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[138] 19. April 1781.
Hingesunken am See, unter den Düften des
Lenzes, dacht' ich nur sie, fühlte nur sie allein,
Die des Tags mir die Seele,
Die des Nachts mir die Seele füllt.
Blüten fielen, und Tau fiel auf die Wimper mir,
Weste wiegten mich ein: eh ich die Augen schloß,
Sah ich funkeln den Abend,
Hört' einschlafend die Nachtigall.
Da erschien mir im Traum eine der Himmlischen:
Gleich dem Abendgestirn flammten die Augen der
Göttin, Seligkeit schwebte
Auf den Lippen der Lächelnden.
Wie der Abend des Bachs Wellen mit Golde deckt,
Floß ihr Rosengewand über die göttlichen
Leicht hinschwebenden Glieder
In Gedüft von Ambrosia.
Ehmals kanntest du mich, sprach sie, und lächelte;
Ehmals kanntest du mich, sprach sie, und träufelte
Ihres himmlischen Nektars
In die bebenden Lippen mir:
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Freude heiß' ich; es blüht bei den Unsterblichen
Meine Laube, doch senkt auch zu den Sterblichen
Sich mein Fittich herunter,
Und ich tränke mit Nektar sie.
Komm, ich liebe dich, komm, weihe die Leier mir,
Mir dies klopfende Herz! komm, und entsage der,
Die des Tags dir die Seele,
Die des Nachts dir die Seele füllt.
Göttin, sprach ich, für dich seufzen die Sterblichen,
Selig preisen durch dich sich die Unsterblichen;
Ach ich liebe dich, Göttin:
Aber, Himmlische, zürne nicht!
Sieh ich folge dir nicht! zürne der Sterblichen,
Zürne Lyda nur nicht! Kann ich entsagen der,
Die des Tags mir die Seele,
Die des Nachts mir die Seele füllt?
Sie verschwand, wie ein Blitz; und ich erwachte schnell:
Hochauf klopfte mein Herz, aber es klopfte der,
Die des Tags mir die Seele,
Die des Nachts mir die Seele füllt.