e.

[319] Südlich von Norddöllen liegt ein Gehölz, genannt Gosehof, in welchem sich die Reste einer kleinen alten Burg befinden. Es sind noch die Spuren von zwei Gräben vorhanden, der eine Graben ist noch ziemlich gut erhalten. Die Erdwerke tragen den Namen Gosewall. Auf dieser Burg soll vor Zeiten[319] ein Räuber gehaust haben, namens Gosel oder von Gosel, welcher der Schrecken der umliegenden Ortschaften und insbesondere der Bauerschaft Norddöllen war. Seine Burg war durch zwei breite und tiefe Gräben unzugänglich gemacht, die Zugbrücke fortwährend aufgezogen. Wenn er draußen war, wußte er seinen Verfolgern stets durch eine List zu entkommen, denn er hatte seinen Pferden die Hufeisen verkehrt anschlagen lassen, und wenn seine Feinde glaubten, ihm auf der Spur zu sein, verfolgten sie grade die entgegengesetzte Richtung. Auch durften ihm drei Mann noch nicht ankommen, denn er war sehr groß und stark, ein halber Riese, und trug zu seinem Schutze stets einen eisernen Harnisch. Alles fürchtete sich vor ihm, und niemand war vor ihm sicher. Endlich entzweite er sich mit einem anderen Räuber, mit Namen Glülig, welcher nicht weit davon in Hölterhagen eine Burg bewohnte, deren Spuren gleichfalls noch vorhanden sind und Glühenburg genannt werden. Lange waren sie Feinde, und jeder sann auf das Verderben des andern. Nun geschah es einmal, daß sie sich in der Gegend des jetzigen Westerlutten begegneten. Schnell forderte Gosel den Glülig zum Zweikampfe heraus. Glülich aber war feige, schlug den Zweikampf aus und suchte sich durch die Flucht zu retten. Indessen Gosel holte ihn gerade vor seiner Burg wieder ein, und nun er mußte, wehrte sich Glülig auch tapfer. Den ersten Hieb tat Gosel, aber Glülig fing ihn mit seinem Schwerte so auf, daß Gosels Schwert in der Mitte durchbrach. Jetzt bat Gosel um Gnade, aber Glülig schlug sie ihm ab. Da faßte Gosel alle seine Kräfte zusammen und wollte Glülig mit dem Schwertstumpfe vom Pferde stoßen, aber Glülig wich aus, Gosels Pferd strauchelte, und er selbst fiel zur Erde. Schnell sprang nun auch Glülig vom Pferde, stürzte sich auf ihn und stach ihn mit solcher Kraft unter dem Arme in die Brust, daß das Schwert auf der anderen Seite vor den Harnisch stieß. Gosel starb auf der Stelle. Glülig plünderte ihn aus, nahm ihm die Schlüssel zu seiner Burg und ritt hin, um auch diese zu berauben. Als er nun beschäftigt war, einen Teil der Kostbarkeiten nach seiner Burg zu bringen, vergaß er, die Zugbrücke aufzuziehen. Dies bemerkte ein Hirt, welcher in der Nähe war, lief gleich nach Hause und erzählte, was er gesehen. Da lief alles, jung und alt, aus der Bauerschaft nach der Burg, zündeten sie an, und alle Kostbarkeiten wurden ein Raub der Flammen. Nachher wurde auch die Glühenburg,[320] welche damals noch im Dickicht lag, von den umliegenden Ortschaften mit gesamter Hand erstürmt, angezündet und von Grund aus zerstört.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 319-321.
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