Scena 9.

[82] Das Theatrum praesentirt eine Biblioteck nebst Tisch und Sesl, auf welchen der globus Terrae stehet.

Cicero, Terentia.


CICERO. Setzet Euch, geliebte Gemahlin, dieser Orth soll unsere Geheimnüsße vor denen jenigen verbergen, die unseren Untergang verlangen.

TERENTIA. Ach, wehrter Gemahl, ich hoffe durch Euch für mein; betrübtes Hertz einigen Trost. Ihr wisßet das Witten der Verräther, die boßhaffte Verfolgung des hochmütigen Burgermeisters und seines Anhangs: lasßet doch zu, daß es nach ihren Willen gehe, streitet nicht mehr vor die Unschuld, lasßet sie nach ihren Urtheil unterliegen, auf solche Arth werdet ihr mich aufs neue beleben und meiner beängstigten Seele eine Erquickung verschaffen.

CICERO. Ach, Gemahlin, was verlanget ihr von mir? Solt ich die Unschuld verfolget und die Gerechtigkeit verbanet sehen? Verlanget ihr, daß jener Glantz, so mich bishero beleuchtet, durch ein so schändliches Stillschweigen erlösche und verdunkelt werde? Wollet ihr, daß mein weltberühmter Nahme auf Ewig begraben werde?

TERENTIA. Daß verhütte der Himmel! Doch bitte ich nur so viel sich zu enthalten, damit ihr nemlich denen Verräthern noch ab, noch auch beyleget; es ist nicht eine so grosße Sache, zu Zeiten schweigen zu könen; es ist weltbekant, daß das Stillschweigen iederzeit mehr genutzet als vieles Reden.

CICERO. Wie man es nehmen will: ein unützes Geschwätz ist schädlich, bekene es, aber hierzu mus nicht eine vernünfftige und wohl überlegte Rede genohmen werden; und wie wäre es möglich, daß ich zur Ungerechtigkeit schweigen solte, da man mich für den Gerechsten ausruffet? Themis würde mich in Warheit bestraffen. Derwegen soll ehe Cicero sterben, als die Gerechtigkeit beleidiget werden.

TERENTIA. Was nutzet aber dem gemeinen Weßen Euer Todt?

CICERO. Er nutze oder nicht, wenigstens bin ich mit Ruhm und Ehre gestorben.[83]

TERENTIA. Ach, Gemahl! unser gantzes Hause wurde durch Eueren Fahl zu scheiteren kommen.

CICERO. Und dannoch wird auch von danen der hohe Nahmen Cicero hervorleuchten.

TERENTIA. So sterbe ich dann mit Euch!

CICERO. Nein, lebet, und zwar zum Trotz Eurer Feunde.

TERENTIA. Ich solte leben, da derjenige von mir scheiden will, der mein Hertz besitzet? ô grausamer Ehgemahl!

CICERO. Ach Terentia, stillet Euere Thränen; wollet ihr dann, daß ich mit Schanden leben solte und als ein Ungerechter, ia Unterdrücker der Themis in der gantzen Welt ausgeruffen werde? Ich bin es zufriden, doch sofehrne Euere Liebe tugendhafft, werdet ihr nicht mit einen Verächtlichen zu leben verlangen.

TERENTIA stehet auf. So verfechtet dann die Gerechtigkeit, verthätiget die Unschuld, machet Eueren Nahmen unsterblich, aber stürzet mich und Euere Tochter bevor in das kalte Grab, und da ihr über uns Beede triumphiret, folget als ein straffmäsiger Sieger unseren verblichenen Schatten nach. Indessen lebet wohl! Ab.

CICERO ihr gantz betrübt nachsehendt. Sie verlasßet mich gantz trostlos und will nicht erkehnen, was zur Beförderung unsers Hauses dienet; ach Terentia, unbedachtsame Gemahlin, in was für einen harten Streit hastu mich gesezet, – – – du hast überwunden, ich will leben, ia, ia, aber nur als ein Schatten, ich will die Gerechtigkeit selbst unterdrücken helffen, damit ich nur dein Hertz von den bitteren Schmertz entledige. – Aber wohin vergehestu dich, Cicero? Solte wohl eine zarte Liebe deinen hohen Ruhm verduncklen? Und solte diese Sterblichkeit dir die Unsterblichkeit entzihen? – – Nein, nein! Es sterbe Cicero, es vergehe Terentia und Tulia und blühe die Gerechtigkeit!


Es sollen alle Stahl nur diese Brust durchbohren,

Eh die Gerechtigkeit geh durch mein Lieb verlohren.

Kein Bitten, Flehen auch soll meinen Vorsatz wenden,

Wann ich mit Ruhm und Ehr mein Leben nur kan enden.


Quelle:
Wiener Haupt- und Staatsaktionen. 2 Bände, Band 1, Wien 1908 und 1910, S. 82-84.
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