a.

[285] Südlich vor der Stadt Delmenhorst liegt die Stelle der alten Burg Delmenhorst, von der Delme umflossen und außerdem durch künstliche Gräben geschützt. Von dieser Burg soll ehemals ein unterirdischer Gang nach Schlutter, wo auch eine Burg gestanden hat, geführt haben. Burg und Grafschaft Delmenhorst waren von jeher bei der[285] Grafschaft Oldenburg gewesen, bis Graf Gerhard der Mutige sie an den Bischof von Münster verlor. Öfter hatten die Oldenburger, bald mit Beschwerden und Klagen, bald mit Gewalt sie wieder zu erlangen versucht, aber immer vergeblich, und die Münsterschen prahlten, eher würden Schiffe über den Osenberg gehen, ehe die Oldenburger das Haus Delmenhorst wieder gewönnen. Aber im Jahre 1547 hat Graf Anton von Oldenburg es doch wiedergewonnen. Ganz heimlich rüstete er eine starke Mannschaft aus und zog mit ihr über die Osenberge nach Delmenhorst. Auf Wagen führte er lederne Schiffe mit sich, die über hölzerne Rippen gespannt waren. Leise und unbemerkt ließen sie die Schiffe auf die Burggräben und erreichten in ihnen den Wall, sägten die Palisaden und die Pfeiler, an welchen die Zugbrücke hing, durch und drangen in die Festung ein, ehe die Schildwache noch Lärm gemacht hatte. Zwar hatte die Wache das Sägen an den Pfählen und Balken wohl gehört, aber sie hatte des nicht geachtet. Denn schon zu wiederholten Malen vorher hatte die Wache des Nachts eine Säge in gleicher Weise gehen hören, und jedesmal wenn sie zusah, war nichts da. Darum sagte sie auch diesmal: »Soage man, wat du wullt, ick hebbe di all lang hört.« So ward Delmenhorst eingenommen und ist seitdem auch immer bei dem oldenburgischen Hause geblieben.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 285-286.
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