311.

[68] Der Karfreitag (»Stille Freidag«) ist in den protestantischen Landesteilen derjenige Festtag, welcher am strengsten gehalten wird, an welchem Arbeit und weltliche Vergnügungen am strengsten verboten sind. Es herrscht in den meisten Häusern die Gewohnheit, kein Fleisch zu essen, dafür kommen Fische auf den Tisch oder Mehlklöße, weiße Bohnen mit Klößen u. dergl. In einigen Dörfern an der Jade spielt man am Karfreitage das »Semmelverdreihen«.[68] Man geht in Gesellschaft zu den Bäckern, und jeder zahlt 5 Pfennige, dann setzt man auf einem Zifferblatt, das auf einem Tisch liegt, einen Zeiger in Bewegung und läßt ihn rund laufen. Wer die höchste Ziffer erreicht, dadurch, daß der Zeiger darauf stehen bleibt, hat einen Stuten gewonnen. Auf dem Ammerlande werden am Gründonnerstag alle Zinn-, Messing- und Blechgeräte blank gescheuert, denn diese glänzenden Schüsseln, Kummen und Kannen über dem Feuerrahmen bilden den Hauptschmuck eines Bauernhauses und müssen namentlich auch zu Ostern als solcher erscheinen. Nach dem Blankputzen am Gründonnerstag aber werden sie in Körbe verpackt und dürfen am »stillen Freitag« ihren Platz nicht einnehmen, so daß das ganze Haus einen toten, öden Anblick gewährt. Diese Sitte kommt freilich mehr ab, doch sieht man auch jetzt noch die Leute von den Dörfern meist in schwarzen oder doch dunklen Kleidern zur Kirche gehen. – Für Katholiken ist der Karfreitag kein gebotener Festtag, doch werden Arbeiten, die Geräusch verursachen, unterlassen. In den Häusern herrschen strenge Fasten, in den Kirchen ist ein Grab aufgestellt. Das dreimalige Läuten der Betglocke am Tage unterbleibt an den letzten drei Tagen der Karwoche, auch wird an diesen Tagen der Gottesdienst nicht eingeläutet, denn die Glocken sind nach Rom gewandert und kommen erst in der Osternacht wieder, sagen die Leute. Dafür wird durch Klappern die Feier in der Kirche angekündigt. Dieses Klapperinstrument ist ein Brett von 20 cm Länge und 10 cm Breite. In der Mitte auf einer Seite ist ein Handgriff, in der Mitte der anderen Seite ein beweglicher Hammer angebracht, der beim Hin- und Herschlagen auf das Brett niederfällt und dadurch das klappernde Geräusch verursacht. Trupps von 10 bis 20 Knaben ziehen mit ihren Klappern auf den Turm oder gehen dreimal um die Kirche und ersetzen so das Glockengeläute. In der Osternacht wird mit den Klappern zum Frühgottesdienste geweckt. An einigen Orten ziehen Scharen von jungen Leuten mit Klappern die ganze Nacht durch die Straßen. – Wie für den Menschen soll der Karfreitag auch für das Vieh ein Fasttag sein, sonst gedeiht dieses nicht (Münsterld.) Wenn man am Karfreitag draußen Wäsche aufhängt, muß in Jahresfrist jemand aus dem Hause sterben. Andrerseits heißt es aus Neuenkirchen, daß am Karfreitag und am stillen Samstag mit aller Macht gesät werden müsse; vielleicht, damit Ostern[69] die Saat erwecke? In Oldenburg wird gesagt, man solle an diesen Tagen Erbsen pflanzen, dann würden sie von den Vögeln nicht gefressen. Wenn man ein am Karfreitag gelegtes Ei ausbrüten läßt, so wechselt das Huhn, das herauskommt, alle Jahre seine Farbe (Visbek). Am Karfreitage kann man Hexen erkennen: 223. Spiel und Jagd am Karfreitag bestraft; 176h, 517h. Baden am Karfreitage in fließendem Wasser vertreibt die Krätze. In der Karwoche darf kein Weber weben, kein Schmied schmieden, kein Zimmermann zimmern. Denn als der Heiland gekreuzigt wurde, und die Henkersknechte zum Zimmermann kamen, um das Kreuz zu bestellen, weigerte sich dieser, es zu machen, und der Schmied weigerte sich, die Nägel zu schmieden, darum nahmen die Knechte einen Weberbaum zum Kreuze und die Bolzen aus dem Webestuhle zu Nägeln. Darum müssen alle drei Handwerke in der Karwoche feiern. (Saterld.) – Wenn Christus im Grabe friert, so friert in dem Jahre nichts ab (Wildeshausen). Dann heißt es auch wieder: Wenn Christus im Grabe friert, dann friert es noch 40 Nächte. Vgl. 315. Warmer Regen am Karfreitag bringt einen warmen Frühling (Lohne). – Frost in der Karfreitag- und Karsamstagnacht bringt Frost in der Buchweizenzeit. – Rätsel: Wat is in'n Himmel van Menskenhand moaket? Die fünf Wunden Christi.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 68-70.
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