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[248] Ein Mann zu Vechta hatte einen Prozeß dadurch gewonnen, daß er mehrere Eide geschworen hatte. Aber die Leute glaubten, daß er mit Unrecht gewonnen und sich dreier Meineide schuldig gemacht habe. Der Mann starb nicht lange nachher infolge eines plötzlichen Todes, und seine schwerbeladene Seele mußte von dannen, ohne durch die kirchlichen Sakramente erleichtert zu sein. Drei Tage nach seinem Tode sah die Dienstmagd, die auf dem Hofe zu tun hatte, die Gestalt ihres Herren neben dem Brunnen stehen. Voll Angst lief sie ins Haus zurück und rief: »Use Heer is wedderkamen, he steit uppen Hoff!« Die anderen Hausgenossen eilten hinaus und die Magd zeigte nach dem Brunnen hin. »Dar steit he!« sagte sie, aber die übrigen konnten nichts sehen. Da wurde ein alter Pater, der noch von dem Kloster her in Vechta geblieben war, herbeigerufen. Der Pater fragte das Mädchen, wie der Geist ausgesehen habe, und das Mädchen antwortete: »schwarz.« Ob er denn gar nichts weißes angehabt habe? »Nein,« antwortete das Mädchen. Aber der Pater wollte sich hierbei nicht beruhigen, sondern sagte, wenn sie den Geist wiedersehe, möge sie doch recht genau aufpassen, ob derselbe nicht noch etwas weißes, und wenn es noch so 'n kleiner Flecken sei, aufweise, dann könne er noch gerettet werden, und sie möge ihn nur ohne Furcht anreden und fragen, ob sie ihm helfen könne. Habe er aber nichts weißes mehr, so sei auch keine Rettung mehr möglich. Am nächsten Tage sah das Mädchen nichts, aber wieder am dritten Tage erblickte es den Geist abermals am Brunnen stehend, und wie sie ihn nun genau musterte, fand sie an der sonst ganz schwarzen Gestalt in der Nähe des Herzens noch einen kleinen Fleck, so groß wie ein Sechsgrotenstück, der weiß geblieben war. Aber die Magd getraute sich nicht, ihn anzureden, denn sie fürchtete, die Sündenlast möge zu groß sein, so daß ihr die Erlösung zu schwer sein würde. Als sie dem Pater erzählte, was sie gesehen, schalt er sie aus, daß sie den Geist nicht angesprochen, und gebot ihr, wenn sie den Geist nochmals sehe, ihn jedenfalls zu befragen. Aber die Magd fürchtete, daß ihr eine Aufgabe gestellt werde möge, die sie nicht erfüllen könne, und obwohl sie den[248] Geist noch einige Male gesehen, hat sie ihn doch nicht anreden wollen.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CCXLVIII248-CCXLIX249.
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