»Das habe ich nicht gewußt«, sagte Witiko, »ich muß einmal zu ihm gehen. Und so hält der Wald zusammen, daß durch viele der Feind von ihm abgewendet werde, wie du gesagt hast, und daß die vielen gegen den Feind sind wie gegen die Wölfe. Wo ist denn der andere Wenhart, der vom Dürrwalde? Ich habe ihn unter den Fußgängern nicht gesehen.«

»Er ist auch nicht unter den Reitern«, sagte Maz Albrecht[656] von Plan, »wie er nach dem Streite auf dem Berge Wysoka Männer aufgewiegelt hatte, daß sie nach Hause gingen, weil sie nichts mehr gewinnen könnten, so ist er jetzt gar nicht mitgegangen, weil ihm das Spiel zu teuer schien für gehofften Gewinn.«

»Er fahre wohl«, sprach Witiko. »Und nun, ihr Männer, gönnt euch und euern Tieren Erquickung und Ruhe. Ich sehe euch im Frühlichte wieder, und sage jetzt gute Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko, gute Nacht, gute Nacht«, riefen mehrere.

Witiko ging nun mit seinem Geleite zu seinem Gezelte.

Als er dort angekommen war, dämmerte das Land schon im tiefen Abende, und er sah links von sich weit zurück die Lichter an dem Platze, wo die Leute Bolemils lagern mußten, und weiter zurück sah er noch Lichter in sehr mattem Schimmer.

Vor seinem Gezelte harrten Boten von Rowno und von den andern Führern.

Witiko entließ sein Geleite, ließ die Boten in sein Gezelt kommen, hörte sie an, und fertigte sie dann ab.

Hierauf ging er wieder aus seinem Gezelte, und ging zu Rowno. Mit Rowno sprach er durch längere Zeit.

Dann ging er zu den andern, und sprach mit ihnen auch.

Dann ging er wieder zu seinem Gezelte zurück, und von demselben ging er, und sah, wie die Pferde gepflegt würden, und ordnete noch manches an.

Als dieses alles geschehen war, ging er in das Gezelt, setzte sich zu dem Tische, und aß von den Speisen, die ihm Jakob als heutiges Abendmahl brachte, und trank von dem Weine, der auf dem Tische stand.

Dann legte er sich zur Ruhe.

Er hörte die ordnungsmäßigen Rufe der Wachen in dem Lager.

Zu einer Zeit der Nacht erhob er sich, ging vor das Gezelt, und nahm von den Männern, welche sich an demselben[657] befanden, drei, und ging mit ihnen durch das ganze Lager. Er fand alles in dem Stande, wie er es angeordnet hatte.

Dieses tat er nach Mitternacht noch einmal.

Im schwachen Morgenlichte stand er auf, und da die Leute ihr Morgenmahl verzehrt hatten, gab er den Befehl, daß die Zeichen zu der Aufstellung der Männer tönten. Die Zeichen tönten, und die Männer bewirkten ihre Sammlung und Stellung.

Als dieses vollbracht war, bestieg Witiko sein Pferd, ritt vor sie und sprach: »Männer und Kriegesbrüder, ich habe gestern das Recht der Ehre über den gewesenen Kampf vor jeder Abteilung ausgesprochen. Ich spreche es heute vor euch allen Versammelten gebührend aus. Ihr habt getan, was sich geziemt, und was in euern Herzen war. Den Lohn des Herzens habt ihr euch gegeben, den Lohn der Ehre und des Gutes werdet ihr erhalten. Ich habe gestern Boten an den erlauchten Herzog Wladislaw gesendet, welche ihm alles melden sollen. Und wenn ich wieder das Angesicht des hohen Herzoges sehe, und wenn Raum zum Sprechen ist, so werde ich ihm erzählen, wie sich der Kampf in jedem Stücke begeben hat, und er wird das Nötige verfügen. Nun ist es aber an uns, den Zug weiter fortzusetzen. Wir werden an den Zeichen der Abteilungen, die uns zunächst gelagert haben, Weisungen sehen. Der Zug muß in dem Lande der Feinde, wo überall ihre Scharen sein können, vorsichtiger geschehen als bisher. Enthaltet euch von lediglicher Grausamkeit, die Kinder dieses Landes sind wie die Kinder des Landes Böhmen, und der erhabene Herzog Wladislaw ist der Herzog des Landes Böhmen und des Landes Mähren. Achtet, wenn es nicht der Krieg bedarf, der Habe der Bewohner, wie es euch auch schmerzen würde, wenn Brüderscharen kämen, das Eurige dahin zu nehmen. Was die Feinde im Kampfe und nach dem Siege lassen[658] müssen, dessen wird jeder seinen Teil erhalten. Was einer in dem Einzelkampfe dem Feinde nimmt, behalte er, und wahre sich's zum Denkmal, oder wende es zur Not der Seinen. Ich wiederhole nun als Bestellter des Herzoges den Dank für den gestrigen Kampf noch einmal, und jetzt gebt das Zeichen zur Zugsbereitschaft.«

Ein Fahnenzeichen wurde vor dem Gezelte Witikos gemacht, und sofort erscholl der Ton der Zugsbereitschaft aus Veit Gregors großem Horne, und die kleinen Hörner wiederholten ihn.

Die Männer löseten ihre Stellung auf, und suchten sich zum Zuge zu rüsten.

Die Arbeiter brachten die Gezeltstücke und die Lagerstücke zu den Säumern, mancher der Männer strebte noch, das eine oder das andere Beuteding, welches von dem gewesenen Kampfe herrührte, bei dem Gepäcke sicher zu bergen, und in kurzer Frist waren alle zu dem Zuge gerichtet.

Witiko hielt auf seinem Pferde vor ihnen. Da kamen noch Boten von Rowno und den andern. Witiko hörte sie und sendete sie wieder zurück. Es kamen auch Boten von Bolemil. Als sie abgefertigt waren, blickte er zu seiner Linken in die Gefilde, er blickte lange dorthin, wo noch Scharen des Herzogs sein mußten.

Hierauf befahl er, zu ziehen.

Der Ton des Zuges erscholl aus dem Horne und ward weiter gegeben.

Und unter den Klängen der langen Pfeifen schritten die Männer vorwärts, und mit Pfeifen und Heerpauken strebten die Reiter ihres Weges dahin. Der Troß folgte.

Nach drei Stunden war eine kurze Vormittagsruhe, und wieder nach drei Stunden kam die Ruhe des Mittages. Die Männer und die Frauen, welche mitgekommen waren, machten Feuer, und bereiteten Speisen, und man richtete die Getränke zurecht. Den Pferden wurde Nahrung und Trank gereicht.[659]

Da sie noch ruheten, sahen sie großen Rauch vor sich in dem Lande emporsteigen.

Witiko sendete sogleich Kundschafter in der Richtung dahin.

Dann ließ er die Männer sich so lagern, daß sie schnell in Kampfbereitschaft sein konnten.

Ehe seine Boten aber einen großen Weg zurückgelegt hatten, kamen Wakul, der Sohn des Buš, und Ferin, der Sohn Ferins, die zu den Kundschaftern Witikos gehörten, und sagten, daß der Ort Jamnic brenne, und daß Männer des Herzogs, welche aus den Gebirgen gegen Polen stammen, als Vorhut seitwärts gestreift und das Feuer angezündet haben, und daß sie den Einwohnern jede Habe genommen haben, die man wegtragen konnte. Die Männer in dem Lager sahen jetzt auch noch an anderen Stellen Rauch aufsteigen, wo vielleicht Krieger des Herzoges waren.

Die Witiko ausgesendet hatte, kamen zurück, und sagten das nämliche, was Ferin und Wakul gesagt hatten.

Witiko ließ, da die festgesetzte Zeit zu der Mittagsruhe aus war, die Männer wieder zu dem Zuge sich sammeln.

Und der Zug ging in Ordnung, wie ihn Witiko eingerichtet hatte, weiter.

Auf den Fluren fand er jetzt keinen Menschen mehr, auch war beinahe kein Tier zu erblicken. Raben, Dohlen, Krähen und derlei Gevögel waren in der Nähe der Scharen, als zögen sie mit. Wo sie Häuser trafen, waren ihre Tore und Türen offen, und ihre Gelasse erbrochen. Selbst die Kirchentore waren eingeschlagen, und Geräte des Gottesdienstes aus den Heiligtümern entwendet. Das Gras der Wiesen und die emporstrebenden Wintersaaten waren verwüstet, und was man hatte erraffen können, war zu Pferdefutter und zu Futter der Ochsen verwendet, die bei dem Heere waren.

Am späten Nachmittage kamen die Männer Witikos[660] nach dem Orte Jamnic. An vielen Stellen brannte das Feuer noch. Wo keines brannte, war es erstorben, weil alle brennbaren Stoffe verzehrt waren; denn zum Löschen waren keine Arme vorhanden gewesen. Die Mauern standen geschwärzt aufrecht, oder waren zum Teile gestürzt, durch die Fensterhöhlen sah man in leere Räume, und die Schornsteine ragten hoch aus dem Getrümmer empor. Es waren keine lebenden Geschöpfe zugegen.

Witiko ließ seine Leute teils durch die Brandstätte, teils um dieselbe gehen. Die Männer schauten mit sehr ernsten Gesichtszügen auf die Dinge, und die Weiber klagten laut, daß man alles weggenommen habe.

Von dieser Stelle bewegte sich der Zug Witikos weiter gegen rechts, und gelangte in Fluren, durch welche noch keine Krieger gezogen waren. Man hatte den ganzen Tag keinen Feind gesehen.

Als Nachtlagerplatz war die Stelle bestimmt, wo die Häuser von Petrein standen. Es waren auch zwei große Burgen in der Nähe. Die Männer Witikos ordneten den Lagerplatz, wie es in Feindesland eingeführt worden war. Als die Häuser und die Burgen durchsucht waren, sendete Witiko Abteilungen von Kriegern in dieselben, daß sie, was an Nahrungsmitteln, an Futter für die Tiere und an Zugesbedarf vorhanden wäre, nähmen, damit ein Teil heute noch gebraucht, ein anderer Teil für den weiteren Gebrauch mit dem Zuge fortgeschafft würde. Die Krieger brachten auf Wägen weniges Getreide, Mehl, Eier, Brod, einiges geräuchertes Schweinfleisch, Bier, Wein, Heu und Stroh. Sie sagten, daß die Häuser und Burgen offen stehen, und daß sie nur den Rest bringen, den die Fliehenden nicht mehr haben bewältigen können. Es habe keiner der Männer etwas für sich genommen, wie Witiko eingeschärft habe. Es sei auch fast nichts gewesen, was man hätte nehmen können. In der Nacht aber gingen Leute des Trosses doch noch in die Streife, und[661] brachten Hühner und anderes Geflügel nebst Lappen für ihren Leib in das Lager.

Witiko ließ die Nachtruhe halten wie in der vergangenen Nacht. Er untersuchte wieder mehrere Male das Lager.

Am Himmel sah man, als es finster geworden war, Röten von großen Feuern.

Als sich der Morgenhimmel lichtete, stand Witiko vor seinem Gezelte, und schaute in die Gegend hinaus, so weit man schon irgend etwas erblicken konnte.

Nach einer Zeit sagte er zu dem Knechte Jakob: »Gehe zu denen aus der Friedau, und frage nach dem alten Florian, der im Walde an der reichen Au hauset, die im Mittage von der Waldstelle des heiligen Apostels Thomas liegt.«

»Ich kenne den Mann«, sagte Jakob, »Huldrik hat uns erzählt, daß er Euch durch den Wald aus Baiern herein geführt hat, zu jener Frist, da Ihr nicht in dem Wangetschlage gewesen seid.«

»Es ist dieser Mann«, sprach Witiko, »führe ihn zu mir.«

»Ich werde es tun«, sagte Jakob.

Darauf entfernte er sich, und kam in kurzer Zeit mit Florian zurück.

Witiko war noch vor dem Gezelte. Er sprach zu Florian: »Komme mit mir in meine Wohnung.«

Als sie in dem Gezelte waren, sagte Witiko: »Setze dich auf diesen Stuhl, Florian.«

Florian tat es. Witiko setzte sich auf einen andern Stuhl, und sprach: »Sei mir von meinem Herzen gegrüßt, Florian. Ich habe dich selber bei deinen Mitstreitern besuchen wollen; aber weil Boten und Nachrichten kommen können, mußte ich bei dem Gezelte bleiben.«

»Ich bin recht gerne zu dir gegangen, Witiko«, sagte Florian.

»Und du bist auch in deinem Alter noch in den Krieg gegangen«, sprach Witiko.[662]

»Sie haben erzählt, wie du in der unteren Moldau gewesen bist«, antwortete Florian, »und gesagt hast, was von den Feinden und von einem Herren, der in die Wälder kommen wird, zu fürchten ist, und da habe ich gesagt: Wir im Mittage von dem heiligen Thomas haben auch wie die andern Waldleute nur den Herzog zum Herrn, und ich habe Witiko vor Jahren, da er schier noch ein Knabe war, durch unsern Wald und durch die Wälder an den Moldaufällen und durch die krumme Au bis in das ebene Land hinein geführt, und wenn manche Waldleute dem alten Wenhart von der Friedau folgen, so sollen wir auch nicht zurückbleiben, und mit den Friedauern sein, und manche sind gegangen, und ich bin mit gegangen.«

»Ich gedenke es dir noch mit Dankbarkeit«, sagte Witiko, »wie du im Einvernehmen mit deinem Sippen, dem Köhler Mathias, der unter dem breiten Berge wohnt, und in dessen Hütte ich geschlafen habe, mir gutes Geleite aus Baiern in das Land Böhmen gegeben hast. Es ist ein schöner Wald, in dem du wohnst, und auf dessen Schneide die Säule des heiligen Apostels Thomas gestanden ist.«

»Er ist der schönste weit und breit«, sprach Florian.

»Es mag wohl so sein«, antwortete Witiko, »und du hast Männer aus dem schönen Walde gebracht, und bist selber mit ihnen gekommen, der Sache des Herzoges zu helfen. Ich habe es gestern gehört, und habe Freude darüber gehabt, und wollte mit dir sprechen.«

»Und wir haben Freude darüber, daß du uns führst«, sagte Florian, »du bist nicht herrisch, und meinst es gut.«

»Jetzt nimm einen Morgenwein und ein Stückchen Morgenbrot mit mir«, sprach Witiko.

»Das werde ich gerne tun, wenn du es willst«, sagte Florian.

Witiko ließ aus seinem Vorrate etwas Wein bringen, dann Brod und zwei Schnitten kalten Bratens.[663]

Er teilte das Gebrachte mit Florian.

Als sie gegessen und getrunken hatten, sagte Witiko: »Jetzt gehe zu den Männern von der Friedau, und bringe ihnen meinen Gruß, und sage ihnen, wir wollen recht getreulich zu einander halten, und wenn alles aus ist, an den Ufern der Waldmoldau von den Dingen sprechen.«

»Ja, das werden wir tun«, sagte Florian, »und wir werden sprechen.«

Witiko geleitete seinen Gast aus dem Gezelte, reichte ihm die Hand, verabschiedete sich, und der alte Mann schlug seinen Weg zu denen von der Friedau ein.

Der Tagesschein war nun völlig klar geworden, die Morgenarbeiten des Lagers waren im Gange, und Krieger aller Arten gingen bei Witiko in Feldtätigkeit ab und zu.

Als dieses geschah, kam Sifrid von Milnet mit seinen Gefährten gegen das Gezelt Witikos. Mit ihnen ritten mehrere Reisige des Herzogs. Zwei von den Reitern trugen jeder ein großes rotseidenes Banner.

»Seid ihr zurück«, rief Witiko, »und hast du mit dem Herzoge gesprochen, Sifrid?«

»Ja, mit dem hocherhabenen Herzoge und mit Bischöfen und mit alten Führern und mit dem Bruder des Herzoges, der Prag verteidigt hat, und mit dem andern Bruder, und noch mit andern, Welislaw grüßt dich, und ich bringe den Dank des Herzogs«, sagte Sifrid.

»Seid ihr in der Nacht geritten?« fragte Witiko.

»Nicht in der ganzen Nacht, aber gegen den Morgen lange«, sagte Sifrid.

»So erquicket euch, und sorget, daß die Tiere Pflege bekommen«, sprach Witiko. »Ihr könnt von den Speisen und Getränken, die ich schaffen werde, vor dem Zelte genießen, und rückwärts sind Stände für Pferde, und meine Knechte werden das Notwendige liefern. Die Botschaft von dem hohen Herzoge wirst du vor allen Männern verkündigen, Sifrid.«[664]

»Soll ich sie dir nicht zuerst allein sagen?« fragte Sifrid.

»Nein, du sollst alles, was du von dem Herzoge und von andern weißt, vor allen sagen«, entgegnete Witiko.

»Wenn es dir so genehm ist, werde ich es tun«, antwortete Sifrid.

»So steigt von den Pferden, und verfahret, wie ich gesagt habe«, entgegnete Witiko.

Die Männer stiegen von den Pferden. Krieger, die vor dem Gezelte waren, standen ihnen bei, die Anordnungen Witikos auszuführen.

Witiko hieß seine Leute Speise und Trank für die Angekommenen herbei bringen, und seine Knechte das Notwendige für die Pferde in Bereitschaft setzen. Dann ließ er die Zeichen für die Aufstellung der Männer geben.

Als nicht nur Sifrid, und die mit ihm gekommen waren, sondern auch alle, die sich in dem Lager befanden, ihr Morgenmahl verzehrt, und sich dann aufgestellt hatten, führte Witiko Sifrid und die Reiter des Herzogs vor sie, und sprach »Männer, Krieger, Freunde, höret, und was jeder hört, sage er weiter seinen Nebenmännern, und die wieder weiter, daß alle wissen, was gesprochen worden ist. Sifrid von Milnet, den ich mit der Botschaft des gewesenen Kampfes zu dem erlauchten Herzoge geschickt habe, ist zurückgekehrt, und bringt die Antwort des Herzoges. Sifrid, rede.«

Sifrid stellte sich vor die Männer, und sprach: »Kampfesbrüder und Feldgesellen, unser Obmann Witiko hat zu mir gesagt: reite zu dem hohen Herzoge, und erzähle ihm alles, was du von dem Kampfe jetzt gesagt hast; denn er hat mich vorher gefragt, und was du der Wahrheit nach noch weißt, und sage, daß ich dich sende, und daß wir nur wenige Männer verloren haben. Ich ritt mit vier Freunden zu dem Herzoge. Ehe die Morgenzeichen gegeben waren, standen wir bei dem großen roten Banner vor seinem Gezelte. Und als ich gesagt hatte, was ich[665] wolle, und als es ihm gemeldet worden war, ließ er Männer in sein Gezelt kommen, und ließ uns dann vor sie hinstellen. Es war sein Bruder da, der erlauchte Diepold, dann sein anderer Bruder, der erlauchte Heinrich, es war der Bischof von Prag da, es war der Bischof von Olmütz da, welcher erst gekommen war, es war der Župan Lubomir da, es war Diwiš da, es war der Abt von Kladrau da, und der Abt von Wilimow, und der Kanzler Gervasius, und ein Priester, den sie Daniel hießen, und es war der Župan, der Župan, ich habe die Namen vergessen, ein guter junger Mann, Welislaw, der ein Freund Witikos ist, hat sie mir alle gezeigt, da die Sache aus war, und hat gesagt, er lasse Witiko aus dem Gemütsgrunde grüßen. Und der hohe Herzog hat gesagt: Junger Bote, rede. Und ich habe dann geredet: die Feinde sind vor uns gekommen, und einer hat gesagt, wir werden großen Lohn bekommen, wenn wir zu dem unrechten Herzoge Konrad halten wollen, der Herzog Wratislaw von Brünn sende ihn, und der Herzog Wratislaw bürge für seine Worte, und wenn wir uns nicht fügen, werden wir alle vertilgt werden. Und unser Obmann Witiko hat den Boten fortgejagt, und hat uns zu dem Kampfe geführt, und hat angeordnet, wie alles geschehen müsse, und hat im Kampfe gerufen, und hat seine Rufe durch die Boten überall hin geschickt, und hat es sehr gut gemacht.«

»Erzähle, was du von den Männern gesagt hast, nicht von mir, ich habe dir nichts davon aufgetragen«, unterbrach ihn Witiko.

»Du hast gesagt: Erzähle, was du von dem Kampfe der Wahrheit nach weißt«, sprach Sifrid, »und das ist die Wahrheit.«

»Es ist die Wahrheit«, rief ein Mann, »Witiko hat gut geordnet.«

»Witiko hat gut geordnet«, riefen zahlreiche Stimmen.

»Männer«, rief Witiko, »laßt den Boten reden, unsere Zeit ist kurz. Rede weiter, Sifrid.«[666]

Sifrid sprach weiter: »Witiko hat es sehr gut gemacht. Wir gingen, da die Hörner der Ziegenböcke erschallten, immer vorwärts, wie es sein muß. Der Herzog Wratislaw hat selber die Scharen gegen uns angeführt, die Reiter drängten auch vorwärts, und die Bogenschützen, und alle, wir hätten eher gewollt, daß der Boden, auf dem wir standen, mit uns in den Abgrund stürze, als daß wir den Feinden einen Grashalm gelassen hätten, und sie wankten, und sie wurden locker, und flohen auseinander. Und da vor uns ein Raum geworden war, fielen die Männer auf die Kniee, und dankten Gott. Und dann verfolgten wir die Feinde drei Stunden oder dergleichen rechts ab von der Richtung unseres Zuges, und sie zerstreuten sich immer weiter, und wir gingen dann fünf Stunden lang wieder gegen links, daß wir unseres Weges gewännen. Und keiner hat sich mehr weiter blicken lassen, der uns etwas angehabt hätte, und alle die Zeichen, welche die Abteilungen Witikos haben, sind unter der roten Fahne ganz gleich in dem Kampfe vorgegangen, und Rowno befehligte Waldleute im Kampfe an unserer rechten Seite, und sie gingen mit ihren kleinen Zeichen vor, wie wir mit dem großen, und Wyhon von Prachatic befehligte die anderen Waldleute rechts von Rowno, und diese gingen auch mit ihren kleinen Zeichen vor, wie wir und Rowno, und alle waren gleich. So ist die Sache gewesen. Wir haben wenige Männer verloren. Die Toten sind begraben worden, die Verwundeten haben sie in Pflege genommen, es wird schon für sie gesorgt sein, ich weiß nicht, wer sie sind, ich mußte am Abende mit meinen Freunden gleich fort reiten, um die Botschaft zu bringen, wie ich sie weiß, und so, wie ich sagte, weiß ich sie. Heute muß ich wieder zurück reiten, um den Zug Witikos zu treffen, wie er in der Anordnung weiter geht, die bestimmt worden ist. So habe ich zu dem hohen Herzoge geredet, und dann redete ich nicht mehr.[667]

Der Herzog aber fragte mich, ob die Schar Wratislaws groß gewesen sei.

Ich sagte: Wir haben die Männer nicht gezählt; aber unsere Kriegsleute haben nach dem Kampfe gesprochen, daß ihre Zahl größer gewesen sei als die unsrige. Wir haben sie bloß in die Flucht gejagt.

Haben eure Männer gerufen, daß sie eher mit dem Boden in den Abgrund stürzen, als dem Feinde einen Grashalm lassen wollen? fragte der Herzog.

Nein, antwortete ich, ich habe mir gedacht, daß sie so denken wie ich.

Denke nur in jedem Kampfe so, sprach der Herzog.

Ich denke im Kampfe und auf dem Zuge immer so, antwortete ich, ich habe einmal zu Hause gesagt, daß wir eher die Wälder anzünden als sie dem Feinde lassen sollen; aber Witiko hat geantwortet, das wird nicht nötig sein.

Eure Wälder werden grünen, wenn die Feinde längst zu Boden geworfen sind, sagte der Herzog.

Bist du unter den Reitern Witikos, und stammst du aus dem Walde? fragte er mich dann wieder.

Ich bin der Sohn eines armen Weibes, antwortete ich, der mein Vater vor vielen Jahren gestorben ist, und warte die Pferde des alten Mannes Roder Peter, und weil er nicht mehr in den Krieg ziehen kann, so hat er mir ein weißes Pferd geliehen, und mit dem bin ich unter den Reitern Witikos, weil ich in Milnet im Walde nicht weit von Witiko wohne.

Und ihr Reiter habt euch gut gehalten? fragte der Herzog.

Die Feinde haben sehr schöne Pferde gehabt, antwortete ich, aber wir haben nicht nachgegeben, und haben ihnen vierzig oder fünfzig genommen.«

»Es sind siebenzig«, rief Maz Albrecht.

»Das habe ich nicht gewußt, sonst hätte ich es gesagt«, antwortete Sifrid.[668]

»Unterbrecht den Boten nicht, rede weiter, Sifrid«, rief Witiko.

Und Sifrid redete weiter: »Der Herzog sprach: ›Sage den Männern aus dem Walde meinen großen Dank für ihren Kampf, sage ihnen den Dank der Lechen und Herren, die um mich sind. Wenn wir sie sehen, werden wir ihnen alle danken, und sie ehren, und den Lohn, der ihnen aus den Kriegseroberungen gebührt, werden sie erhalten. Sage Witiko meinen Dank und Rowno und Wyhon, ich gedenke ihrer. Und weil Rowno und Wyhon kleine Zeichen haben, werde ich ihnen und zwar einem jeden ein großes rotes Banner senden. Reiter von mir werden mit dir reiten, und die Banner bringen. Rowno und Wyhon sollen auf die Zeichen achten, wie sie auf ihre kleinen Zeichen geachtet haben. Für die Verwundeten und die Angehörigen der Toten werde ich dir ein Geld mitgeben, verteilt es redlich und ohne Zank. Jetzt erquickt euch, und zeigt es an, wenn ihr wieder weiter ziehen wollt. Merke dir meine Worte, daß du sie überbringst, wie ich gesagt habe.‹

›Ich merke sie mir, hoher Herr‹, sagte ich.

Dann stand der hocherlauchte Herzog auf, nahm seine Haube von dem Haupte, und sprach: ›So ehre ich die Leute aus dem Walde.‹

Und sein hocherlauchter Bruder Diepold stand auf, und sein Bruder Heinrich stand auf, und die hochehrwürdigen Bischöfe standen auf, und die Herren und Lechen standen auf, und sie nahmen die Hauben von den Häuptern, und riefen: ›So ehren wir die Leute aus dem Walde.‹

Mit mir drehete sich der Raum, als sie so riefen, und als ich vor ihnen stand. Dann gingen sie zu mir, und fast ein jeder sprach mit mir, ich weiß unsere Worte nicht mehr. Und ein junger Mann, der so lichte Haare hat wie ich, nahm mich bei der Hand, und sagte: ›Es wird schon recht werden, du junges Blut, erinnere dich meiner, ich heiße[669] Welislaw, und bringe Witiko einen Gruß von mir aus dem Gemütsgrunde‹, und er nannte mir die Männer, die da waren, und dann gingen wir aus dem Gezelte, und wir bekamen Speise und Trank und unsere Pferde Futter, und dann kamen die Reiter des Herzogs zu uns, welche die zwei roten Fahnen hatten, und als wir sagten, wir wollen fortziehen, gab mir ein Mann einen Beutel mit Geld für die Verwundeten und für die Angehörigen der Toten, und die Schnüre des Beutels sind mit einem roten Wachspetschaft verklebt, und jeder von uns fünf Boten erhielt drei Goldstücke, und dann ritten wir fort, und die Reiter mit den zwei roten Bannern ritten mit uns. Die Banner sind da, und den Beutel habe ich zu übergeben, und ich gebe ihn unserem Obmanne Witiko.«

Sifrid zog einen rotledernen Beutel aus seinem Wamse, und reichte ihn Witiko.

Witiko rief: »Ich verwahre das Geschenk des hohen Herzoges, und werde das Siegel mit Rowno und Wyhon und den Männern des Rates öffnen, und der Rat wird die Verteilung vorschlagen.«

»Segen und Heil dem hohen Herzoge von Böhmen und Mähren«, rief der Schmied von Plan.

»Segen und Heil dem hohen Herzoge«, riefen fast alle Männer mit einem erschütternden Schalle der Stimmen.

»Wir sind dem hohen Herzoge Dank schuldig für seine Worte und sind ihm Dank schuldig für seine Geschenke«, rief Witiko, »wir werden den Dank auf dem Kriegsfelde bezeigen.«

»Auf dem Kriegsfelde«, riefen die Männer.

»Jetzt aber, Freunde und Genossen«, sagte Witiko, »müssen wir die Banner zu Rowno und Wyhon bringen. Tretet vor, Führer der Abteilungen. Indessen die andern noch alles in Ordnung richten, was nach der heutigen Lagerung not tut, gehen wir zu Rowno und Wyhon, und übergeben ihnen die Fahnen.«[670]

Die Führer sammelten sich, und Witiko ging mit ihnen und mit Sifrid und seinen Begleitern und mit den Reisigen des Herzogs, davon zwei die Banner trugen, zuerst zu Rowno.

Als sie vor ihm angekommen waren, sprach Witiko: »Rowno, der erlauchte Herzog erkennt, was du im gewesenen Kampfe geleistet hast, und was die Deinigen geleistet haben. Er läßt dir durch den Boten, den ich zu ihm geschickt habe, seinen Dank sagen, und sendet euch ein großes rotseidenes Banner durch Männer seiner Schar, die vor dir stehen, daß du dieses Zeichens so achtest, wie du deiner Zeichen bisher geachtet hast. Empfange von dem Manne das Banner.«

Der Mann senkte die Fahne grüßend vor Rowno und seinen Kriegern, und gab sie Rowno. Dieser sagte kein Wort, und es standen Tränen in seinen Augen, dann küßte er den Zipfel der Fahne, und reichte sie einem seiner Krieger.

Hierauf ging er zu Witiko, und schloß ihn in die Arme.

Die Männer aber riefen: »Glück dem Herzoge.«

»Glück dem Herzoge«, riefen sie dreimal.

Dann verabschiedete sich Witiko von Rowno, und ging mit seinem Geleite zu Wyhon von Prachatic.

Demselben sagte er die Worte, die er zu Rowno gesagt hatte, und der Mann des Herzogs grüßte mit der Fahne, und gab sie Wyhon. Dieser schwenkte sie, und rief: »Im ganzen Kriege und in allen Kriegen, die noch kommen werden, soll sich unser Dank und unsere Erkennung des Herzoges erweisen.«

Die Männer Wyhons riefen: »Heil dem Herzoge, Heil dem Herzoge.«

Die Fahne wurde einem Manne in die Hand gegeben, und Wyhon bezeigte Witiko, und seinem Geleite und den Reisigen des Herzogs seinen Dank. Dann verabschiedeten sie sich, und Witiko ging mit allen wieder zu den Seinigen zurück.[671]

Nach kurzer Zeit begaben sich die Reisigen des Herzoges auf den Rückweg. Witiko aber ordnete alles zu dem Weiterzuge, und in kleiner Frist setzten sich seine Scharen in Bewegung.

Am Abende dieses Tages, da das Nachtlager eingerichtet war, kamen Boten von Bolemil, welche bedeuteten, daß man an der Stelle angekommen sei, von der aus die Entscheidung gesucht werden würde. Die Boten gaben die Bewegungen an, die gemacht werden sollen, daß das Heer sich sammle.

Und am nächsten Tage und an dem folgenden Tage sammelte sich das Heer.

Als es gesammelt war, wurden die Führer zu dem Herzoge entboten, damit Rat gehalten werde.

Im Rate wurde beschlossen, was geschehen, und wie der Feind angegriffen werden soll.

Ehe die Männer des Rates auseinander gingen, wurde gemeldet, der Mährer Drslaw sei gekommen, und verlange mit dem Herzoge zu sprechen.

»Führt ihn herein«, sagte Wladislaw.

Drslaw wurde herein geführt.

»Sprich, Drslaw, was begehrest du?« fragte der Herzog.

»Ich will dir allein eine Enthüllung machen, hocherlauchter Herzog«, sagte Drslaw.

»Mache die Enthüllung, so du willst, vor allen diesen, oder gehe ohne Enthüllung deine Wege«, sagte der Herzog.

»Du befiehlst es so, hoher Herzog«, sagte Drslaw, »und ich gehorche. Mehrere von uns, die ich dir nennen werde, wenn du unser Vorhaben gut heißest, haben beschlossen, deiner Sache zu dienen, wenn du uns den Fortbesitz unserer Habe und unseres Gutes gewährleistest, und ihre Vermehrung nach deinem Sinne versprichst. Wir werden in der Schlacht die Reihen Konrads verlassen, und Unordnung stiften, werden, wenn es möglich ist, sogleich für dich kämpfen, und den Sieg in deine Hände bringen.«[672]

»Was soll dem Manne geantwortet werden?« fragte der Herzog.

Alle schwiegen.

»Sprich, Otto, Bischof von Prag.«

»Er bringt Verrat«, sagte Otto.

»Er verrät den in dem Augenblicke, der ihm in dem Augenblicke vertraut«, sagte Zdik.

»Haben die Fürsten aus dem Stamme Přemysls noch viele solche Freunde?« fragte Diepold.

»Und was sagt Bolemil?« fragte der Herzog.

»Dem Manne antworte ich nicht«, entgegnete Bolemil.

»Hängt ihn an den nächsten Baum«, rief Welislaw.

»Es wird wohl des Rates nicht viel nötig sein«, sagte der Herzog. »Drslaw, wenn du aus Reue zu mir gekommen wärest im offenen Zurücktritte von Konrad, hätte ich dich mit Freuden aufgenommen, und die Gewährleistung und Vermehrung deiner Habe wäre dir sicher gewesen wie jedem meiner Krieger; aber du wolltest durch dein Beginnen eine weit größere Vermehrung erzielen, und hast dich geirrt. Wenn ich mit einem fremden Feinde in einem ordnungsgemäßen Kriege wäre, würde ich dich binden lassen, dich gebunden dem Feinde überliefern, und dein Ansinnen melden. Nun aber bin ich auf einem Zuge wider Räuber von Ländern und Gewalt, sie zu strafen, nicht Sitte und Gestalt eines Krieges zu üben. Gehe daher deiner Wege. Deine Habe ist dem Sieger verfallen, weil du bei den Empörern bist. Und wenn allen Empörern verziehen werden würde, so würde dir nicht verziehen werden, und deinen Helfern nicht, wenn sie mir bekannt werden. Und sie werden bekannt werden; denn Verräter verraten einander wieder. Ist der Mann mit einem Geleite gekommen?«

»Wir haben niemand bei ihm gesehen«, sagte der Anmelder, »die Vorwachen haben ihn gefangen gesendet.«

»So gebt ihm zwölf Männer, daß sie ihn ungefährdet an[673] die Grenze des Lagers bringen. Welislaw, tue mir den Dienst, die zwölf Männer beizuordnen. Ich frage nun alle Herren und Lechen, ist einer der Meinung, daß mit dem Manne anders verfahren werde? Ist er dieser Meinung, so bitte ich ihn, daß er rede.«

Alle schwiegen.

»So sind wir einig«, sagte der Herzog, »Welislaw, sorge, wie ich gesagt habe.«

»Wenn du, hoher Herzog, auf diese Art gegen diejenigen handelst, die dir Gutes tun wollen, so ist es übel«, sagte Drslaw.

»Fort von hier«, sagte Wladislaw.

Welislaw ging aus dem Gezelte, kam mit zwölf Männern und einem Führer zurück, sie umringten Drslaw, Welislaw gab ihnen Weisung, und sie führten den Eingeschlossenen aus dem Gezelte.

»Hohe Herren«, sagte Wladislaw, »ich habe gedacht, daß wir mit froherem Mute aus der Versammlung gehen werden, als uns nun dieser Mann eingeflößt hat. Vergeßt es.«

»Man nimmt das Böse auf dem Wege, und verdammt es«, sagte der Bischof Otto, »und sucht es aus dem Gemüte zu bringen.«

»Wäre jedes Ärgernis so leicht zu überwinden, wie das von diesem Wichte«, sagte Zdik.

»Und wir werden unsere Sache rein zu Ende führen«, sagte Lubomir.

»Und so nehmet meinen Dank, ihr Männer und Freunde«, sagte der Herzog, »daß ihr mit Rat und Stimme bei mir gewesen seid. Ich glaube, wir haben, was not war, heute vollendet. Lasset es euch fürder nicht verdrießen, der Sache treulich beizustehen.«

»Nein, nein«, riefen mehrere Stimmen, »wir stehen bei.«

Der Herzog erhob sich, die Männer erhoben sich auch, und zerstreuten sich nach ihren Abteilungen.

Am Abende dieses Tages kamen noch Leute aus dem[674] mittäglichen Walde. Sie sagten, daß sie den Weg nach Pilgram genommen hätten, weil man ihnen denselben gewiesen hat, im Walde seien noch Zusammenkünfte gewesen, und man habe an Witiko und Wenhart gedacht, und sie hätten sich zurecht gerichtet, und seien nachgegangen. Sie wollen jetzt mit Witiko reden.

Witiko trat vor sie, und sprach: »Seid gegrüßet, ihr Männer, was ist euer Begehren?«

»Wir möchten mit denen aus unserer Gegend an dem Kriege teilnehmen«, antwortete einer aus ihnen.

»Und weil du ein Führer bist, so möchten wir von dir geführt sein«, sprach ein anderer.

»Wie viele seid ihr?« fragte Witiko.

»Wir sind einhundertundfünf Männer«, antwortete der, welcher zuerst gesprochen hatte.

»Es kommen noch mehrere«, sagte ein alter Mann, »weil sie von der Sache reden, und weil eine Entscheidung sein muß.«

»Es ist gut, und es muß eine Entscheidung sein«, sagte Witiko, »und wir müssen zusammenhalten, die zusammen gehören. Ich kenne einige von euch, und manche werden mich kennen.«

»Wir kennen dich«, riefen viele Stimmen.

»Haben einige unter euch reiten gelernt?« fragte Witiko.

»Ich habe mich geübt«, rief ein Mann.

»Ich auch«, »ich auch«, »ich auch«, riefen andere.

»Das ist gut«, sagte Witiko, »wir haben Pferde. Ihr alle werdet unter die verteilt werden, welche den Krieg und seine Bewegungen schon kennen, daß ihr die Sache in der Art verrichten lernt, wie sie die verrichten, welche schon lange dabei sind. Aber, liebe Heimatgenossen, ich darf das nicht allein tun. Lagert euch an dieser Stelle, erquickt euch, ich werde sogleich zu dem hohen Herzoge reiten, werde ihm das Vorkommnis erzählen, und werde ihn bitten, daß er euch zu meinen Männern gebe.«[675]

»Er wird es tun, weil wir zu dir gekommen sind«, sagte der alte Mann.

»Er wird es tun«, sprach Witiko.

Darauf verlangte er sein Pferd, Jakob brachte es, er bestieg es, und schlug den Weg in der Richtung nach dem Lager des Herzogs ein.

Als er dort angekommen, und zu Wladislaw geführt worden war, sagte dieser: »Du kömmst noch gegen die Nacht, Witiko, was bringst du?«

»Es sind einhundertundfünf Männer aus unserem Walde gekommen, und verlangen als Streiter mit meinen Leuten vereinigt zu werden. Weil ich ihre Art und Weise kenne, und weil ich die Hoffnung habe, daß ich sie wie die andern zu leiten vermögen werde, so bitte ich dich, hoher Herr, daß du die Vereinigung genehm halten wollest«, sagte Witiko.

»Werden sie brauchbar sein?« fragte der Herzog.

»Sie werden unter meine Männer verteilt werden, und dann werden sie tun wie die übrigen, und unsere Kraft vermehren.«

»So vereinige sie mit dir, Witiko«, sprach der Herzog. »Du weißt aus dem Rate, daß eure Abteilung wichtig werden kann. Links von dir ist Bolemil, und wird ausdauern. Ich habe Vertrauen auf Bolemil und dich. Wir andern werden mit unsern Streitern auslangen, und auch das Unsere tun.«

»Die Männer des Waldes haben den Willen wie die Besten«, sagte Witiko, »wenn nur meine Führung ausreichend ist.«

»Gebrauche deine Einsicht frei und unbeirrt, wie der Augenblick es fordert, du bist nur dir und mir Rechenschaft schuldig, das andere walte Gott«, sagte der Herzog.

»Oft sind unvorhergesehene Geschehnisse, welche unvorhergesehene Mittel erheischen«, sprach Witiko.

»Gebrauche die Mittel, wie du sie erkennst«, antwortete Wladislaw, »du wirst sie der Gelegenheit anpassen.«[676]

»Möge der Herr im Himmel zu der rechten Zeit das Rechte in mein Haupt geben«, sagte Witiko.

»Wo das Rechte in dem Sinne ist, fließt es für den Bedarf hervor«, sprach der Herzog.

»Und so wie du mir vertraust, will ich der Zukunft vertrauen«, sagte Witiko.

»Vertraue ihr«, sprach der Herzog, »ich will noch eines zu dir sagen. Du hast den Kampf gegen Wratislaw sehr gut geführt, ich habe dir und den andern vor meinen Führern gedankt, und danke dir allein hier wieder herzlich. Berate mit Rowno und Wyhon genau euer Zusammenwirken in den Dingen, die uns bevorstehen, und handelt immer in Einigung nach der beschlossenen Richtung.«

»Rowno, Wyhon und ich haben aus unseren Waldleuten wegen ihres harten mühseligen sorgsamen Lebens taugliche Kundschafter«, sagte Witiko, »wir gebrauchen sie fleißig, und wie wir die Lage der Feinde wissen, darnach beraten wir, und nach dem Rate handeln wir dann treu zusammen.«

»So tut auch immerfort, und wenn der Erfolg nicht unmöglich ist, wird er kommen«, antwortete der Herzog.

»Ich strebe die Möglichkeiten durchzudenken«, sprach Witiko.

»Das hast du bei Pilsen erwiesen«, sagte der Herzog. »Ich spreche jetzt etwas zu dir, Witiko, darüber ich nie gesprochen habe. Ich rede nicht von dem, was geworden wäre, wenn ihr damals die Fürsten gefangen hättet, ob das arme Holaubkau verschont worden, und noch mehr, ob der jetzige Kampf unterblieben wäre. Welcher Mensch kann das ermessen: aber in großer Wahrscheinlichkeit kann ich sagen, daß durch deine Handlung die Schlacht vor Prag unterblieben ist, wenigstens war dein Wille dahin gerichtet, und daß wir dadurch der Hilfe der Fremden nicht not hatten. Den jetzigen Kampf werden wir[677] allein ausfechten, und das Land wird auf sich allein stehen. Das weiß ich so hoch zu schätzen, wie jeder der Herren, wie jedes Landeskind, und wie der zornmütige Božebor.«

»Darf ich noch ein Merkmal der Sache sagen, auf das ich damals gedacht habe?« fragte Witiko.

»Sprich«, sagte der Herzog.

»Wenn die Fürsten gefangen vor dich gebracht worden wären, hättest du sie strafen müssen«, antwortete Witiko, »du hättest Wratislaw, du hättest Otto, du hättest den unwichtigen Wladislaw strafen müssen, der aber der Sohn des wichtigen Soběslaw ist, mit dem dein hochherziger Vater auf seinem Sterbebette die Arme in Versöhnung verschlungen hat. Wenn du auch mild bist, so hätte vieles kommen können, daß geschehen wäre, was dir später leid getan hätte. Sie sind auch in ihrer Verblendung noch Zweige des heiligen Baumes Přemysl. Jetzt bekämpfen wir sie. Wir werden ihre Scharen schlagen. Wahrscheinlich werden sie in fremde Länder fliehen. Eine Zeit wird vergehen, manches wird versöhnlicher angesehen werden, und dein milder Sinn kann freier walten.«

»Witiko«, sagte der Herzog, »reiche mir die Hand.«

Witiko reichte dem Herzoge die Hand, dieser faßte sie, und sagte: »So wie ich dir deine Hand drücke, so bin ich dein Freund, und werde es nach meiner Hoffnung auch bleiben. Sei mir zugetan in jede Zukunft, wenn ich es verdiene.«

»Hoher Herr«, antwortete Witiko, »ich bin zu dir gegangen, weil ich dich für den rechtmäßigen Herzog hielt, ich habe dir dann mit Freuden gedient, weil du ein guter Herzog bist, und ich habe Liebe für dich gewonnen, weil du ein rechter Mann bist.«

»Du erinnerst dich der Worte, die du bei Chynow gesagt hast«, erwiderte der Herzog, »und es freut mich. Ich habe dich damals erkannt, wie ich dich jetzt erkenne.[678] Mögen deine Gedanken über mich nie andere werden.«

»Du wirst kein anderer mehr, und meine Gedanken werden keine anderen«, sagte Witiko.

»So dauere unser Bund, und es dauere der Bund der Guten allwärts«, sagte der Herzog.

»Und er werde ein immer größerer Bund«, sprach Witiko.

»Füge es Gott im Himmel«, antwortete der Herzog. »Wenn aber jetzt die Fürsten in meine Hände fallen, Witiko, was wird dann geschehen?«

»Dann wird der Bund größer werden«, sagte Witiko, »wer nicht gut ist, kann es werden, und ist gewonnen.«

»Reiche mir zum zweiten Male die Hand, Witiko«, sprach der Herzog, »und lebe wohl.«

Die Männer faßten sich noch einmal an den Händen, Witiko verneigte sich ehrerbietig, und verließ das Gezelt.

Unter denen, die sich vor dem Zelte befanden, waren Welislaw und Odolen. Sie traten zu Witiko, und Welislaw sprach: »Du hast neuerdings Zuwachs an Männern erhalten, Witiko.«

»Weißt du es schon?« fragte Witiko.

»Es wurde bekannt, da sie in das Lager zogen«, sagte Welislaw.

»Du hast jetzt schon eine größere Schar als ich und Welislaw«, sprach Odolen, »und wenn die Waldmänner so zu dir kommen, werden die Wölfe und Bären und Urstiere in dem Walde zu viel werden, insonderheit, wenn wir mit dem Scharlachreiter nicht bald dahin kommen, zu jagen, wie wir es versprochen haben.«

»Der Scharlachreiter muß jetzt anderes jagen als die Hirsche in jenen Wäldern«, sagte Witiko.

»Und kömmt er nicht dahin, so kommen wir einmal«, sagte Welislaw, »ich komme gewiß, und Witiko muß den Wirt machen.«

»In einem winzigen Häuschen, um das ihr Zelte bauen[679] könnt«, antwortete Witiko, »und aus dem euch jede Gastlichkeit fließen wird, die das Häuschen vermag.«

»Das wissen wir«, sagte Welislaw, »und ich werde auch zu Rowno gehen, und zu Diet, und zu Osel, und zu Wyhon, und zu Hermann, und wie die Namen sind.«

»Und ich gehe auch ganz gewiß mit«, sprach Odolen, »und alle die Männer müssen dann auch zu uns kommen, und unsere Gastlichkeit genießen.«

»Das müssen sie tun«, sprach Welislaw.

»Wenn dieser Krieg zu Ende ist, und wir unter den Lebenden sind«, sagte Witiko.

»Ich lasse mein Leben diesen abtrünnigen Herzogen nicht«, sprach Odolen, »wir müssen ja noch in späteren Zeiten unsere ruhmreichen Banner und den Namen unsers Volkes in ferne Länder tragen, wie du bei Chynow gesagt hast, Witiko. Und etwa holen wir uns noch vorher Bräute aus dem Walde.«

»Frevle nicht, Odolen«, sagte Witiko, »wie die schönsten Blumen und süßesten Beeren im Walde blühen und reifen, so sind dort Mädchen, wie du nicht ahnst.«

»Und du hast dir eine solche Waldblume gewählt«, sagte Odolen, »und achtest nun der Gärten nicht.«

Witiko schwieg.

»Vielleicht sehen wir diese Blume«, sprach Welislaw, »und das soll ein weiterer Antrieb sein, in die Wildnis zu gehen.«

»Du hast ja eine Blume der Wildnis schon gesehen, und hast wieder nach ihr gesehen«, sagte Witiko.

»Das ist die dunkle Dimut«, sprach Welislaw, »aber spröde.«

»Wie das, was in dem Walde wächst«, sagte Witiko.

»Ihr Bruder wird uns wohl Gastrecht geben«, sprach Odolen.

»Ganz und vollkommen in seinem Turme«, antwortete Witiko.[680]

»So soll es bald sein, mir wird das Stilliegen in diesem Lager schon lästig«, sagte Odolen, »ich wollte, wir gingen morgen gegen Konrad.«

»Der Herzog und die Herren werden die Zeit ermessen« sagte Witiko.

»Man muß auch wagen«, sprach Odolen.

»Wir wagen im rechten Augenblicke, und reden in der Versammlung mit«, sagte Witiko. »Jetzt aber, ihr Männer, seid gegrüßt, und verabschiedet, ich muß zu meinen Leuten, um ihre Einteilungen zu machen.«

»Ist dem Herzoge die Vermehrung genehm?« fragte Odolen.

»Er hat sie gebilligt, und die Männer, weil sie aus der Heimat meiner andern gekommen sind, unter mich gestellt«, sagte Witiko.

»Du wirst sie brauchen«, sagte Welislaw, »und kannst sie während der jetzigen Beratungen üben.«

»In welchen Beratungen die Herren mit den weißen Haaren und die Priester immer recht haben, wie jener Daniel«, sagte Odolen.

»Der wird noch viel werden«, sprach Witiko.

»Schlau ist er jetzt schon«, antwortete Odolen.

»Du wirst Recht haben, wenn du handelst, Odolen«, sagte Witiko, »und großes Recht, wie du schon gehabt hast.«

»Ja, wenn ich den Fluß austrinke, um zu den Feinden zu gelangen, wie der Scharlachreiter gesagt hat«, entgegnete Odolen.

»Oder hinüber schwimmst, wie du geantwortet hast«, sagte Witiko.

»Hier ist aber nichts zu schwimmen, wir sehen bereits Znaim, und könnten es schon haben«, erwiderte Odolen.

»Wir werden es um so sicherer haben, wenn Wladislaw seine Vorbereitungen gemacht hat«, sagte Witiko.

»So bereitet nur vor«, entgegnete Odolen.[681]

»Jetzt gehabt euch wohl, ihr Männer«, sagte Witiko, »ich scheide.«

»Lebe wohl, Witiko, und sei tapfer im Streite«, sagte Welislaw.

»Oder im Rate, wenn wir uns nach vielen Tagen wieder dazu versammeln«, sagte Odolen.

Witiko bestieg sein Pferd, und ritt zu den Seinigen.

Als er dort angekommen war, und als man nach und nach die Wachfeuer angezündet hatte, verlangte er, daß sich diejenigen von den Angekommenen vor ihn stellten, welche sich im Reiten geübt hatten.

Da dieses geschehen war, sprach er zu ihnen: »Wir haben den Feinden sehr gute Pferde genommen. Mehrere hat der Herzog in sein Lager erhalten, mehrere sind noch da. Kommt morgen bei dem ersten Lichte vor mein Zelt, die Pferde werden auch da sein, und wir werden die Versuche machen.«

Die Männer versprachen es.

Dann redete er mit den andern, und fragte, welche nach ihrem Wohnorte zusammen gehören, oder welche am liebsten bei einander bleiben wollten.

Die Männer erzählten ihm, wo sie herstammen, wie sie sich zusammengefunden haben, und wie sie in das Lager gezogen seien.

Als er ihre Worte aufmerksam angehört hatte, und als sie nichts mehr zu sagen wußten, teilte er sie in so viele Teile, als er Führer hatte, und sagte einem jeden Teile, zu welchem Führer er gehöre.

Dann sprach er noch: »Ruhet heute an eurem Platze bei einander, und habt eine fröhliche Nacht. Der Herzog hat erlaubt, daß ihr bei uns bleibt. Seid eurer Ankunft willen gegrüßt, ich bin erfreut über euer Vertrauen zu mir, und die Männer, zu denen ihr kommt, werden auch erfreut sein. Beredet euch noch bis morgen unter einander, und wenn irgend einer eine Änderung in der Einteilung[682] wünscht, so sage er mir den Wunsch. Und nun habt eine gute Nacht.«

»Gute Nacht, Witiko«, riefen die Männer.

Witiko entfernte sich, und ging in sein Gezelt.

Von den Kriegern, die nicht eben in dem Lagerdienste waren, kamen nun viele zu den Angekommenen, sie zu begrüßen, und mit ihnen zu sprechen. Sie teilten ihnen von den Lebensmitteln mit, die sie hatten, und empfingen von ihnen auch hinwieder dergleichen.

Am frühesten Morgen des nächsten Tages stellten sich die, welche sich als Reiter gemeldet hatten, vor das Gezelt Witikos. Witiko ging zu ihnen, und die Pferde wurden herzugeführt. Hierauf mußte sich jeder im Reiten zeigen. Als diese Darstellungen vorüber waren, wählte Witiko diejenigen aus, die ihm tauglich erschienen, teilte ihnen Pferde zu, ließ ihnen auch noch an Waffen geben, was ihnen mangelte, und was man im Lager als Vorrat oder Beute hatte, und beauftragte dann Wenhart, sie und die andern, die schon auf Pferden gekommen waren, unter die Reiter einzuteilen.

Hierauf fragte er die übrigen der angekommenen Männer, ob sie sich über ihre Einteilung besprochen haben, und ob jemand einen Wunsch darlegen wolle.

Die Männer waren mit der Einteilung zufrieden, und nur einige wünschten einen Tausch oder eine Veränderung.

Witiko willfahrte ihnen.

Dann geschahen die Einteilungen.

Als der Tag weiter vorrückte, wurden die Übungen gemacht, wie sie an allen Tagen waren, seit das Lager bestand.

Am Nachmittage sprach Witiko mit mehreren Boten, und ritt dann mit Sifrid, Augustin, Urban und dreißig Männern aus dem Lager fort. Er blieb drei Stunden aus, und ritt dann wieder mit seinen Begleitern in das Lager herein.[683]

Neun Tage blieb das Heer Wladislaws in dem errichteten Lager.

In diesen Tagen kamen noch immer Zuzüge, indem noch Krieger geworben wurden, und Männer, welche in entfernten Teilen des Landes gewesen waren, eintrafen. Auch wurden Kriegsbedürfnisse aller Art noch stets herbeigeschafft, insonderheit Wurfgeräte, welche für das Kriegsfeld tauglich waren, und solche, welche zu Belagerungen dienten. Wladislaw empfing und sandte Boten, und suchte sich genaue Kenntnis der Berge, Täler, Schluchten, Felder und Ebenen ringsherum zu verschaffen. So wie es nötig war, wurde der Rat der Führer berufen, es wurde der Stand der Dinge dargelegt, und es wurden die Mittel angezeigt, welche in Anwendung gebracht werden sollten.

Die Feinde suchten sich auch noch immer zu stärken, jeden Bedarf herbei zu schaffen, Stellungen zu gewinnen, und sich in den günstigsten Stand zur Entscheidung zu setzen. Wie es den Anschein hatte, strebten sie nicht, einen Angriff zu machen, sondern das Heer des Herzoges heran kommen zu lassen, oder es, wenn es nicht heran käme, durch Hinzögern in Mangel oder sonstige Übel zu bringen, die bei einer großen Menge von Menschen, die an eine Stelle gebannt sind, nicht ausbleiben.

Witiko übte indessen seine Leute, suchte alles in gutem Stande zu halten, und wenn im Rate Maßnahmen festgesetzt worden waren, beriet er sich wieder mit Rowno und Wyhon und den andern, wie sie durch ihren Anteil ausgeführt werden könnten. So wie er einmal mit Männern in die Gegend hinaus geritten war, so tat er es nun öfter, und schaute alle Teile der Umgebungen an.

So waren die Dinge dahin gediehen, daß es sich bald zeigen sollte, ob bei Wladislaw oder bei Konrad die Herrschaft über die Länder Böhmen und Mähren sein werde.

Es wurde in dem Rate Wladislaws festgestellt, daß man[684] gegen die Feinde vorgehen solle. Und als dieses festgestellt, und die ganze Gestalt der Schlacht ausgemittelt war, wurde der Tag derselben bestimmt.

Am Morgen dieses Tages stand das Heer in Schlachtordnung, und zum Vorwärtszuge eingeteilt.

Die Feinde waren auch aufgestellt, und warteten des Angriffes.

Das Heer Wladislaws ging vor.

Und ehe die Sonne den vierten Teil ihres Bogens zurückgelegt hatte, war es an den Feinden. Wie auf dem Berge Wysoka die Mährer gegen Wladislaws Krieger eine Anhöhe empor gehen mußten, so mußten jetzt die Krieger Wladislaws gegen sanftere oder schroffere Höhen gehen, um die Feinde zur Entscheidung zu bringen.

Witiko war in seinem Ledergewande in der Mitte der Seinen. Ehe der Kampf beginnen sollte, hielt er einen Augenblick, und sprach zu ihnen: »Jetzt, meine lieben Freunde und Kampfesbrüder, ist uns eine wichtige Aufgabe gegeben worden. Sie ist im Rate den Führern mitgeteilt worden, die Führer haben sie den Unterführern, und diese euch gesagt. Wir werden sie vollbringen. Haltet nur jetzt alle Bewegungen fest, wie die Wurzeln eurer Bäume den Waldboden in ihrer Ruhe fest halten. Der kleinste Fehler könnte sehr übel sein, und wir müßten schamrot werden vor jedem Strauche unseres Waldes. Bittet Gott, und dann zum Kampfe für das Recht.«

Die Männer sagten kein Wort. Er stieg von dem Pferde, und kniete auf die Erde nieder, und alle Männer knieten nieder, und beteten einige Augenblicke.

Die Feinde standen eine Strecke von ihnen entfernt auf dem oberen Rande einer sacht hinauf gehenden Wiese, sahen dieses, regten sich aber nicht, und warteten auf den Kampf. An der rechten Seite der Waldleute war eine Schlucht neben der Wiese, und durch diese Schlucht war die Stellung der Feinde gesichert.[685]

Die Männer des Waldes erhoben sich von ihrem Gebete, Witiko bestieg sein Pferd, und alle, Fußgänger und Reiter, setzten ihre Bewegung gegen die Feinde fort.

Die Scharen, welche gegen Witiko standen, hatten an ihrer rechten Seite eine flache Erhöhung. Vor derselben teilten sich nun die Feinde aus einander, und Wurfgeräte, fast wie man sie bei der Belagerung einer Stadt zu sehen gewohnt ist, wurden erkennbar. Und Steine, Eisen, Holz, und was geworfen werden konnte, wurde aus diesen Werken gegen die Angreifer geschleudert. Besonders wurden die Würfe gegen die Mitte, in welcher sich Wladislaw befand, gerichtet.

Als die Waldleute bei ihren Feinden angekommen waren, wurde ein Kampf. Zuerst war er mit Pfeilen und Lanzen, dann mit den Schäften und Speeren. Die Feinde standen fest. Da begannen die Waldleute rückwärts zu weichen. Wie einer in Vorsicht sich zurückzieht, gingen sie rücklings Schritt für Schritt, immer mit den Speeren wehrend, und so fest geschlossen, daß kein Mann und kein Schaft eindringen konnte. Auch links von den Waldleuten ging Bolemil zurück, und links von ihm die andern, und der Herzog, und alle. Die Feinde drängten nach. Als die Waldleute am unteren Rande der Wiese ankamen, von dem sie ausgegangen waren, stoben sie plötzlich gegen rechts in Flucht davon, gerade von der Seite des Schlachtfeldes hinweg. Ihre Feinde verfolgten sie nicht, weil Bolemil da war, sondern wendeten sich gegen diesen, und unterstützten die Scharen, die schon gegen ihn kämpften. Wladislaw ordnete Männer zu Bolemil, ihm zu helfen. Und an dieser Stelle wurde nun der dichteste Knäuel des Kampfes.

Die Waldleute gebrauchten die größte Schnelligkeit ihrer Füße, die sie in ihrer Heimat eingeübt hatten, und als sie zu der Schlucht an der Wiese kamen, beugten sie in dieselbe ein. Kein einziger der Fußgänger fehlte. Sie rannten[686] in der Schlucht fort, sie kletterten, sie sprangen, sie brachten alles in Ausführung, was ihre Wälder oft zum Durchdringen fordern, und erschienen endlich am oberen Rande der Wiese. Die roten Banner weheten in den Lüften, das große Horn des Ziegenbockes und die kleinen Hörner, die in der Flucht geschwiegen hatten, dröhnten nun den Schlachtruf. Witiko, Rowno, Wyhon und alle ordneten schnell ihre Leute, schritten vor ihnen her, und führten sie hinter die großen Schleudergeräte. Die Männer, welche bei denselben waren, wurden angegriffen, viele getötet, die andern in die Flucht getrieben. Die Geräte wurden angezündet. Da sie brannten, stürmten die Männer in Schnelligkeit die Wiese hinab, denen in den Rücken, die gegen Bolemil kämpften. Die Hörner tönten unausgesetzt den Schlachtruf. Die Reiter des Waldes flogen nun auch von ihrem Fluchtfelde herzu, denen in die Seite, die gegen Bolemil kämpften. Witiko, Rowno, Wyhon, Diet, Osel und die andern bekamen ihre Pferde wieder, und die Führer leiteten den Kampf. Und wie die Moldau in den Felsen der Kienberge durch Gestein und Trümmer dahin tost, so tobten die Männer aus Rache, daß sie einen Augenblick geflohen waren, in den Feind, niederwerfend, zerspaltend, vertreibend. Und wie sie gegen die wilden Tiere ihres Waldes ausdauerten, so dauerten sie auch jetzt aus. Verwirrung entstand in den Feinden, und mehrte sich. Es konnte eine geordnete Schlacht nicht mehr bei ihnen statt haben, jeder wehrte sich, wo er stand, seines Lebens, oder suchte zu entrinnen. Bolemil gab aus seiner Sänfte Befehle, und sendete Männer nach Männern gegen den Feind. Die Unordnung verbreitete sich auch in seine weitern Scharen, und wo Wladislaw stand, und Zdik und Welislaw und Odolen und ferner hin, sah man die roten Banner vorrücken. Und an der äußersten Stelle links wehten die rotseidenen Fahnen schon hinter den Feinden, die auch dort umgangen worden[687] waren. Und in kürzester Frist war der Streit entschieden. Die Mährer waren in verworrener und ungebändigter Flucht. Die Männer Wladislaws drangen nach, und bald war man vor den Zinnen Znaims. Wo ein Haus stand, wo eine Hütte stand, wo ein Dorf stand, wo was immer für Wohnungen und Güter der Menschen waren, gingen Feuersäulen empor, und selbst an fernen Stellen, wohin keine Schlacht und kein Krieger gekommen zu sein schien, verdüsterte wallender Rauch den Himmel. Verwüstung, Zerstörung, Vernichtung waltete zwischen Leuten, die sonst friedlich unter der gleichen obersten Herrschaft leben sollten. Die Trümmer des Heeres Konrads wurden von den Verfolgern noch mehr zertrümmert, und wie Staub zerstreut. Nur ein Teil rettete sich nach Znaim.

Als Schlacht und Verfolgung aus war, lagerte sich Wladislaw vor der Stadt. Die Krieger erhielten Ruhe und Erquickung. Dann schritt man zur Ordnung des Lagers. Und es kamen auch noch die Scharen, welche sich in der Verfolgung zu weit hatten hinreißen lassen. Die Verwundeten wurden herbei gebracht. Bei dem Danke des Herzoges an seine Männer, und bei dem Mahle, welches folgte, wurde kein einziger der hohen Führer vermißt.

Witiko ließ vor der Nacht noch seine Verwundeten zu sich bringen. Und in der Nacht ging er wie nach dem ersten Kampfe wieder zu allen seinen Abteilungen, und dankte ihnen.

Und eine tiefe Ruhe und eine Erholung kam in der Nacht über die Scharen des Herzogs.

Am frühen Morgen wurden zwei Krieger aus der Stadt zu dem Herzoge gebracht, welche mit ihm zu sprechen wünschten.

Wladislaw versammelte den Rat der Führer. Dann wurden die Männer vor den Rat gestellt.[688]

»Was ist euer Begehren?« fragte der Herzog.

»Ich bin Unislaw«, sagte einer, »und mußte ein Fähnlein Konrads befehligen, mein Genosse ist Mladota, und hatte auch ein Fähnlein zu führen. Die Krieger, welche in Znaim sind, haben uns gewählt, zu dir zu gehen, hoher Herr, und dir zu sagen, daß wir dir die Stadt übergeben wollen, so du uns schonest. Der Herzog Konrad von Znaim ist nicht in der Stadt, und keiner der vornehmlicheren Führer ist in ihr. Wir wollen uns unterwerfen, und werden dir in der Zukunft treulich dienen.«

»Leget die Waffen auf dem Marktplatze der Stadt nieder, und kommet alle vor mein Lager«, sagte der Herzog, »es wird eures Leibes und Lebens geschont werden. Wenn aber Konrad oder einer der großen Führer in der Stadt gefunden würde, gehört er vor mein Gericht. Ihr könnt mir dienen, wie ihr Konrad gedient habt, und wie ihr, wenn ihr dem Gebiete von Znaim angehört, einem Herzoge von Znaim wieder dienen werdet, der gesetzt werden wird. Nur gegen den Herzog von Böhmen und Mähren dürft ihr in der Zukunft nicht mehr dienen, er könnte vielleicht nicht verzeihen, und ich würde zum zweiten Male nicht verzeihen. Jetzt geht, und kündet denen meine Worte, die euch gesandt haben. Ich glaube, Herren meines Rates, es ist nicht ungerecht, wie ich gesprochen habe.«

»Es ist nicht ungerecht«, riefen viele Stimmen.

»So geht, ihr Männer«, sprach der Herzog.

Die zwei Männer gingen. Nach einer Stunde kam ein langer Zug von Kriegern ohne Waffen aus der Stadt, und stellte sich vor dem Lager des Herzogs auf. Der Herzog trat vor sie, und Unislaw sagte: »Das sind die Krieger der Stadt Znaim.«

»Man wird euch ein Lager anweisen, und dort harret des weitern«, sprach der Herzog.

Nach den unbewaffneten Kriegern kam ein Zug von[689] Menschen in verschiedenen Kleidern aus der Stadt, und verlangte zu Wladislaw.

Wladislaw ließ sie vor sich und die Seinen.

Sie knieten vor ihm nieder, falteten die Hände, und baten um Schonung.

»Stehet auf«, sagte der Herzog.

Sie standen aber nicht auf, und blieben mit gefalteten Händen knien.

»Stehet auf, sonst spreche ich nicht mit euch, und kehre euch den Rücken«, sagte der Herzog.

Die Leute erhoben sich.

»Ich erkenne an deinem Gewande, daß du ein Vorsteher bist«, sagte der Herzog zu einem, »rede, was ist eure Bitte?«

»Hocherlauchter Herr«, sprach der Angeredete, »ich bin der Kmete der armen Stadt Znaim. Die Stadt steht dir zu deinem hohen Einzuge offen. Wir sind alle nicht schuld an dem Abfalle deines untergebenen Herzoges Konrad, und flehen demütig und unterwürfig, du wollest uns das Unheil nicht entgelten lassen, das geschehen ist, und unser Leben nicht nehmen, und uns nicht mit Brand und Zerstörung heimsuchen. Unsere jungen Männer, die noch da sind, oder die kommen werden, sollen dir als Streiter dienen, und wir alle werden dir dienstbar sein.«

»Ich bin der Herzog der Länder Böhmen und Mähren«, antwortete Wladislaw, »und nehme den Leuten meiner Länder nicht mutwillig das Leben, und zerstöre nicht mutwillig die Güter der Länder. Ihr gebt eine Kriegesgabe aus der Stadt, und Leib und Gut des einzelnen wird geachtet, der nur ein Bewohner der Stadt ist. Wer ein hervorragendes Werkzeug des Verrates gewesen ist, wird vor ein mildes aber gerechtes Gericht gestellt werden, und eben so der, der ihn verbirgt. Sagt das denen, die in Znaim sind.«

»Wir verbergen niemanden«, sprach der Kmete, »und[690] würden dir jeden, der uns als Hehler bekannt würde, übergeben. Die Rädelsführer sind entflohen. Gepriesen seiest du, milder, großmütiger, hocherlauchter Herr!«

»Gepriesen, und gesegnet, hoher Herr, wir beten für dich«, riefen die Flehenden durcheinander.

Und der Kmete neigte sich vor Wladislaw, und küßte den Zipfel seines Kleides. Und die andern warfen sich wieder auf die Knie, und suchten näher zu kommen, und griffen nach den Kleidern Wladislaws, sie zu küssen.

Er wehrte ihnen aber, und sprach: »Ich tue nur das Rechte, erhebet euch, und geht, und tröstet die Eurigen.«

Da die Leute aber in ihren Gebärden flehentlich fortfuhren, ließ er geschehen, was sie verlangten, und redete ihnen freundlicher zu, sich zu erheben.

Da standen sie auf.

Dann sprach er: »Du hast gesagt, Kmete, daß ihr mir dienstbar sein wollet.«

»In allem, hocherlauchter Herr, das du befehlen wirst«, antwortete der Kmete.

»So rüstet in eurer Stadt sogleich Gemächer, die Verwundeten in sie aufzunehmen, die meinigen und Konrads«, sagte der Herzog, »dann sendet Männer mit Tragbahren, Sänften, und was ihr habt, um meine Leute bei dem Hineinbringen der Verwundeten zu unterstützen. Sind Menschen aus dem Lande in eure Stadt gekommen?«

»Viele, hoher Herr, haben Zuflucht hinter unseren Zinnen gesucht«, antwortete der Kmete.

»So lasse verkünden, daß sie in ihre Wohnungen zurückkehren, und ihrer Verrichtungen pflegen«, sagte Wladislaw, »meine Krieger sind um mich versammelt, der Krieg ist in dem Herzogtume Znaim geendigt, und sie können unter meinem Frieden ruhig leben. Ich werde dir einen Herold mitgeben, der deine Worte bestätigt. Sie sollen das Land hegen, daß nicht Nöten und andere Übel dem Kriege folgen, sonst würde Verantwortung geleistet[691] werden müssen. Dann sende so viele eigene und fremde Leute, als du nur vermagst, auf das Schlachtfeld zur Begrabung der Toten. Sie finden dort meine Männer, die ihnen helfen und Weisung geben werden. Hast du meine Worte verstanden?«

»Ich habe sie verstanden, hocherhabener Herr, und werde sie vollführen«, sagte der Kmete.

»So eilet nun, daß nicht eine unnütze Zeit vergehe«, sprach der Herzog.

»Wir danken dir, wir preisen dich, wir ehren dich, hoher Herzog«, rief der Kmete.

»Wir preisen dich, wir ehren dich«, riefen die Leute, und manche brachen in Schluchzen aus.

Dann winkte ihnen der Herzog, zu gehen. Sie neigten sich vielmal, wendeten sich, und schlugen den Weg in die Stadt ein.

Der Herzog ordnete nun alles an, das notwendig war, damit ein festes Lager würde, in welchem seine Krieger eine Zeit wohnen könnten.

Dann ließ er die Zeichen geben, daß das Heer in Ordnung aufgestellt werde.

Als dieses geschehen war, ritt er mit einem Geleite an allen seinen Männern und Führern hin, und dankte, und gab Versicherungen der Belohnung. Er sprach mit vielen der Führer und der anderen Leute. Er ritt langsam an den Kriegern des Waldes hin, die geschlossen da standen, und auf ihn blickten. Er dankte für ihren besonderen Dienst, und hielt sein Schwert zum Gruße gesenkt. Er sprach mit Witiko, mit Rowno, mit Wyhon, mit Osel, auch zu den Söhnen Osels sprach er, dann sprach er mit Diet, mit Werinhard, mit Wolf, mit Witislaw, mit Hermann, mit Wenzel, er sprach zu dem alten Wenhart, zu dem alten Florian, zu Johannes aus dem Wangetschlage, und noch zu mehreren Männern, meist zu solchen, welche weiße Haare auf dem Haupte hatten.[692]

Als der Dank des Herzogs vorüber war, wurden die Krieger wieder in ihre Lagerplätze entlassen.

Der Herzog ging jetzt aber mit den Bischöfen zu den Verwundeten, und tröstete sie. Er fand bei ihnen schon manchen Tröster und selbst Pfleger aus der Priesterschaft und den hohen Führern.

Als er wieder in sein Gezelt gekommen war, ließ er die Zeichen zur Sammlung der Scharen ertönen, welche mit ihm in Znaim einziehen sollten.

Da die Sammlung vollendet war, begann der Zug. Eine Menge von Menschen war schon an dem Wege, und sie riefen dem Herzoge zu. Aber noch dichter waren sie in der Stadt. Vor dem Tore wurde Wladislaw von den Priestern, von den Vorstehern und von schön gekleideten Jungfrauen begrüßt. Dann ritt er in seinem einfachen braunen Gewande in die Stadt. Hinter ihm ritten Diepold und Heinrich, dann die Bischöfe, Bolemil wurde in seiner Sänfte von zwei Saumpferden getragen, die einer seiner Enkel leitete, und der alte Wšebor ritt neben Bolemil, und dann war Diwiš und Lubomir, dann waren die Äbte, und dann waren Preda und Chotimir. Die übrigen Führer ritten bei ihren Abteilungen. Vor dem Herzoge und seinem Geleite waren Kriegerscharen, und hinter ihm auch. Das Volk rief ihm zu, und sang Gesänge. Wladislaw ritt zur Kirche, stieg mit seinem Geleite von dem Pferde, und weil der Bann auf dem Lande war, taten sie vor der Kirche kniend ein Dankgebet. Dann ritt er in die Burg, und als die Führer ihn dahin geleitet hatten, wurden sie entlassen. Die in der Stadt blieben, erhielten ihre Wohnungen angewiesen. Die übrigen Scharen zogen wieder in das Lager.

Bald nach dem Einzuge Wladislaws wurden die Verwundeten in die Stadt gebracht.

Am Nachmittage dieses Tages ritt Witiko mit seinen Befehlsträgern, mit Wenhart und dreißig Reitern auf das[693] Schlachtfeld zu den Männern, die er zur Begrabung ihrer Toten dahin geschickt hatte. Er fand sie am unteren Rande der Wiese.

»Seid gegrüßet, ihr Männer der Trauer«, sagte er.

»Es ist traurig, wenn man einen Angehörigen verliert«, sprach David, der Zimmerer, »sie werden weinen und wehklagen, wenn wir ihnen die Nachricht bringen, und wenn wir ihnen auch die Geschenke des Herzogs bringen, und es ist traurig für uns, daß wir einen Mann begraben müssen, den wir kennen, und den die erschlagen haben, die uns alles nehmen wollten, und die einen Herrn bringen wollten, der uns dann weiter nimmt, was wir wieder erworben.«

»Wir sollten ihnen noch mehr vergolten haben, als es geschehen ist«, rief der Schmied von Plan, »es ist schade, daß sie geschlagen sind, und daß sie davon sind, daß wir sie nicht noch einmal schlagen können.«

»Dann hätten wir wieder Tote, und müßten sie wieder rächen, und das ginge so fort«, antwortete Witiko.

»Ja, das ginge fort«, sagte der Schmied.

»Habt ihr wohl gemerkt, wen ihr begraben habt, daß wir alle aufzeichnen, und daß kein Irrtum entsteht, der einen vergeblichen Jammer hervorrufen würde?« fragte Witiko.

»Andreas hat einen Zettel«, sagte der Schmied, »und dann hat er jeden sogleich mit einem spitzigen Blei darauf geschrieben, wenn wir auf seinem Grabe gebetet hatten.«

»Habt ihr viele?« fragte Witiko.

»Nicht viele«, sagte Andreas, und zog seinen Zettel heraus.

Er las: »Melchior von der Stift. Er ward durch und durch gestochen. Wenzel aus den Auhäusern. Er hatte die Wunde im Halse. Kaspar von Reichenau. Ich weiß nicht mehr, David, war es der mit dem zerbrochenen Kopfe?«[694]

»Es ist nicht nötig, daß du die Verwundung ansagst, lese nur die Namen«, sprach Witiko.

Andreas las weiter: »Michael von dem schwarzen Bache. Johannes aus den Heurafelwaldhäusern. Arnold von der unteren Moldau. Jobst von dem Rathschlage. Sebastian aus Friedberg. Ruprecht vom Kirchenschlage. Simon von Mugrau.«

»Es sind zwei, die so heißen«, sagte Witiko.

»Es ist der kleine«, antwortete Andreas. »Dann haben wir noch den alten Lenz von dem Schwenberggute. Er hat drei Wunden, und sein weißer Bart ist ganz blutig. Wir müssen die Grube erst zuwerfen, und beten.«

»Gebt ihr jedem eine Grube?« fragte Witiko.

»Wir geben jedem eine«, sagte Andreas, »wenn auch die Arbeit mehr ist, weil wir treulich an einander halten müssen, und weil sie es uns in der andern Welt danken werden. Es halfen uns fremde Leute, die aus der Stadt gekommen sind, und die Pfarrer in dem Walde werden den Segen beten, wenn wir nach Hause kommen.«

»Sie werden ihn beten«, sagte Witiko. »Habt ihr keinen mehr gefunden, der schwer verwundet ist?«

»Nein«, antwortete Andreas, »unsere Verwundeten haben wir sorgsam schon früher ausgesucht, und die von andern Scharen sind auch schon fortgebracht worden. Wir haben viele Verwundete.«

»So forschet nur fort nach den Toten«, sagte Witiko, »und schreibe sie sorgfältig auf. Hier hast du noch ein Stück Papier, schreibt sie zwei Male auf, und gebt an zwei verschiedene Männer die zwei Zettel, daß der andere übrig ist, wenn einer verloren würde.«

Er reichte nach diesen Worten ein Papier an Andreas.

»Wir werden tun, wie du sagst«, antwortete Andreas.

»Es ist trübselig, die Gruben mit den Heimatleuten in der Fremde auf dem öden Felde zu füllen.«

»Es ist ein christliches Werk, und es ist ein Trost für die daheim«, sagte Witiko.[695]

»Wir tun es auch gerne«, sagte Andreas, »wie sie es uns getan hätten, wenn uns das Unheil widerfahren wäre.«

»Seinen Vater verteidigen, seine Mutter, seine Schwester, sein Weib, seine Kinder, seine Braut, die Greise und Greisinnen der Heimatgenossen, die Kranken und alle, die nicht mitziehen können, ist ein schönes und heiliges Werk, das nur immer ein Mann verrichten kann«, sagte Witiko, »und wenn er in dem Werke sein Leben lassen muß, so ist es ein noch heiligeres, und alle müssen sein Andenken ehren, für die er ausgezogen ist.«

»Wir ehren es auch, die wir doch mit ihm gezogen sind«, sagte Andreas.

»Wenn ihr in dem Walde gegen die Wölfe geht, da sie sich einmal zu sehr mehren«, sagte Witiko, »und wenn ein Mann durch diese Wölfe im Streite verunglückt, so tragt ihr es.«

»Wir tragen es, wenn es auch ein Unglück ist, weil es sein muß«, sagte Andreas, »und diese Menschen, die gegen uns und den Herzog sind, diese sind auch wie Wölfe, die sich vermehrt haben.«

»Wohl ist es so«, sprach Witiko, »nur daß den Wolf sein Hunger treibt; diese aber ihr Gelüste.«

»Und darum müssen wir gegen sie noch mehr gehen, als gegen die Wölfe«, sagte David, der Zimmerer.

»Wir gehen«, sprach Witiko, »und wir werden mit den andern Scharen und mit Gottes Hilfe alles vollenden.«

»Wir werden alles vollenden«, riefen mehrere Männer.

»Ich werde euch in eurer Arbeit ablösen lassen«, sagte Witiko.

»Wenn du Leute sendest«, sprach Andreas, »so können sie uns helfen; aber wir bleiben auch hier.«

»Tut, wie ihr übereinkommt«, sagte Witiko, »und gehabt euch wohl, lieben Männer.«

»Gehabe dich wohl«, riefen ihm die Männer zu.

Witiko ritt mit seinen Begleitern nun noch auf andere[696] Stellen des Schlachtfeldes. Er sah, wie man überall beschäftiget war, die Toten, Freund und Feind, zu bestatten, und einen oder den andern, in welchem noch Leben war, er gehöre zu Konrad oder Wladislaw, zu laben, und zu versorgen. Er fand Rowno, der seinen Oheim Stan verloren hatte, er fand Diet, er fand Osel, er fand Wyhon und manche andere.

Dann ritt er wieder in das Lager der Seinigen, und sandte sogleich Männer, denen auf dem Schlachtfelde zu helfen.

Er ging jetzt zu den Verwundeten. Man hatte aus Balken, Brettern, und wessen man habhaft werden konnte, ein Nothaus zu bauen begonnen, und in demselben waren bereits die Verwundeten. Es war ein Arzt aus dem Lager des Herzogs gekommen; aber die Männer Witikos vertrauten mehr den Mitteln, die sie sonst anwendeten, wenn der Wald Wunden brachte.

Witiko sprach, da er unter ihnen war: »Meine lieben Freunde und Heimatleute, ich bin zuerst zu den Toten auf das Schlachtfeld gegangen, weil sie das höchste irdische Gut verloren haben, das Leben. Ich habe sie besucht, und habe innerlich ein kurzes Gebetlein gesagt. Wir werden alle, wenn es an der Zeit ist, auf ihre Grabstätte gehen, und zu ihrer Ruhe beten. Ich bin auch darum hinaus gegangen, ob nicht noch einer draußen ist, der an einer schweren Wunde leidet. Aber es ist keiner mehr. Dann bin ich zu euch gekommen, denen das zweite Gut dieser Welt unterbrochen worden ist, die Gesundheit. Gott wird sie euch allen wieder geben, wir bitten ihn darum, und wollen alles tun, was wir mit unseren Kräften vermögen, euch zu helfen. Man macht jetzt über euch ein Obdach; aber wenn ihr wollt, werden wir euch in gute feste Häuser der Stadt bringen.«

»Lasse mich bei unsern Leuten«, sagte Adam, der Linnenweber aus Plan, »ich stürbe in der Stadt.«[697]

»Mich auch«, sagte Sebastian, der Schuster von Plan.

»Mich lasse auch da, Witiko«, sagte Tobias, der Hirt von Plan, »ich weiß schon, wie man mit Wunden tun muß, und habe meinen Sohn unterrichtet, und er wird zu Hause bei den Tieren Rat geben, wenn einem etwas zustößt.«

»Mich lasse auch da«, sagte Raimund von der Mugrauer Heide.

»Mich lasse auch da«, sagte ein anderer Mann.

»Mich auch«, sagte wieder einer.

»Männer«, antwortete Witiko, »wer nicht in die Stadt gebracht werden will, der kann an dieser Stelle bleiben, so lange das Lager dauert, und wir werden sorgsam für ihn sein. Und wer in ein Gemach der Stadt begehrt, der wird auf einer guten Tragbahre dahin gebracht werden. Saget nur denen, die euch warten, was ihr wollt, und sie werden eure Wünsche zu mir bringen.«

»So ist es recht«, »so ist es gut«, sagte einer und der andere der Verwundeten.

Und nun ging Witiko zu jedem, fragte ihn um seinen Zustand, und ließ sich erzählen wie er verwundet worden sei, und was man jetzt gegen seine Wunden an ihm getan habe. Dann tröstete er ihn, und redete daneben von der Zeit, in der er wieder fröhlich bei seinen Kampfesbrüdern sein, und von der Zeit, in der er wieder die grünen Bäume seines Waldes sehen werde.

Witiko blieb noch eine lange Zeit in dem Hause der Verwundeten.

Es waren viele von den Waldleuten da, einige waren gekommen, ihre Freunde zu besuchen, andere, welche Kenntnisse hatten, wie man bei Verwundungen verfahren müsse, waren als Pfleger da. Frauen aus dem Lager halfen in allen Dingen, und der Priester von Daudleb hatte sich als Krankenwärter eingerichtet.

Witiko ging von den Verwundeten zu seinen andern Leuten,[698] um zu besorgen, was nach der Lage der Dinge zu besorgen war.

An dem nämlichen Tage ritt auch der Herzog Wladislaw noch mit einem Geleite auf das Schlachtfeld, und er kam dann zu den Verwundeten der Waldleute.

Als schon die Nacht eingebrochen war, kamen die Männer Witikos, die mit dem Begraben der Toten beschäftigst gewesen waren, in das Lager, sagten, sie seien fertig, und Andreas gab Witiko die beiden Zettel, auf denen die Namen der Begrabenen geschrieben waren.

Witiko dankte ihnen, und sagte, sie sollen ruhen, und sich nach der kläglichen Arbeit pflegen.

In dieser Nacht sendete Witiko auch noch einen Boten an seine Mutter nach Landshut fort.

Am andern Morgen fragte er den Priester von Daudleb, welche der Verwundeten sich zur Überbringung in die Stadt gemeldet hätten.

»Sie wollen alle hier bleiben«, sagte der Priester.

»So sollen sie hier bleiben«, antwortete Witiko, »ich werde selber zu dem Herzoge reiten, und ihn um die Vergünstigung bitten.«

»Die Menschen, welche in dem Walde geboren worden sind, und in dem Walde groß gewachsen sind«, sagte der Priester, »bekommen gerne Heimweh, wenn sie nicht mehr in dem Walde leben können, und die Kranken würden Heimweh bekommen, wenn sie von ihren Genossen, die hier sind, entfernt würden.«

»Ich weiß es, ich weiß es«, sagte Witiko.

»Und von dem Gemüte aus heilt man den Körper oft leichter als mit Salben und Mitteln«, sprach der Priester.

»Und in den Gemütern wollen wir alle sie trösten«, sagte Witiko.

»So wollen wir«, sprach der Priester.

Witiko ritt sogleich zu dem Herzoge, und berichtete ihm die Sache. Wladislaw gestattete, daß die Männer ihren[699] Willen haben, und sandte sogleich guten Wein und Lebensmittel und Bettstücke und anderen Bedarf in das Haus der Verwundeten.

Witiko ritt wieder zu den Seinigen.

Ehe die Sonne den Mittag erreichte, zogen alle Männer des Waldes außer denen, die bei den Verwundeten bleiben mußten, mit Witiko auf das Schlachtfeld, knieten dort nieder, und beteten für ihre Begrabenen, und dann für die Begrabenen der andern. Zu Hause beteten die Pfleger der Verwundeten für sie, und es beteten die Verwundeten für sie.

Man sendete nun auch Boten in die Heimat, zu berichten, was vorgefallen war.

Das Lager vor der Stadt Znaim und die Hofhaltung in der Burg wurden immer fester eingerichtet. Wladislaw bestellte eine Verwaltung des Gebietes von Znaim. Er hielt Gericht, und hörte jeden, der von den Ländern Böhmen oder Mähren kam, und ein Anliegen vorbrachte. Die Kriegsbeute und die Kriegsgaben wurden aus dem Gebiete gesammelt, und die Güter der Feinde, welche bei Konrad gewesen waren, wurden zu dem herzoglichen Gute geschrieben. Männer strömten nun von allen Seiten herzu, und wollten Wladislaw dienen. Es wurden die Nötigen gewählt, und in das Heer eingeteilt. Von dem mittäglichen Walde kamen noch einhundertfünfunddreißig Männer, und wurden Witiko zugeteilt. Wladislaw hielt öfter mit seinen Führern Rat, was weiter zu beginnen sei, und oft vereinigte er sie bei den Übungen des Heeres oder bei einem fröhlichen Mahle.

So waren siebenunddreißig Tage nach der Schlacht vor Znaim vergangen, und die weiteren Zurüstungen waren vollendet; Wladislaw verlangte von den Führern, daß sie ihre Männer in Bereitschaft setzten, den Auszug zu beginnen.

Eines Tages wurde Witiko gemeldet, daß der Schuster[700] von Plan, Sebastian, sehr traurig sei, und immer sage, er werde sterben.

Witiko ging zu dem Manne in das hölzerne Haus der Verwundeten, und sprach zu ihm: »Sebastian, sie haben mir gesagt, daß du bekümmert bist, aber deine Wunde heilt schon, und du wirst sehr bald wie früher unter uns sein.«

»Sie heilt«, antwortete Sebastian, »aber innerlich ist alles anders, und mir ist sehr wehe.«

»Das wird sich erhellen, wenn du unter der Sonne und in der freien Luft mit uns ziehest, und die Lieder und die Gespräche erschallen«, sagte Witiko.

»Ich werde hier sterben«, sagte Sebastian.

»Aber ehe du stirbst, wirst du draußen sein und gesund«, sagte Witiko.

»Ich habe sehr schöne Dinge aus rauhen Bälgen gemacht«, sprach Sebastian, »sie sind immer bei dem Gepäcke gewesen, und jetzt weiß ich nichts, und sie werden zu Grunde gegangen sein.«

»Ich will selber nach diesen Sachen sehen«, antwortete Witiko, »und werde sie dir zu dem Bette senden, und sie sollen dir jedes Stück zeigen.«

»Wenn sie zu finden sind«, sagte Sebastian.

»Von dem Gepäcke ist nichts verloren worden«, sprach Witiko, »wir haben nach der Schlacht alle Säumer hieher gebracht.«

»Wir haben groß gesiegt«, sagte Sebastian.

»Alles Land von Znaim ist unser«, antwortete Witiko, »und jetzt wird bald Brünn und das ganze Land Mähren unser sein.«

»Das ist recht gut, das ist recht gut«, sagte Sebastian, »und du bist sehr besorgt, Witiko.«

»Ich gehe sogleich zur Nachfrage um deine Balgdinge«, sprach Witiko, »und werde in einer Zeit wieder zu dir kommen, und deine Wunde wird wieder besser sein, und du wirst auch besser sein.«[701]

»Ich werde bis dahin noch nicht sterben«, sagte Sebastian.

»Und später auch nicht«, sagte Witiko, »und jetzt gehabe dich wohl.«

»Gehabe dich wohl«, sprach Sebastian.

Witiko ging zu dem Troßlager, und fragte um die Balgwaren des Schusters Sebastian von Plan. Man suchte einen Sack unter den andern Sachen hervor, in dem sie waren. Witiko ließ den Sack zu Sebastian tragen.

Er erzählte nach einem Rate bei dem Herzoge das Vorkommnis, und die Lechen und Herren kauften von Sebastian alle Dinge, daß er mehr Geld erhielt, als er je gehofft hatte. Und er starb nicht und saß später in der Sonne vor dem hölzernen Hause, und zählte sein Geld. Den Sack schickte er zu künftigem Gebrauche nach Hause.

Als fünfzig Tage vergangen waren, seit das Lager vor Znaim bestand, wurde der Zug gegen die anderen Fürsten von Mähren angeordnet, die auch immer geworben, und sich gerüstet hatten. Das Heer Wladislaws war aber so stark geworden, daß trotz der Kraft der Feinde kein Krieg mehr war. Was jetzt erfolgte, war nur ein Fortdrängen der Feinde, ein Nehmen von Beute, ein Sammeln von Kriegsgaben, und eine Verwüstung und Zerstörung; der Herzog und die Führer suchten der Verwüstung zu wehren, aber die Verwüstung geschah. Und so gingen die Krieger wie eine Wolke über das ganze Land.

Nach zwei Monden war Mähren in der Gewalt des Herzogs Wladislaw. Die Fürsten und die vornehmlicheren Führer flohen in fremde Länder. Auf grüner Heide hielt Wladislaw den Dankgottesdienst.

Es wurde ein großes Lager der Krieger Wladislaws vor Brünn errichtet, und von diesem Lager aus wurden die Dinge des Landes geordnet.

Eines Tages ließ der Herzog einen großen Platz zu einem[702] Feste schmücken, und sandte Boten aus, alle, die entfernt waren, zu laden.

Als der Tag des Festes gekommen war, sah man einen grünen Raum mit Schranken eingefaßt, welche mit kostbaren Tüchern behängt waren. Auf dem Raume sah man Bänke in einem halben Kreise, welche mit Sammet und Seide belegt waren. Vor den Bänken stand ein Tisch, auf dem Sammet war, und an dem Tische stand ein gezierter Stuhl. Weiter rückwärts waren viele Tische zu einem Mahle gerüstet. Von den Schranken weg stand in einer langen Reihe das Heer mit seinen Führern. Wladislaw, hinter dem ein Geleite war, kam von dem Lager, und ritt an der ganzen Reihe dahin, grüßte jede Abteilung, dankte für die Treue, und nahm Abschied von denen, die nach Hause gehen würden. Als er am Ende der Reihe war, ritt er wieder gegen die Mitte, entfernte sich eine Strecke von der Reihe, und grüßte mit dem Schwerte noch einmal gegen alle.

Es erhob sich ein Ruf des Jubels und der Freude, der in den Lüften zitterte.

Der Herzog ritt wieder gegen sein Lager.

Dann löste sich die Reihe des Heeres, und die Abteilungen zogen in ihre Plätze.

Die Führer aber gingen auf den grünen Raum in den Schranken, und setzten sich auf die Bänke. Unzählige Krieger und Volk umstanden die Schranken.

Da kam auch der Herzog, und setzte sich auf den Stuhl vor dem Tische. Als das Brausen der Stimmen sich gelegt hatte, stand er auf, lüftete seine Haube, und sprach: »Fürsten der Kirche, Söhne des Stammes Přemysl, Lechen, Herren, Wladyken und Obmänner. Unsere Sache ist vollendet. Das Reich Přemysls steht fest. Wir haben, als der Aufruhr niedergeworfen war, auf grüner Heide in feierlichem Gottesdienste dem Herrn im Himmelreiche für seine Hilfe gedankt, und haben täglich bei der Opferfeier[703] bis heute gedankt, und werden fortwährend danken. So gebührt es gegen Gott. Dem Heere und den Führern habe ich gedankt, und habe heute zum Abschiede den Dank wiederholt. Und auch hier wiederhole ich euch den Dank, und sage: Kehret glücklich zu den Eurigen, und freuet euch der Tage, die da kommen werden. Denkt in Liebe an einander, wie ich in Liebe eurer gedenke. Suchet meinen Hof, so oft es euch gefällt, weilet dort oder in meinem Lager, so lange ihr wollt, besuchet einer den andern, und wenn ich zu einem komme, gebe er mir eine kleine Gastfreundschaft. Wer von heute an noch in diesem Lager bleiben will, ist in demselben geehrt, wer es verlassen will, dem senden wir einen freundlichen Segen auf seinen Weg. Wir haben Pergamente schreiben lassen, jedem von euch wird ein Pergament gegeben werden, auf welchem er lesen kann, was ihm an Ehre, Amt und Gut zugedacht ist. Er sei mit den Seinigen darüber zu Rate, und komme dann nach Prag zu meiner Kammer, und sage, welche Änderungen er in dem Pergamente wünsche, und wir werden seine Wünsche zu erfüllen trachten. Herren der Kirche, der Heilige Vater Innozenz wird in diesem Jahre noch den hochehrwürdigen Kardinal Guido mit voller Gewalt in die Länder Böhmen und Mähren schicken, daß er alle die kirchlichen Dinge ordne und richte. Es wird des Heiles und der Ehren eine Fülle sein, wenn er kömmt. In den Pergamenten ist verzeichnet, was den Kirchen und Abteien und allen Heiligtümern nach dem jetzigen Kriege zukommen soll. Diepold und Heinrich, Söhne des Stammes Přemysl, ich werde streben, euch zu lohnen. Bolemil, teurer greiser Krieger, du wirst dich noch des Landes freuen, das dir zuwächst, und deine Söhne und Enkel und Urenkel werden sich freuen. Lubomir, mögest du und mögen deine Söhne zufrieden gestellt sein. Und ihr auch, Diwiš, treuer Župan, Wšebor, Preda, Chotimir, alte Krieger, möget ihr euern[704] Teil hinreichend finden. Und Nemoy, und Jurik, und Bartholomäus, und Ctibor, und Předbor, und Casta, und Wecel, mögen euch eure neuen Fluren in der Reihe von Jahren gefallen, die euch noch bevorstehen. Welislaw, treuer Genosse, du trittst die Županei von Wyšehrad an. Odolen, du Stürmer, pflege der Felder, Wiesen und Wälder, die in deinem Pergamente geschrieben sind, und jage auf ihnen. Witiko, lese mit Zufriedenheit, was dir von dem Walde des Herzoges an der jungen Moldau, und was dir dort an Untertanen und Abgaben zugewiesen ist, und sei ein milder Herr deiner Leute. Rowno, du bist erweitert, Diet von Wettern, du auch, ihr grenzet jetzt an Witiko, seid drei friedliche Nachbarn. Wyhon, du findest bei Prachatic dein neues Gut, und das der andern Männer des Mittages des Landes ist vermehrt. Osel, ich habe deiner aber auch deiner Söhne gedacht. Und Sezima und ihr andern jungen Leute, mehret, was euch wird, in künftigen Kriegen noch um vieles. Und möge keiner von allen, die hier sind, gekränkt sein, und möge er seine Wünsche darlegen, daß sie nach Kräften erfüllt werden. Morgen beginnen wir, in Freundschaft von der beweglichen Beute an Kleinodien, Waffen, Pferden, Kleidern, Prunk und Gold und andern Dingen zu teilen. Und morgen werden auch meine Männer die Gaben an alle Krieger, die bei uns sind, zu reichen anfangen. Und nun bringe ich euch noch einmal meinen Dank, und saget euern Angehörigen, wenn ihr heim kommt, liebe und gute Grüße von mir, und saget den Leuten in euern Ländern, daß ich jedem Wohltaten erweisen möchte, und ich bringe den Wunsch: es komme eine fröhliche und glückliche Zeit.«

»Fröhliche und glückliche Zeit«, erscholl es aus tausend Kehlen.

Und ehe noch einer der Herren auf den Bänken etwas sprechen konnte, rief das Volk vor den Schranken: »Heil,[705] Heil Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren.«

»Heil Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren«, riefen die Männer auf den Bänken.

»Heil dem Kriegsherrn«, riefen die Streiter, welche sich an die Versammlung herzu gedrängt hatten.

Wladislaw ging nun zu denen, die sich auf dem grünen Platze befanden, und redete mit ihnen.

Dann war unter dem freien Himmel ein Mahl des Herzogs und der Herren, und es war ein Mahl aller Krieger, und an das Volk wurde Wein und es wurden Lebensmittel verteilt.

Boten gingen noch an diesem Tage in allen Richtungen ab, zu melden, was geschehen war. Auch in den Wald wurden Boten gesendet.

In einer Reihe von Tagen, die da folgten, wurde nun die Beute verteilt, und es wurden die Gaben an die Krieger gegeben.

Und dann empfing der Herzog die Besuche der Herren, die kamen, ihm zu danken und Abschied zu nehmen.

Und die Männer tauschten unter sich Besuche und Geschenke und Versicherungen der Liebe, und viele rüsteten sich zur Heimkehr. Der Herzog setzte noch ein Gericht ein, die Verwüster auszuforschen und zu bestrafen, er sendete von seinen Kriegern Abteilungen in Städte und Vesten, daß sie des Landes wachten, und bereitete seinen Zug nach Prag vor. Viele der Herren beschlossen, ihn zu geleiten. Weil das Land Mähren noch im Banne war, so rüstete sich auch der Bischof Zdik, mit ihm zu ziehen, um dann von Prag wieder nach Passau zu gehen.

Witiko und Rowno und Wyhon und die anderen aus dem Walde dankten dem Herzoge in seinem Gezelte für sich und ihre Krieger, und ordneten dann ihren Zug, um gemeinschaftlich nach dem Walde heim zu kehren.

Als Witiko mit den Seinigen nach Plan kam, waren die[706] Jungfrauen schön gekleidet, fast alle andern waren auch in ihren festlichen Gewändern, viele Menschen waren von den umliegenden Gegenden gekommen, alle drängten sich, die Heimkehrenden zu sehen, und Witiko wurde mit Freudenrufen und mit Jubel empfangen.

Die Männer aber taten feierlich wie nach dem ersten Kriege, der Pfarrer segnete sie, Witiko dankte ihnen vor der Kirche, und verabschiedete sich. Die Männer von Plan gingen nun gleich zu den Ihrigen, die andern aber schlugen den Weg in ihre Heimat ein.

Witiko begab sich in das steinerne Häuschen.

Quelle:
Adelbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden, Band 5, Wiesbaden 1959, S. 648-707.
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