q.

[283] Unser Küster, so erzählte ein Esenshammer, warnte uns in der Schule, leichtsinnig von der Kirche zu sprechen, und erzählte uns dabei folgende Geschichte. Einige Bauern saßen im Kruge und kamen darauf zu sprechen, daß es doch ein unheimliches Gefühl sein müsse, eine Nacht ganz allein in der Kirche zu verweilen. Nur einer meinte, das sei nichts großes, und erbot sich, es gegen einen ordentlichen Preis auszuführen. Die übrigen mahnten ab und sagten, die Geister hätten in der Kirche schon so manchen zerrissen, sie würden ihn auch zerreißen. Einer aber versprach ihm, wenn er es ausführe, die blaubunte Kuh aus seinem Stalle. Jener nahm es an und ließ sich mit einem Buche und einem Lichte in der Kirche einschließen. Er setzte sich auf die Kanzel und begann eifrig zu lesen, hatte aber noch nicht lange gelesen, da huschten von allen Seiten wunderliche Gestalten herbei, die einen auf Hähnen reitend, die andern auf Ziegenböcken, drängten sich um die Kanzel und suchten dieselbe zu ersteigen. Der eingeschlossene hob die Augen nicht von seinem Buche und fuhr ruhig fort zu lesen, und die Geister vermochten nicht die Treppe zu ersteigen, sagten auch zu einander, so lange er lese, könnten sie ihm nichts anhaben, sobald er aber aufhöre, wäre es um ihn geschehen. Nach einer Weile hörte er unten an der Treppe etwas krabbeln; es schien schon einige Stufen erstiegen zu haben und rief herauf:


»Kunn ick de Knee bügen,

kunn ick de Treppe stigen,

wull ick di de blaubunte Kohutn – driwen.«


Der Bauer erschrak, wandte sich um – und aus war's mit ihm. Am andern Morgen fand man die Glieder und Eingeweide des Unglücklichen zwischen und auf den Stühlen liegen.

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Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CCLXXXIII283.
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